# taz.de -- SSW in holsteinischen Wahlkampf: Ehrgeizige Minderheitenpartei
       
       > In den Kieler Landtag kommt der Südschleswigsche Wählerverband auf jeden
       > Fall. Im kommenden Mai will er die Fünf-Prozent-Hürde trotzdem
       > überspringen. Und kann sich sogar eine Koalition vorstellen.
       
 (IMG) Bild: Der SSW-Vorsitzende Flemming Meyer und Spitzenkandidatin Anke Spoorendonk.
       
       KIEL taz | Da, wo Deutschland aufhört und Dänemark anfängt, tagt der SSW:
       Im „Hotel an der Grenze“, in einem Saal, der mit schallisolierter Decke,
       Marmorfliesen und dunklem Holzfurnier in den 70er Jahren bestimmt sehr
       schick war. Der Parteitag des Südschleswigschen Wählerverbandes beginnt mit
       einem Lied, es klingt warm und freundlich.
       
       Auch die Reden klingen warm und freundlich, denn Dänisch ist eine angenehme
       Sprache voller rollender Vokale. Die Kernpunkte von Wahlkampfreden sind zum
       Glück international verständlich: „Kampgeist“, sagt der
       SSW-Landesvorsitzende und Nummer 3 der Landesliste, Flemming Meyer. „Wi
       will, wi kann.“
       
       Der SSW genießt als Vertretung der dänischen und friesischen Minderheit
       Sonderrechte: Er ist von der Fünf-Prozent-Hürde ausgenommen und kommt damit
       so gut wie sicher in den Landtag, auch wenn er seine Mandate mit ebenso
       vielen Stimmen erkaufen muss wie jede andere Partei. Im Herbst 2009
       stimmten 69.000 Schleswig-HolsteinerInnen für die Minderheitenvertretung,
       das waren 4,3 Prozent. Im Landtag, durch Überhangmandate aufgebläht,
       entsprach das vier Sitzen – so viel SSW war noch nie im Parlament.
       
       Jahrelang, von 1971 bis 1996, kämpfte Karl Otto Meyer, Vater des heutigen
       Landesvorsitzenden, als „Ein-Mann-Fraktion“ für die Wünsche der
       Minderheiten: Gute Bedingungen für die dänischen Schulen, Kulturvereine und
       Bibliotheken, friesischen Schulunterricht, zweisprachige Ortsschilder in
       Friesisch-Gebieten. Besonders in Sozial- und Bildungspolitik verweist der
       SSW immer wieder auf skandinavische Vorbilder, etwa den gemeinsamen
       Unterricht an allen dänischen Schulen.
       
       Im Parteienspektrum des Landes steht der SSW Mitte-links. Die größte
       bundesweite Aufmerksamkeit erreichte er im Frühjahr 2005, als er sich
       entschloss, eine Minderheitenregierung aus SPD und Grünen zu tolerieren.
       Die „Dänenampel“ scheiterte an einem Abweichler, der Heide Simonis im
       Landtag die Stimme verweigerte.
       
       „Dänenampel“: SSW-Sprecher Lars Bethge mag das Wort nicht mehr hören. Dabei
       könnte Rot-Grün-Blau wieder aktuell werden: „Das wichtigste Ziel des SSW
       für die Wahl am 6. Mai ist eine neue Landesregierung. Und der SSW wird
       nicht kneifen“, sagt Anke Spoorendonk, die jetzt bei zwei Enthaltungen
       wieder Spitzenkandidatin wurde.
       
       Die Partei ist diesmal bereit für eine Koalition, Tolerierung sei eben
       „noch kein Modell in der politischen Landschaft hier“, sagt Spoorendonk.
       Der SSW wolle nicht aus machtpolitischen Gründen mit SPD und Grünen „in
       einen Kahn steigen“, aber klar ist: Es geht gegen CDU und FDP. Der
       Regierung nimmt die Minderheit übel, dass die Landeszuschüsse für die
       dänischen Schulen reduziert wurden. So ist eines der großen Wahlziele, die
       Gleichstellung wieder herzustellen.
       
       Das werde WählerInnen mobilisieren, hofft Bethge: „Was den Zusammenhalt der
       Minderheit angeht, hat Schwarz-Gelb uns einen Gefallen getan.“ Und die CDU
       schürt die Wut noch: Wie 2005 gab es vereinzelte Äußerungen gegen zu großen
       Einfluss der Minderheit auf die Landespolitik. CDU-Spitzenkandidat Jost de
       Jager nannte eine Dreier-Koalition „unseriös“.
       
       Das Ziel, diesmal die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken und wieder vier Sitze
       zu kriegen, ist ehrgeizig. Darum betont der SSW so stark wie nie
       landesweite Themen – und seine Einzigartigkeit: Das Wahlkampflogo ist eine
       Schleswig-Holstein-Karte, darüber ein grünes Band mit dem Spruch
       „Hergestellt und erprobt in Schleswig-Holstein“. Drumherum das Motto „Der
       SSW ist ein schleswig-holsteinisches Naturprodukt ohne Berliner Zusätze“.
       Das erinnert ans Etikett einer Bierflasche, aber die Botschaft ist klar:
       „Nach der Wahl sind die Spitzenpolitiker der anderen Parteien wieder
       verschwunden – die des SSW sitzen im Landtag“, ruft Spoorendonk den
       Delegierten zu. Die jubeln. Mehrsprachig.
       
       4 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geisslinger
       
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