# taz.de -- Debakel: Ein Tag für Sündenböcke
       
       > Der Hamburger SV bekommt vom Tabellennachbarn VfB Stuttgart beim 0:4 die
       > Grenzen aufgezeigt. Bei Guerreros brutalen Frustfoul war das Spiel schon
       > längst verloren.
       
 (IMG) Bild: Hier noch ganz legal im Zweikampf mit dem Stuttgarter Khalid Boulahrouz (l.) : HSV-Mann Paolo Guerrero.
       
       HAMBURG taz | Heiko Westermann steht dort, wo die Fernsehkameras stehen. Er
       hat ein TV-Interview hinter sich. Gleich kommt das nächste. Er reibt sich
       übers Gesicht, so wie morgens im Badezimmer. Nur das Wasser fehlt. Er reibt
       sich die Stirn. Nochmal das Gesicht. Was immer da ist, es geht nicht weg.
       Er wacht nicht auf, das ist auch nicht sein Badezimmer, ist kein schlechter
       Traum.
       
       Westermann, Kapitän des Hamburger SV, muss Interviews geben, gerade nach
       einer 0:4-Pleite gegen den VfB Stuttgart. Er weiß, dass er auch bei den
       Interviews nur verlieren kann. Ein paar von denen, die sich im Spiel
       versteckt haben, verstecken sich auch jetzt. Ein paar, die sich im Spiel
       versteckt haben, quatschen jetzt schlau mit den Fernseh-Leuten, wie Marcell
       Jansen. Westermann hat sich nicht versteckt. Und er hat hinterher auch
       keine klugen Sprüche parat. „Das haben wir in der Form noch nicht gehabt:
       Wir sind ohne Willen, ohne Leidenschaft, das Spiel gewinnen zu wollen, in
       die Partie gegangen“, sagt er. „Das Wetter ist geil, die Zuschauer sind da,
       und dann liefern wir so eine Leistung ab. Unglaublich. Ich kann es nicht
       erklären.“
       
       ## K.O. durch zwei Elfmeter
       
       Westermann schimpft nicht auf den Schiedsrichter, der zwei Elfmeter gegen
       den HSV gibt. Den ersten, in der 31. Minute, als Slobodan Rajković mit der
       Schulter Shinji Okazaki rempelt, kann man geben. VfB-Mittelfeldspieler
       Zdravko Kuzmanović verwandelt zum 0:2. Den zweiten Elfer kann
       Schiedsrichter Peter Sippel nicht geben. Rajković soll Martin Harnik
       gefoult haben. Wieder trifft Kuzmanović (47.). „Du kommst aus der Kabine,
       willst noch was machen, und kriegst so einen Elfer“, sagt HSV-Trainer
       Thorsten Fink, und pfeift sich sofort zurück: „Wir reden nicht über den
       Schiedsrichter.“
       
       Dieser für die HSV-Fans miese Nachmittag beginnt damit, dass sich Dennis
       Aogo beim Warmmachen verletzt. Für ihn spielt Marcell Jansen, linker
       Außenverteidiger, Ivo Iličević spielt im linken Mittelfeld, beide bleiben
       diskret, Jacopo Sala spielt rechtes Mittelfeld, Paolo Guerrero Stürmer,
       hinter ihm Mladen Petrić. Petrić ist vielleicht der diskreteste von allen.
       Er spielt wie ein Ehemann, der, die Schuhe in der Hand, mit schlechtem
       Gewissen vorsichtig durch die Wohnung schleicht.
       
       Das Spiel des HSV lebt von den Vorstößen der Außenverteidiger. Ohne Aogo
       ist das schwer, und wenn der Gegner früh angreift und die Außenverteidiger
       beschäftigt, geht nach vorne nichts. So ist es gegen den VfB. Eine
       Kombination über Tamás Hajnal vollendet Vedad Ibišević zum 0:1 (23.). Das
       vierte Tor beginnt mit einem Fehler von Tolgay Arslan, Harnik macht sein
       14. Saisontor. „Ich weiß gar nicht, wie viele Fehler wir vor dem 0:4
       machen“, sagt Westermann.
       
       ## Tritt mit 30 Metern Anlauf
       
       Eines der Probleme dieser Mannschaft wird in der 53. Minute deutlich. Paolo
       Guerrero, der seine beste HSV-Saison spielt, läuft hinter VfB-Torwart Sven
       Ulreich her, der den Ball tief in der Hälfte des VfB abschirmt, damit er
       ins Aus geht. Guerrero hätte vor ein paar Minuten gerne einen Elfer gehabt,
       denn er war im VfB-Strafraum von Gotoku Sakai gestoßen worden. In Sippels
       Pfeife waren an diesem Tag nur Elfer für den VfB. Guerrero stampft mit dem
       Fuß auf, brüllt, tobt, und es ist klar: Vulkan brodelt.
       
       Nun läuft Guerrero hinter Ulreich her. Kurz nachdem Guerrero ausholt, liegt
       Ulreich und damit Unheil in der Luft. Guerrero hat Ulreich nach dreißig
       Metern Anlauf in die linke Wade getreten. „Ich bin froh, dass Ulle gesund
       ist“, sagt VfB-Trainer Bruno Labbadia. Da können auch Knochen brechen.
       
       Rote Karte für Guerrero, seine erste. Trotzdem droht eine lange Sperre, und
       „wir werden auch intern was machen“, kündigt Fink an. Der HSV verliert
       seinen mit Abstand besten Offensivspieler.
       
       Guerreros Tritt hat mit seiner Mannschaft zu tun, in der sich zu viele
       ergeben, wenn es nicht läuft. Guerrero kämpft. Ein paar beim HSV haben
       nicht die Mittel, sich zu wehren, ein paar die falschen. Guerrero und
       Rajković geben gute Sündenböcke ab. Wer welche sucht, schaut nicht auf die
       eigenen Fehler – und macht damit den nächsten.
       
       4 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Roger Repplinger
       
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