# taz.de -- Kommentar Russland-Wahl: Putin, der Totengräber Russlands
       
       > Die Zeichen der Zeit hat Wladimir Putin nicht erkannt und rund acht
       > Millionen Stimmern verloren. Es ist fraglich, ob er die neue sechsjährige
       > Amtszeit überstehen kann.
       
 (IMG) Bild: Mitglieder der feministischen Punk-Band Pussy Riot bei einem Interviewtermin im Februar.
       
       Wladimir Putin zieht zum dritten Mal als Präsident in den Kreml ein. Seinem
       Sieg bei den Präsidentschaftswahlen stand von vornherein nichts im Wege.
       Die Stimmung in der Wählerschaft hatte sich seit den Fälschungsvorwürfen an
       die Adresse der Kremlpartei bei den Dumawahlen indes deutlich verändert.
       
       Zwar gab es nie Zweifel, dass der ehemalige russische Heilsbringer noch
       immer der aussichtsreichste Kandidat und beliebteste Politiker in Russland
       ist. Er musste aber deutlich Federn lassen. Mit rund 60 Prozent wurde Putin
       nun wiedergewählt. Im Vergleich zur Präsidentschafstwahl 2004 verlor er
       immerhin acht Millionen Stimmen.
       
       Der unbestrittene „nationale Leader“, als der er sich jahrelang feiern
       liess, ist der neue Kremlchef nicht mehr. Zumal die Wahlkampftechnologen
       und handverlesenen Auszähler alles dafür getan haben, dass dem Kandidaten
       die Schmach einer Stichwahl erspart bleibt. Putin hatte sich zwar für eine
       faire Wahl stark gemacht und Überwachungskameras in den Wahllokalen gegen
       Manipulationsversuche installieren lassen.
       
       Er schreckte aber davor zurück, den Wahlkomissären Fäschungen zu verbieten
       und mit Strafverfolgung zu drohen. Putins Initiative blieb daher
       durchsichtig. Den einfacheren Wählern auf dem Lande und in der Provinz
       vermittelte er den Eindruck von Fairness. Gleichzeitig hielt er den
       Wahlbeamten die Hintertür offen, die erforderliche Mehrheit
       herbeizuzaubern.
       
       ## Zweifelhafte Neuregelungen des Wahlgesetzes
       
       Die Verstösse gegen das Wahlreglement gehen in die Tausende, zumeist
       zugunsten des Prätendenten Putin. Die Opposition in den Städten hielt die
       Webcam-Initiative ohnehin für Augenwischerei. Als Wähler hatte er die
       Mittelschichten und Vertreter der Intelligenz ohnehin schon abgeschrieben.
       
       Ab Montag wird er sich aber mit ihnen befassen müssen. Denn die zehn
       Prozent Zuschlag, mit denen der Premier die Stichwahl umschiffte, werden
       der Opposition ausreichend Munition liefern, um die Wahl anzuzweifeln. Der
       Protest wird nicht abflauen, sondern zunehmen. Nach der illegitimen Duma
       hängt nun auch dem neuen Kremlchef das Stigma der Illegitimität an.
       
       Es ist fraglich, ob der Präsident mit dieser Hypothek die sechsjährige
       Amtszeit überstehen kann. Dass der ehemalige Pantokrator nach den radikalen
       Veränderungen in seinem Land nicht in der Lage war, eine Version Putin 2.0
       vorzulegen, hat er zum Schrecken vieler Bürger in den letzten Wochen
       demonstriert.
       
       ## Der Wille zur Macht
       
       Die Zeichen der Zeit hat er nicht erkannt. Auch programmmatisch hatte er
       den ausgewalzten Mantras von Stabilität und Bedrohung aus dem Westen nichts
       Neues hinzuzufügen. Stattdessen verprellte er jene Menschen, die er für
       Aufbruch und Modernisierung bräuchte. Putin kann sich nicht neu erfinden,
       es gibt nur einen – den Sowjetnostalgiker.
       
       Putins Triumph ist ein Pyrrhussieg, der Russland teuer zu stehen kommt. Die
       Chance zu einem ehrenvollen Rückzug und einem angemessenen Platz in der
       Historie hat der Kremlchef preisgegeben. Der Wille zur Macht und der Glaube
       an die eigene Hyperkompetenz haben ihn geblendet.
       
       Die Hybris wird sich rächen. Schon bald werden ihn auch seine engeren
       Vertrauten fallenlassen, weil er zu einer Gefahr geworden ist. Zu hoffen
       bleibt, dass der Geblendete nicht als Totengräber Russlands in die
       Geschichte Eingang findet.
       
       5 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
       
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