# taz.de -- Militärische Verschmutzung auf Sardinien: Blei, Uran und Morddrohungen
       
       > Gift und Sprengstoff auf einem Truppenübungsplatz bedrohen die Anwohner
       > und den Tourismus auf Sardinien. Jetzt lädt das EU-Parlament zu einer
       > Anhörung.
       
 (IMG) Bild: Die Raketentests der Militärs verseuchen die gesamte Umgebung.
       
       Am 23. Juli 2011 schrieb die sonntaz über die Situation auf und um den
       größten Nato-Truppenübungsplatz in Europa – das im Südosten der
       italienischen Insel Sardinien gelegene Schieß- und Versuchsgelände
       „Poligono Salto di Quirra“. Seit Jahrzehnten beklagen Anwohner der
       umliegenden Dörfer Missbildungen bei Menschen und Tieren und die hohen
       Krebsraten.
       
       Doch Zusammenhänge zwischen den Militärtests und den Krankheitsfällen
       wurden von lokalen Politikern und Behörden stets in Zweifel gezogen. Von
       den Gesundheitsbehörden erstellte Gutachten attestierten regelmäßig die
       Ungefährlichkeit der Waffentests. Zahllose parlamentarische
       Untersuchungsausschüsse blieben ohne abschließendes Ergebnis.
       
       In der Folge der sonntaz-Berichterstattung griffen nun auch andere Medien
       das Thema auf. Es erschienen mehrere Zeitungs- und Rundfunkberichte, zudem
       arbeitet das ZDF an einer Dokumentation. Auch auf Sardinien selbst bekam
       die sonntaz viel Aufmerksamkeit – der Artikel wurde von Bürgern übersetzt
       und verbreitete sich per E-Mail kreuz und quer über die Insel.
       
       Der sardische Staatsanwalt Domenico Fiordalisi hat inzwischen den ersten
       Teil seiner bereits im Januar 2011 begonnenen Ermittlungen abgeschlossen
       und die Anklage von sieben Menschen vorbereitet. Drei Ex-Kommandanten des
       Schießplatzes müssen sich wegen Verschmutzung der Umwelt und unterlassener
       Fürsorgepflicht verantworten, vier Wissenschaftler wegen Falschaussagen und
       Dokumentenfälschung. Die Ermittlungen wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung
       dauern noch an.
       
       ## 50.000 Euro Miete pro Stunde
       
       Von der Staatsanwaltschaft neu in Auftrag gegebene Umweltgutachten belegen
       die Verseuchung der gesamten Umgebung: des Bodens, der Luft und des
       Grundwassers mit krebserregenden Substanzen. Sprengstoffrückstände,
       Nanopartikel verschiedenster Schwermetalle wie Blei, Uran, Cadmium – die
       Liste der Gifte ist lang. Fiordalisis Gegner werfen ihm vor, er zerstöre
       den guten Ruf der Insel, es gibt sogar Morddrohungen. Der Tourismus ist
       neben der Landwirtschaft die wichtigste Einnahmequelle.
       
       Der experimentelle Schießplatz wird seit 1956 genutzt. Neben den
       italienischen Streitkräften und der Nato können Waffenfirmen und „private
       Agenturen“ das Areal für 50.000 Euro die Stunde mieten, um neue
       Technologien und Waffensysteme zu testen. Ein Drittel der Insel ist
       Sperrgebiet, zudem werden regelmäßig weiträumig maritime Flächen sowie
       große Teile des Luftraumes gesperrt.
       
       ## 1.000 Hektar Land verseucht
       
       In diesem Januar kam nun auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss
       zu dem Ergebnis, dass 1.000 Hektar des Geländes konterminiert sind. Mehrere
       Ortschaften grenzen direkt an das Gelände, das noch bis zum Sommer
       vergangenen Jahres von den Hirten der Umgebung als Weideland genutzt werden
       durfte. Mit Folgen: Die Krebsrate in der Umgebung liegt bei bis zu 65
       Prozent der Bevölkerung.
       
       Die Anwohner haben sich in Bürgerinitiativen zusammen geschlossen und
       versuchen seit nunmehr über zwanzig Jahren Politiker und Medien auf die
       Situation vor Ort aufmerksam zu machen.
       
       Sogar Giommaria Uggias, der einzige Repräsentant Sardiniens im
       EU-Parlament, kommt jetzt in Bewegung. Bisher war Uggias, der seit 2009 für
       die Liberalen im Brüsseler Parlament sitzt, noch nicht durch seinen
       politischen Einsatz für die sardischen Interessen in Erscheinung getreten.
       Jahrelang schrieben ihn verzweifelte Bürger an und baten um Unterstützung,
       vergeblich.
       
       Aufgrund des öffentlichen Drucks hat der Jurist das Thema nun doch noch auf
       seine Agenda genommen. Für den 7. März hat er zu einer dreistündigen
       Anhörung geladen. Das Thema: die militärische Verschmutzung in
       Nicht-Kriegsgebieten am Beispiel von Poligono Salto di Quirra.
       
       5 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marie-Claude Bianco
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Recherchefonds Ausland
       
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