# taz.de -- Programm ersetzt Journalisten: Der schreibende C-3PO aus Chicago
       
       > Software der Firma Narrative Science ersetzt Berichte, die bislang von
       > Journalisten geschrieben wurden. Wird irgendwann ein Programm den
       > Pulitzer-Preis erhalten?
       
 (IMG) Bild: Spanend wird es erst, wenn Programme auch die Mikrofone halten.
       
       „Wisconsin ist am Ruder auf dem Weg zum Sieg. Wisconsin baute seine Führung
       aus, nachdem Russell Wilson mithilfe von Jacob Petersen einen
       Acht-Yard-Touchdown hinlegte und den Punktestand auf 44-3 erhöhte …“ Das
       klingt nach US-Sportreporter, oder?
       
       Weit gefehlt, denn diese Sätze wurden von einem neuen Schreibprogramm der
       fünf Monaten alten Firma Narrative Science aus Chicago formuliert (auf
       Englisch natürlich). Die Software verwendet Daten von Sportstatistiken,
       Unternehmensberichten und Immobilienverkäufen und bastelt daraus
       Zeitungsartikel.
       
       US-Programmierer arbeiten schon seit Jahren an der Entwicklung von
       Software, die Artikel schreiben kann, meist für die Sportberichterstattung.
       Bislang war die Maschinenhandschrift aber noch deutlich erkennbar – mit dem
       aktuellen Produkt aus dem Hause Narrative Science soll das anders werden:
       „Ich dachte, das war Magie“, sagt Roger Lee, General Partner von Battery
       Ventures, „als ob es von einem Menschen geschrieben wurde.“
       
       Positives Feedback gibt es auch aus der US-Medienlandschaft: „Sie
       (Narrative Science) haben eine große linguistische Hürde genommen“,
       beurteilt ein ehemaliger leitender Angestellter der US-Nachrichtenagentur
       Thomson Reuters den schreibenden Algorithmus. „Die Geschichten sind keine
       bloßen Duplikate.“
       
       ## „Wie von Menschenhand geschrieben"
       
       Die Begeisterung von Experten hält sich allerdings in Grenzen: „Die
       Qualität der Geschichten ist recht gut“, gibt Oren Etzioni,
       IT-Wissenschaftler an der Universität von Washington zu, „wie von
       Menschenhand geschrieben, wenn auch nicht von einem erfahrenen
       Wortschmied.“
       
       Der Erfolg kommt nicht von ungefähr, denn die Schreibsoftware wurde zehn
       Jahre lang von IT-Wissenschaftlern und Journalismus-Professoren unter der
       Federführung von Kristian Hammond und Larry Birnbaum, Co-Direktoren des
       Intelligent Information Laboratory an der Chicagoer Northwestern
       University, entwickelt. „Komposition ist das Schlüsselkonzept“, erklärt
       Hammond, „wir nehmen nicht nur Daten und machen daraus Texte.“
       
       Auf der Webseite des Unternehmens heißt es: „Narrative Science
       transformiert Daten in qualitativ hochwertige journalistische Inhalte. Wir
       können Nachrichten, Branchenstudien, Schlagzeilen und vieles mehr
       produzieren.“
       
       Und die Kundenliste des US-Unternehmens kann sich sehen lassen: 20 Abnehmer
       lassen sich bislang Texte von den Schreibrobotern erstellen, darunter der
       US-Sportsender The Big Ten Network (ein Gemeinschaftsunternehmen von Big
       Ten Conference und Fox Networks)und der US-Verlag Hanley Wood, der sich
       aufs Baugewerbe spezialisiert hat.
       
       ## Totenglocke des Journalismus?
       
       Die Totenglocken des Journalismus sollen angeblich schon öfter geläutet
       haben: Mit der Erfindung des Internets endete das Monopol des Journalisten
       auf Informationsbeschaffung und -vermittlung. Jetzt steht allen
       Erdenbewohnern (sofern Internetanschluss und Computer vorhanden), die
       Möglichkeit zur Verfügung, Informationen an ein globales Publikum zu
       übermitteln.
       
       Mit der Erfindung der Handy-Kamera war es plötzlich jedermann möglich aus
       allen Winkeln der Welt Filme mit nachrichtlichem Wert ins Internet zu
       stellen. Dann heuerten die Medien Otto-Normalverbaucher für die
       Berichterstattung an – der sogenannte Bürgerjournalismus war geboren. Und
       jetzt folgt der schreibende C3PO aus Al Capones Heimatstadt.
       
       Die bange Frage, die sich viele Journalisten stellen dürften: Können die
       Schreibroboter der Firma Narrative Science Autoren aus Fleisch und Blut
       ersetzen? Was den Kostenaspekt betrifft, so dürfte eine Schreibsoftware für
       Verlage nämlich hochinteressant und vor allem lukrativ sein. Das Honorar
       für 500 englische Worte (etwa 2500 Zeichen) beträgt schlappe zehn Dollar
       (etwa 7,50 Euro). Damit liegen die Kosten für den schreibenden Rechner
       deutlich unter dem seines Kollegen aus Fleisch und Blut.
       
       ## Pulitzer-Preis für Software?
       
       Werden die Redaktionen der Zukunft also von Maschinen statt von unrasierten
       Reportern mit großer Klappe bevölkert sein? Narrative Science betont, dass
       ihre Software keinesfalls reale Autoren ersetzen solle, sondern nur ein
       kostengünstiges Hilfsmittel für Verlage sei, die knapp bei Kasse sind: „Wir
       arbeiten vor allem an Projekten, die sonst nicht durchgeführt würden“, sagt
       Stuart Frankel, Geschäftsführer des Unternehmens.
       
       Also keine echte Konkurrenz für den rasenden Reporter? Der Erfinder der
       Software schlägt aber einen ganz anderen Ton an: „In fünf Jahren“,
       verkündet Hammond vollmundig, „wird ein Computerprogramm den Pulitzer Preis
       gewinnen – und ich will verdammt sein, wenn es nicht unsere Software ist.“
       
       11 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Diebel
       
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