# taz.de -- Kolumne Alles Bio?: Kein Sex mit Foucault
       
       > In Braunschweig lehren, in Berlin FAS lesen. Und dann funkt eben doch
       > wieder das Leistungsschutzrecht dazwischen.
       
       Weitab vom wilden Berliner Politik- und Agenturalltag fließt die alte Oker
       ruhig um Braunschweig herum. An ihren Gräben sind fast überall Parks. Rau
       und trashig aufgemotzt die Innenstadt. Ausspannen im Kleinstadtexil. Ich
       habe es nicht geschafft, ins Brain zu gehen, meinen Lieblingsklub dort, von
       früher.
       
       Zwei Wochenenden nacheinander habe ich Schülerinnen und Schülern „Schreiben
       für das Internet“ beigebracht. Zeitungen hochgehalten. Unstrukturierten
       Text ohne wirklichen Inhalt gezeigt. Lorem Ipsum, Genossen. Vor falschen
       Quellen gewarnt und davor, den Beruf der Online-Journalistin zu ergreifen.
       
       In meinem Kleinstadtexil erreichte mich nämlich auch die Nachricht davon,
       dass wieder über ein Leistungsschutzrecht diskutiert werde. Es gibt wohl
       immer noch Verlage und Zeitungsmenschen, denen es zu anstrengend ist, über
       die redaktionellen Konzepte und Geschäftsmodelle der Zukunft nachzudenken.
       
       Online-Journalismus braucht Anerkennung. Und um die sorge ich mich ein
       wenig, wenn ich mir ansehe, wie selbstverständlich manche ein
       Leistungsschutzrecht fordern. Jemand, der ein Leistungsschutzrecht fordert,
       kann vom Lesen und Schreiben im Internet nämlich wenig Ahnung haben. Denn
       wieso will man der armen Suchmaschine denn Geld dafür abknöpfen, dass sie
       einen zu den mit Liebe geschriebenen Texten geleitet? Das will mir partout
       nicht in den Kopf.
       
       So übe ich mich also in Resignation und bete das Lorem Ipsum. Text, Text,
       Text, oh, finde eine Struktur! Schreibt selbst, schaut, so schreiben sie
       bei den Agenturen, könnte das nicht auch ein Journalisten-Bot, diese ganzen
       W-Fragen, ach, die stehen doch bei Wikipedia, findet euren eigenen Weg, es
       ist nicht hoffnungslos.
       
       Im Übrigen wollte kein Kursteilnehmer einen Text über „Ein Jahr Fukushima“
       schreiben. Diese jungen Leute wählten allesamt die Sache mit der
       [1][Youtube-Sperrung des „Leider geil“-Videos der Hamburger Band
       Deichkind]. Man lese über Fukushima im RSS-Reader, genauer habe man sich
       damit nicht befasst, kommentierte mir einer bei Facebook. Aber was will man
       machen, auch ich habe nichts ins Internet über Fukushima geschrieben,
       obwohl ich damals vor einem Jahr mehrere Tage nicht schlief, sondern an
       meinem Smartphone auf Kernschmelzen wartete.
       
       Als ich aus Braunschweig wiederkam, fand ich einen nicht angebrochenen
       FAS-Ballen. Mir fiel der Artikel von FAS-Feuilletonchef Claudius Seidl auf,
       der offenbar lieber Austern als harte Kanten zum Abendbrot isst. Das
       unterstütze ich. Außerdem erfuhr ich, dass es junge Menschen aus gutem
       Hause und aus Berlin-Mitte gebe, die „Foucault zum Beischlaf lesen“. Auch
       das sprach mich an, habe ich doch den Foucault-Band „Sexualität und
       Wahrheit“ neben meinem Bett liegen. Da ich aber weder wohlerzogen noch aus
       Berlin-Mitte bin, konnte ich mich nicht durchringen, das Buch zum Beischlaf
       zu lesen. Genauer gesagt kam ich bis Seite 16. Mein Fazit: Foucault oder
       seine Übersetzungen sind schlechter Text. Reicht nicht mal fürs Vorspiel,
       törnt gar nicht an.
       
       12 Mar 2012
       
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