# taz.de -- Die Wahrheit: Musizieren zwecks Weltkarriere
       
       > Die ihrer Zeit vorauseilende Prog-Metal-Band Salem’s Law, der als
       > Gitarrist anzugehören ich die große Ehre hatte, brachte eines düsteren,
       > verregneten Tages (...)
       
       Die ihrer Zeit vorauseilende Prog-Metal-Band Salem’s Law, der als Gitarrist
       anzugehören ich die große Ehre hatte, brachte eines düsteren, verregneten
       Tages in den ganz späten Achtzigern ihr Debüt auf dem Markt. Allein, der
       Markt, dieser hundsföttische Geselle, zeigte sich verstockt, nachgerade
       bockig. Das Beste, was wir der Welt zu geben hatten, wurde verschmäht und
       im großen Stil ignoriert. Wir trafen uns also im Übungskeller, soffen uns
       geschlossen einen an, denn wir waren schließlich eine Band, die
       zusammenhielt wie Pech und Schwefel, greinten über die Ungerechtigkeit der
       Kulturindustrie, die wieder einmal nur der Musik von der Stange eine Chance
       gab – und schmissen eine Woche später unseren Sänger raus, denn ein
       Schuldiger musste natürlich gefunden werden.
       
       Anschließend hängten wir Zettel auf in den lokalen
       Musikerbegegnungsstätten. „Metal Band mit Plattenvertrag sucht
       Sänger/Sängerin zwecks Weltkarriere!“ Es meldeten sich volle zwei Shouter.
       Wir nahmen den zweiten. Der erste hatte noch getönt: „Ruft mich nicht an,
       ich rufe euch an – vielleicht!“
       
       Der uns verbliebene Sänger war ein Zweimetermann namens Hanno Meier, der
       beinahe mal bei der Band Helloween eingestiegen wäre. Beinahe. Als er
       fertig war mit seiner Audition, kam dann noch ein blonder Metal-Brad-Pitt
       an die Reihe, und dieser erschien allen als die kommerziell
       vielversprechendere Wahl. Aber immerhin, Hanno langweilte nie mit Gegreine
       über die Kulturindustrie, die immer nur Sängern von der Stange eine Chance
       gab. Auch weil er gar nicht wusste, was das war – Kulturindustrie. Stange
       schon eher.
       
       Hanno hatte eine Weile als Pornodarsteller sein Ein- und Auskommen
       respektive Rein- und Rauskommen gefunden, lebte mit einer Stripperin
       zusammen und bestellte sich immer „zwei Pizzas zum Zusammenklappen“. Wir
       waren unglaublich beeindruckt von seiner Street Credibility. Der Mann
       spielte nicht nur Heavy Metal, wie wir Provinzmemmen, er personifizierte
       diese Musik in einer Weise wie zuletzt der pockenkranke James Hetfield auf
       dem Cover von „Kill Em All“.
       
       Sein Gerede von der Drüsenüberfunktion, die dafür gesorgt habe, dass er so
       groß geworden sei und immer noch weiter wachse und wachse, hielten wir für
       Selbststilisierung. Aber es gab noch kein Internet, wo man solche Phänomene
       hätte eruieren können. Wir waren ein wenig wie Kinder, die gerade an der
       Existenz des Weihnachtsmanns zu zweifeln begannen. Die vielen Geschenke? In
       einer einzigen Nacht? Aber er ist nun mal der Weihnachtsmann! Und Hanno
       besaß etwa die gleiche Autorität.
       
       Als wir uns irgendwann in die Haare bekamen über die richtige Einstellung
       zur Musik und ich ihm vorhielt, dass er ständig seine Texte vergesse und zu
       spät zu den Proben erscheine, gab er grinsend zu bedenken: „Dafür bin ich
       dann aber voll da.“ Dann zeigte er auf meine neongrüne Jogginghose, die mir
       meine Mutter „zum Rumrussen“ herausgelegt hatte: „Du hast doch schon den
       Schlafanzug an.“ Vielleicht war das der Moment, wo ich erstmals zu zweifeln
       begann am Musizieren „zwecks Weltkarriere“.
       
       20 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Schäfer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA