# taz.de -- die Wahrheit: Der faulige Atem der Apokalypse
       
       > Dass Frau Priesewitz und ich in diesem Leben keine Freunde werden würden,
       > war seit Langem klar.
       
       Dass Frau Priesewitz und ich in diesem Leben keine Freunde werden würden,
       war seit Langem klar. Immer wenn sie bei der Kontrolle der Gelben Säcke
       feststellte, dass ich die Etiketten von meinen leeren Joghurtbechern nicht
       ordnungsgemäß abgeknippelt hatte, hielt sie mir einen Vortrag über die
       Trennung von Papier- und Plastikmüll, und oft klagte sie darüber, dass mein
       schmutziges Fahrrad den akkuraten Eindruck unseres Gemeinschaftskellers
       ruiniere. Noch nie aber stand sie mit nach oben gereckter Nase vor meiner
       Wohnungstür.
       
       „Was machen Sie da?“, stotterte ich, als ich von einem Spaziergang
       zurückkam und den Hausflur betrat. „Ich schnuppere“, zischte sie, „das
       sehen Sie doch!“ – „Natürlich sehe ich das“, erwiderte ich, „aber warum
       schnuppern Sie vor meiner Tür?!“ – „Ja, riechen Sie das denn nicht?!“
       Tatsächlich roch es leicht gammelig im Hausflur, ein bisschen nach Kloake.
       „Puh“, machte ich und hätte mich gern mit einer bösartigen Bemerkung dafür
       gerächt, dass sie die Ursache des üblen Gestanks in meiner Wohnung
       vermutete. Tatsächlich aber fiel mir nichts ein.
       
       Unterdessen kam Kemper die Treppe herunter. „Riechen Sie mal!“, rief ihm
       die alte Krähe zu. Kemper schnupperte. „Oha!“, hauchte er: „Der faulige
       Atem der Apokalypse! Und es kommt, es kommt …“, er machte ein paar Schritte
       mit witternd erhobener Nase, „… es kommt aus unserem Keller!“
       
       „Ahaaa!“, machte Frau P. Mir schwante, dass sie mit diesem Ausruf einen
       Zusammenhang zwischen dem Gestank und meinem schmutzigen Fahrrad herstellen
       wollte, aber das war ungefähr so meschugge wie die Idee, dass der
       Weltuntergang ausgerechnet in unserem Keller anfangen würde.
       
       „Womöglich ist ein Abwasserrohr kaputt“, sagte ich, „sehen wir doch mal
       nach.“ – „Genau, sehen wir mal nach!“, schnappte die Giftmadame, und Kemper
       flüsterte: „Aber vorsichtig, vielleicht sitzt da unten schon ein
       schwefelgelbes Tier mit dem Namen ’666‘!“
       
       Wir stiegen hinab. Natürlich roch mein Fahrrad nach nichts. Aber auch die
       Fallrohre waren unversehrt. Schließlich standen wir vor meiner Kellertür.
       Tatsächlich schien der Gestank hier seinen Ursprung zu haben.
       „Donnerschlag!“, stotterte ich. Zugleich hörten wir oben Stimmen. „Wir sind
       hier unten!“, rief die Hexe, und zwei Polizisten kamen herunter. „Haben Sie
       uns angerufen?“, fragte einer von ihnen, und sie sagte: „Allerdings! Das
       ganze Haus stinkt nach Verwesung, und hier liegt die Quelle: In seinem
       Keller! Wer weiß, vielleicht ist er einer seiner Damenbekanntschaften
       überdrüssig geworden!“
       
       „Also das …“, stammelte ich. „Machen Sie mal auf!“, befahlen die Beamten,
       und während sie schon mit den Handschellen klapperten, war ich am Ende
       heilfroh, dass wir nur auf eine bestialisch stinkende Tüte mit der
       Aufschrift „Biohof Bolte“ stießen, auch wenn das bedeutete, dass ich die
       Kartoffeln, die ich neulich gekauft hatte, in den Gefrierschrank gelegt und
       dafür den gleichzeitig erworbenen teuren Gockel in die Kiste im Keller
       geworfen haben musste.
       
       21 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Joachim Schulz
       
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