# taz.de -- Berliner Schüler am Computer: Wenn alles auf allem basiert
       
       > Das Computerspiel "Ecopolicy" hat keine aufwändige Grafik und keinen
       > abenteuerlichen Plot: Es zeigt nur Zusammenhänge in unserer Welt.
       > Berliner Schüler spielen es trotzdem - sogar um die Wette.
       
 (IMG) Bild: Sind voll dabei: Schüler beim Bezirksentscheid in Neukölln.
       
       Der erste Eindruck von Ecopolicy erzeugt Enttäuschung und Erstaunen
       zugleich: Enttäuschung über eine Computerspiel-Grafik, die man vielleicht
       noch zu „Pacman“-Zeiten hätte rechtfertigen können, und Erstaunen, ja
       Ungläubigkeit, dass sich in Zeiten von „World of Warcraft“ Jugendliche
       finden lassen, die diese Spiel spielen. Freiwillig. Und gerne.
       
       Ecopolicy ist ein vom deutschen Biochemiker Frederic Vester entwickeltes
       „kybernetisches Strategiespiel“. Das klingt langweiliger, als es ist. Die
       Kybernetik setzt sich als Wissenschaft mit dem interdisziplinären Feld der
       Steuerung und Regelung von Maschinen, lebenden Organismen und sozialen
       Organisationen auseinander – wie also diese Bereiche miteinander
       interagieren und vernetzt sind. Innerhalb dieses breiten Feldes hatte sich
       Vester mit dem systemischen, „vernetzten“ Denken intensiv befasst und
       daraus ein Spiel entwickelt, das Jugendlichen helfen soll, die komplexen
       Zusammenhänge unserer Welt zu verstehen.
       
       ## Wie im echten Leben
       
       „Alles basiert auf allem. Alles, was man tut, hat so und so viele
       Auswirkungen auf andere Bereiche, wie im echten Leben eigentlich auch“,
       meint Marcel Draeger, Schüler am Albrecht-Dürer-Gymnasium in Neukölln. „Zum
       Beispiel haben Steuererhöhungen nicht nur zur Folge, dass der Staat mehr
       Geld einnimmt, sondern auch andere Auswirkungen, wie Unzufriedenheit der
       Bürger oder vielleicht ein sinkendes Bruttoinlandsprodukt.“
       
       In den letzten Jahren hat sich aus dem Spiel des 2003 verstorbenen Vester
       ein bundesweiter Wettbewerb mit Landes- und sogar Bezirksvorentscheiden
       entwickelt: die „Ecopolicyade“. Und Marcel Draeger gehört mit Sophie
       Leißner und Fiarra Pudritzki zum Neuköllner Dreierteam, das sowohl den
       Neuköllner Entscheid als auch den berlinweiten Wettbewerb für sich
       entschieden hat. Für den bundesweiten Sieger hat es nicht ganz gereicht,
       aber das möchte man in diesem Jahr natürlich korrigieren.
       
       Ziel ist es, das fiktive Land Kybernetien in den „Paradieszustand“ zu
       führen. Keine leichte Aufgabe. Das Spiel ist in acht verschiedene Bereiche
       unterteilt, auf die man pro Runde eine gewisse Menge an Finanzmitteln
       aufteilt. Allerdings: „Von acht Bereichen lassen sich nur vier ändern:
       Produktion, Aufklärung, Lebensqualität und Sanierung. Und Umweltschutz,
       Bevölkerung, Vermehrungsrate und Politik kann man nicht beeinflussen, nur
       indirekt“, erklärt Marcel.
       
       „Um wirklich gute Ergebnisse zu haben, muss man das Ganze wirklich
       verstehen – nicht nur mal ausprobieren, wie das bei den meisten
       Computerspielen der Fall ist, die grafisch sehr opulent sind. Man hat all
       das, was bei diesen Spielen immer so im Hintergrund abläuft, präsent“,
       erklärt Marten Schlüter Schwierigkeit und Reiz des Spiels. Der Lehrer
       kümmert sich in der Schule um die Ecopolicyade-AG, übernimmt die Aufsicht,
       hilft bei Fragen und kümmert sich ums Organisatorische.
       
       „Man kann sich die Diagramme anschauen, sie verändern, das auf bestimmte
       Szenarien beschränken oder erweitern. Die Schüler können jederzeit
       reinklicken und gucken: Warum passiert etwas?“ So spannend Ansatz und
       Anspruch von Ecopolicy für die Schüler auch sein mögen, ohne den Wettbewerb
       ließe sich die Motivation nicht über einen sehr langen Zeitraum
       aufrechterhalten, ist sich Schlüter sicher. „Die Ecopolicyade ist enorm
       wichtig.“
       
       In dieser Woche geht es für das Dreierteam vom Albrecht-Dürer-Gymnasium
       wieder los. Am Donnerstag steht der Neuköllner Bezirkswettbewerb an, vier
       Tage später der Berlinentscheid. Bei aller Begeisterung für das Spiel ist
       doch beruhigend, dass Fiarra Pudritzki trotz intensiver Rechnerei und
       ständiger Sichtung von Diagrammen und Werten einen zentralen Punkt nicht
       vergisst: „Die Welt lässt sich nicht in Schemata zwängen. Aber die sind
       gut, um sich bewusst zu machen, dass die Welt total vernetzt ist und es
       Zusammenhänge gibt, die man auf den ersten Blick gar nicht im Kopf hat. Ich
       denke, das ist das Wichtigste dabei.“
       
       21 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Max Büch
       
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