# taz.de -- Debatte um Stadtentwicklung: Initiative will Bodenschätze sichern
       
       > Die Initiative "Stadt Neudenken" fordert, Verkäufe landeseigener
       > Grundstücke auszusetzen - bis geklärt ist, zu welchen Kriterien sie
       > vermarktet werden.
       
 (IMG) Bild: Alle kommen nach Berlin und kaufen Wohnungen, deswegen wird es eng auf dem Mietmarkt.
       
       Es ist die bisher radikalste Forderung in der Debatte um die Entwicklung
       der Stadt: „Die Politik muss dringend und grundsätzlich damit aufhören,
       Grundstücke zu verkaufen“, verlangt Florian Schmidt, Stadtsoziologe und
       Gründer der Initiative „Stadt Neudenken“. In einem Aufruf im Internet
       verlangt die Initiative ein Moratorium für alle laufenden Verkäufe des
       Liegenschaftsfonds, der die landeseigenen Grundstücke vermarktet.
       
       Der Fonds untersteht Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos). Der Senator
       erteilte Anfang der Woche Plänen der Koalition eine Absage, Grundstücke
       nicht mehr zum Höchstgebot zu verkaufen, sondern auch soziale Aspekte bei
       der Vergabe zu berücksichtigen.
       
       Zuvor hatte es aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung allerdings
       noch geheißen, man wolle davon abrücken, „unsere Liegenschaften
       ausschließlich an den Meistbietenden zu verkaufen“. Gemeinsam mit der
       Senatsverwaltung für Finanzen und den Wohnungsbaugesellschaften, so
       Sprecherin Daniela Augenstein, diskutiere man über verschiedene Wege, wie
       mit Grundstücken alternativ verfahren werden könne. Ein Verkauf, der an
       soziale Kriterien gekoppelt ist, und die sogenannte Erbpacht stünden zur
       Debatte – ein Modell, bei dem lediglich Nutzungsrechte übertragen werden,
       die nach Vertragsende wieder zurück an die Stadt fallen. Die Stadt bleibt
       Eigentümerin des Grundstücks.
       
       ## Hochkarätige Grundstücke
       
       Obwohl die Diskussion im Senat also offenbar andauert und vor allem
       Finanzsenator Nußbaum eigene Wege beschreiten will, sollen in diesem Jahr
       hochkarätige Grundstücke am Humboldthafen, am Spittelmarkt und am
       Alexanderplatz auf den Markt gebracht werden, hieß es vergangenen Monat aus
       dem Liegenschaftsfonds. „Es ist unverständlich, dass der Senat
       Verkaufsziele bekannt geben lässt, noch bevor er das Erbpachtmodell geprüft
       hat“, beruft sich nun auch Florian Schmidt auf dieses Modell.
       
       Die wenigen noch verbleibenden Grundstücke in der Innenstadt müssten wie
       ein Augapfel gehütet werden, fordert Schmidt. Dem entgegnet allerdings die
       Senatsverwaltung für Finanzen: „Angesichts der Schulden Berlins von 63
       Milliarden Euro können wir auf die Einnahmen aus dem Liegenschaftsfonds
       derzeit nicht verzichten.“
       
       Gegründet hat sich die Initiative „Stadt Neudenken“ im vergangenen Jahr mit
       dem Anliegen, soziale und kulturelle Vielfalt in der Stadt zu fördern.
       Diese soll unter anderem über einen Paradigmenwechsel in der
       Liegenschaftspolitik erreicht werden. Eine der wichtigsten Forderungen: weg
       vom Verkauf hin zur Erbpacht.
       
       Die Vorteile der Erbpacht liegen für die Initiative klar auf der Hand.
       Anders als beim Verkauf kann die Stadt dauerhaft die Nutzung der
       Grundstücke beeinflussen, da sie ja Eigentümerin bleibt. Darüber hinaus
       haben Erbpachtverträge eine längere Laufzeit als Kaufverträge. Während
       diese nach 10 Jahren auslaufen, können Erbpachtverträge bis zu 199 Jahre
       gelten.
       
       ## 400 Unterzeichner
       
       Den Aufruf der Initiative „Stadt Neudenken“ haben bisher 400 Personen und
       Institutionen unterschrieben, darunter der Gründer von „Mediaspree
       versenken“, Carsten Joost, die Direktorin der Kunsthochschule Weißensee,
       Leonie Baumann, und VertreterInnen von Grünen, SPD, Linken und Piraten.
       
       Katrin Lompscher, ehemalige Senatorin für Gesundheit, Umwelt und
       Verbraucherschutz und jetzige Sprecherin der Links-Fraktion für
       Stadtpolitik, hat den Aufruf zwar nicht unterschrieben, steht aber in einem
       „konstruktiven Austausch“ mit der Initiative. Auch sie hält die Erbpacht
       für ein interessantes Modell, weil die Stadt die Verfügbarkeit über die
       Grundstücke langfristig zurückerlangen könne. Dennoch will Lompscher
       Verkäufe nicht ganz ausschließen. Sie könne sich vorstellen, weiterhin
       Grundstücke an städtische Unternehmen oder an Genossenschaften zu
       verkaufen.
       
       „Stadt Neudenken“ will nun einen runden Tisch mit RegierungsvertreterInnen
       einberufen. Falls der keine Ergebnisse bringt, soll ein Bürgerbegehren
       angepeilt werden, so Florian Schmidt.
       
       23 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lukas Dubro
       
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