# taz.de -- Kommentar Piratenpartei: Der Lack des Neuen
       
       > Die Piraten werden gewählt, weil sie anders sind, sie können auf eine
       > Mischung aus Neugier und Enttäuschung bauen. Doch mit jedem Wahlerfolg
       > wird dieser Vorteil kleiner.
       
 (IMG) Bild: Wie lange strahlt das Orange der Piraten?
       
       Vor ein paar Jahren machte eine Partei mit dem Einzug in Landtage
       Schlagzeilen, die ihr bisher als politische Bühne unerreichbar waren. Sie
       wollte anders sein als die anderen, einem Wahlerfolg folgte der nächste.
       Irgendwann jedoch fing der Lack des Neuen an abzuplatzen, die Partei geriet
       auf jene viel zitierten Ebenen, auf denen man nur noch mit Mühe vorankommt.
       Auch die Zeitungen waren bald weniger freundlich. Und als sich die Partei
       dann erstmals Wiederwahlen stellen musste, redete niemand mehr von neuen
       Siegen, sondern nur noch von verhinderten Abstürzen.
       
       Natürlich muss die Geschichte der Linkspartei, wie sie hier erzählt wird,
       nicht zur Blaupause für die Entwicklung der Piraten werden. Dass die
       Politfreibeuter, die im Saarland ihren zweiten Coup landeten und nun
       optimistisch auf die kommenden Wahlen in Schleswig-Holstein und
       Nordrhein-Westfalen schauen, auf einer gänzlich anderen Welle schwimmen,
       ist aber unwahrscheinlich.
       
       Zu deutlich ist der Erfolg der Piraten daran geknüpft, dass die Konkurrenz
       alt aussieht. „Die anderen Parteien liefern ein schlechtes Bild ab“, hat
       der saarländische Landtagskandidat Michael Hilberer am Sonntagabend
       frohlockt - ein Vorteil, der jedoch mit jedem guten Ergebnis für die
       Piraten, mit jeder Landtagsfraktion kleiner wird. „Die anderen“, das ist
       man irgendwann selbst.
       
       85 Prozent der Wähler haben die Piraten aus Frust über die anderen Parteien
       angekreuzt, nur sieben Prozent wegen der politischen Inhalte. Es gibt noch
       andere Zahlen vom Wahlabend, doch die weisen in die gleiche Richtung: Zwei
       Drittel stimmten aus Enttäuschung über die Politik im Allgemeinen für die
       Piraten, nur ein Drittel aus Überzeugung. Nun kann man sagen: Die Piraten
       stärken auf diese Weise die Integrationskraft einer Parteiendemokratie, von
       der sich viele längst abgewandt haben. Doch das ist keine Dauergarantie für
       politischen Erfolg. Und auch die „günstige Gelegenheit“, ohne die keine
       Partei die hohen Hürden des Eintritts in den Kreis der schon Etablierten
       überwinden kann, besteht nicht ewig.
       
       Für die Piraten sind die drei Neuwahlen in diesem Jahr deshalb ein
       Glücksfall - und eine Bürde zugleich. Einerseits verschafft es der Partei
       die unverhoffte Chance, die gegenwärtig hohe Zustimmung in drei
       Landtagseinzüge umzumünzen. Andererseits wird die Partei, in den
       Parlamenten erst einmal angekommen, immer weniger auf die Mischung aus
       Neugier und Enttäuschung bauen können, die ihr jetzt noch zum Erfolg
       verhelfen. Programmatische Konsolidierung, arbeitsfähige Strukturen,
       Geldregen aus der Parteienfinanzierung - was sich die Piraten jetzt auf
       ihre elektronischen To-do-Listen schreiben, ist wichtig, aber in Wahrheit
       auch Gift gegen den Charme des Andersseins.
       
       Womit wir dann doch wieder bei der Linkspartei wären. Die war der
       Aufsteiger der Jahre nach 2005. Und heute? Oskar Lafontaine hat am
       Sonntagabend gesagt, „ich hätte gerne etwas mehr gehabt, aber die Piraten
       haben uns ein paar Stimmen geklaut“. An ihrem Programm hat das so wenig
       gelegen wie die früheren Erfolge der Linkspartei mit sozialistischen
       Zukunftsvisionen zu tun hatten. Die Partei wurde vor allem gewählt, weil
       sie „die andere“ war. Jetzt haben die Piraten etwa 15 Prozent ihrer Stimmen
       bei Lafontaine erbeutet - genauso viel wie bei CDU und SPD, anderen Zahlen
       zufolge sogar noch deutlich mehr als beim großkoalitionären Duo. Fünf Jahre
       nach dem Einzug der Linkspartei in den ersten Landtag im Westen ist bei ihr
       offenbar der Lack des Neuen ab. Wie lange strahlt das Orange der Piraten?
       
       26 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Strohschneider
       
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