# taz.de -- Geschlechterverhältnisse in China: In Hungerjahren gibt es mehr Mädchen
       
       > Während und nach der großen Hungersnot 1959 bis 1961 in China wurden mehr
       > Mädchen als Jungen geboren. Zwei Jahre später war das normale
       > Geschlechterverhältnis wieder erreicht.
       
 (IMG) Bild: Hunger macht Mädchen. In Mangelzeiten werden häufiger Mädchen als Jungen geboren.
       
       LONDON dpa | In Hungerphasen bringen Frauen häufiger Mädchen zur Welt. Das
       bestätigt eine Studie, die in den [1][Proceedings B] der britischen Royal
       Society erschienen ist. Die amerikanischen Forscher hatten die Daten der
       Neugeborenen analysiert, die während und nach der großen Hungersnot in
       China zwischen 1959 und 1961 zur Welt kamen.
       
       Vorherige Studien zu den Auswirkungen anderer Hungersnöte hatten ein
       ähnliches Ergebnis geliefert: In schlechten Zeiten werden mehr Mädchen
       geboren. Warum dies so ist, wissen die Forscher nicht genau. Es gibt die
       Theorie, dass weibliche Ungeborene „anspruchsloser“ sind.
       
       Die Hungersnot wurde in China vom sogenannten „Großen Sprung nach vorn“
       ausgelöst – einem Plan der chinesischen Führung, die industrielle
       Produktivität massiv zu steigern und damit die wirtschaftliche Entwicklung
       der Volksrepublik zu beschleunigen. Das Programm scheiterte und führte zum
       Hungertod von mehr als 30 Millionen Menschen.
       
       Shige Song vom Queens College and Cuny Institut für demografische Forschung
       in Flushing, im US-Bundesstaat New York, ging nun der Frage nach, ob die
       Hungersnot das Geschlechterverhältnis bei den Geburten verschob.
       
       ## Abrupter Rückgang bei Geburten von Jungen
       
       Er analysierte Daten einer nationalen Erhebung, bei der 1982 mehr als
       310.000 chinesische Frauen zwischen 15 und 67 Jahren zu ihren
       Schwangerschaften und Geburten befragt worden waren. Von September 1929 bis
       Juli 1982 kamen demnach 830.045 Kinder zur Welt.
       
       Song entdeckte einen abrupten Rückgang bei den Geburten männlicher Babys
       von April 1960 an – rund ein Jahr nach Beginn der Hungersnot. Die Mütter
       waren etwa im Juli 1959 schwanger geworden, also ein halbes Jahr nach
       Beginn der Hungersnot, berichtet Song.
       
       Die Reaktion auf die Mangel-Ernährung erfolgte demnach verzögert. Ungefähr
       zwei Jahre nach der Hungerphase, im Oktober 1963, kam es zu einem schnellen
       Anstieg der Zahl neugeborener Jungen. Das herkömmliche
       Geschlechterverhältnis wurde binnen zwei Jahren erreicht.
       
       Ob bei einer Hungersnot zu Beginn der Schwangerschaft von vornherein mehr
       weibliche Embryonen im Mutterleib entstehen oder ob im Lauf der
       Schwangerschaft männliche Embryos und Föten seltener überleben, geht aus
       den Daten nicht hervor.
       
       Auch die Bedeutung in der Evolution bleibt unklar. Einer Theorie zufolge
       könnten Mädchen grundsätzlich anspruchsloser sein und schlechte Zeiten eher
       als Jungen überleben.
       
       28 Mar 2012
       
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