# taz.de -- Kommentar Gauck in Polen: Verve und Esprit
       
       > Er kam weder als Freiheitsapostel noch als Demokratielehrer. Joachim
       > Gauck kam als Freund. Mit seiner offenen Art hat er die Herzen der Polen
       > erobert.
       
       Der Antrittsbesuch des Bundespräsidenten Joachim Gauck in Polen hätte nicht
       besser verlaufen können. Kaum ein deutscher Politiker hat sich je so
       präsentiert wie er: höflich, aber auch offen und sogar ein bisschen frech.
       Ernst, aber auch voller Humor und sogar ein wenig schlagfertig.
       Normalerweise verbietet die „Würde des Amtes“ ein solches Auftreten. Doch
       Gauck traf damit in Warschau genau den richtigen Ton.
       
       In Polen ist die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg allgegenwärtig. Das zu
       wissen und bei einem Freundschaftsbesuch aufzugreifen, ohne in die üblichen
       Floskeln zu verfallen, ist mehr als Diplomatie. Dazu gehört Herzlichkeit.
       Auch den Freiheitskampf der Polen zu würdigen, ohne Pathos und Langeweile
       zu verbreiten, ist nicht jedem gegeben. Gauck ist dies mit Verve und Esprit
       gelungen. Chapeau bas!
       
       Vor knapp zwei Wochen war Gauck schon einmal in Polen. Da hielt er – noch
       als Präsidentschaftskandidat – eine Rede über die Verheißungen der Freiheit
       an der Universität Lodz. Doch Freiheit ist nun mal das ureigenste Thema
       Polens. Die polnischen Medien reagierten mit freundlichem Desinteresse und
       berichteten überhaupt nicht. Eulen nach Athen zu tragen, um Freunde zu
       gewinnen, ist nicht die beste Idee. Das hat Gauck offenbar begriffen. Als
       er am Dienstag Polen erneut besuchte, kam er weder als Freiheitsapostel
       noch als Demokratielehrer. Er kam als Freund.
       
       Mit seiner offenen Art hat Gauck die Herzen der Polen erobert. Das Gefühl,
       es mit jemandem zu tun zu haben, der nicht nur seinen Job als Politiker
       macht, sondern es in der Sache wirklich ernst meint, könnte tatsächlich in
       eine deutsch-polnische Freundschaft münden. Es wäre eine Freundschaft, die
       über gute bilaterale Beziehungen hinausginge und auch dann Bestand hätte,
       wenn es mal zu einer Krise käme. Mit Gauck als deutschem Präsidenten
       besteht diese Chance zum ersten Mal. Um es mit den Worten des polnischen
       Präsidenten Komorowski zu sagen, der Gauck in Warschau spontan umarmte: „Es
       kann nur besser werden.“
       
       27 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriele Lesser
       
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