# taz.de -- Theater vor dem Finanz-Kollaps: Dramatische Buchhaltung
       
       > Tarifsteigerungen bei gleich bleibenden Subventionen: Diese Kombination
       > macht die Theater fertig. Den Kopf noch mal aus der Schlinge gezogen hat
       > das Theater in Schwerin.
       
 (IMG) Bild: Alle reden von drohender Insolvenz, dabei läuft der Spielbetrieb im Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin nach wie vor.
       
       HAMBURG taz | Es sind viele Emotionen im Spiel, wie immer, wenn es um
       Kultur geht. „Machtvoller Protest rettet Theater“, lautet die Schlagzeile
       der Schweriner Volkszeitung. Darunter ist ein Foto zu sehen, das eine
       Demonstration auf dem Schweriner Markt zeigt. Der Fotograf hat das Foto von
       einer leicht erhöhten Position aus aufgenommen, sodass es aussieht, als
       würde der Markt überlaufen vor lauter Menschen.
       
       Hätte er eine andere Position gewählt, dann hätte er die „mehr als 3.000“
       Demonstrationsteilnehmer auch nach einem kleinen Häufchen aussehen lassen
       können. Aber 3.000 Demonstranten, das ist einiges in einer Stadt, die
       gerade mal 95.000 Einwohner zählt. „Es war die größte Demonstration, die
       Schwerin seit vielen Jahren erlebt hat“, schreibt das Blatt.
       
       Grundsätzlich hat die Volkszeitung eine klare Position, was das
       Mecklenburgische Staatstheater Schwerin betrifft. Sie lautet: „Theater muss
       sein!“ Ob und wie das Schweriner Haus finanziell überlebt, ist allerdings
       trotz der stolz verkündeten „Rettung“ noch nicht klar. Tatsächlich hat die
       Schweriner Stadtvertretung am Montag dem Theater lediglich Luft verschafft
       in einem seit Monate währenden Kampf gegen den finanziellen Kollaps: Die
       Stadtvertreter lehnten ein Sparkonzept ab, bei dem 79 der derzeit 320
       Mitarbeiter hätten gekündigt werden sollen.
       
       Sehr wohl aber erkannten die Abgeordneten an, dass der Theateretat saniert
       werden muss. Erst im Februar hatte die hoch verschuldete Stadt eine
       Insolvenz des Theaters abgewendet, indem sie – durchaus unter
       Bauchschmerzen – ein Defizit von 1,4 Millionen Euro für das laufende Jahr
       ausglich.
       
       Für das kommende Jahr weiß man jetzt schon, dass dem Theater zwei Millionen
       Euro fehlen werden. Bei einem Gespräch zwischen Schwerins
       Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow (Die Linke) und Kultusminister Mathias
       Brodkorb (SPD) wurde am Dienstag beschlossen, dass Mecklenburg-Vorpommern
       die zwei Millionen zahlt. Es geht darum, dass das Land noch einmal Zeit
       gewinnt: Das Theater muss für 2013 finanziert sein, damit es eingebunden
       werden kann in ein Theaterkonzept, das das Land diesen Herbst vorlegen
       will.
       
       Grundlage dieses Konzepts ist ein Theateretat, den das Land bereit 1994
       eingefroren hat. Seitdem gibt das Land pro Jahr 35,8 Millionen Euro aus.
       Für die Theater bedeutet das von Jahr zu Jahr wachsende Defizite in ihren
       Etats: Vor allem die Personalkosten steigen kontinuierlich an, da die
       meisten Gehälter im Theater an die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst
       gebunden sind. Hinzu kommen steigende Betriebs- und Sachkosten.
       
       Im Fall des Schweriner Theaters ist es so, dass das Haus bis 2016 acht
       Millionen am Kostensteigerungen finanzieren müsste. Vom Land und von der
       Stadt ist aber nichts mehr zu holen, weswegen die Strukturen der gesamten
       Theaterlandschaft des Landes verändert werden müssen.
       
       Das Problem der Tarifsteigerungen haben die mecklenburg-vorpommerschen
       Theater keineswegs exklusiv. In Hamburg beispielsweise hat die kommende
       Intendantin des Schauspielhauses, Karin Beier, bei ihren
       Vertragsverhandlungen erreicht, dass die Stadt die Tarifsteigerungen voll
       übernimmt. Das Hamburger Thalia-Theater hätte das gerne auch. Der Etat der
       Kulturbehörde aber ist – wie überall – eng bemessen und ausgereizt.
       
       In Meck-Pomm wird die Problematik aller Voraussicht nach auf eine
       Streichung von Stellen und eine verstärkte Kooperationen zwischen den
       Häusern hinauslaufen. Zur Kostensenkung in Schwerin wird beispielsweise
       überlegt, ob sich die beiden Orchester der Theater in Rostock und Schwerin
       ausgliedern und zusammenfassen ließen. In dieser Holding gäbe es dann so
       viele Musiker, dass an beiden Standorten zeitgleich kleine Stücke gespielt
       werden können – für große Stücke würden die Musiker zu einem großen
       Orchester fusioniert. Momentan versuchen beide Städte so viele Musiker zu
       haben, dass sie große Stücke jeweils alleine wuppen können.
       
       Die Frage ist dann, wer die Orchester-Holding finanziert. Die Schweriner
       hätten gerne, dass die Kosten möglichst das Land übernimmt, werden damit
       aber voraussichtlich nicht durchkommen. Es ist ein Grundproblem der Kultur,
       das so sicher auftaucht wie die Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst:
       Kultur wollen alle, nur kosten darf sie nichts. Die Theater ziehen sich
       diesen Schuh zum Teil an, indem sie mit Haustarifverträgen die
       Tarifproblematik zu umschiffen versuchen – im Klartext: Ihren Angestellten
       zahlen sie weniger als der Flächentarif vorsieht. Eine Lösung kann aber
       auch das nicht sein.
       
       27 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Irler
       
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