# taz.de -- Kommentar Ostermärsche: Statthalter der Sehnsucht
       
       > Die Ostermärsche erscheinen im Occupy-Zeitalter wie ein erstarrtes Ritual
       > aus einer anderen Zeit. Das mag zwar stimmen – aber ist deswegen nichts
       > Schlechtes!
       
       Immer gleich, so sinnentleerend und ermüdend – mit diesen Worten lassen
       sich die Ostermärsche der Friedensbewegung in jedem Jahr aufs Neue
       disqualifizieren.
       
       Denn anders, als es bei den erfolgreichen Protestbewegungen der letzten
       Zeit – Occupy, Acta, Fluglärm – zu beobachten war, scheint den
       Ostermärschen nicht in erster Linie ein Anlass, sondern ein Termin zugrunde
       zu liegen. Als ob es fast egal sei, was die Welt bewegt – einen Krieg gibt
       es immer irgendwo. Das wirkt seltsam antiquiert, wie ein nacktes Ritual.
       Wen soll das aufrütteln?
       
       Andererseits: Vor dem Hintergrund all der fest getakteten Osterrituale –
       Karfreitag Fisch, Ostersonntag Papst, zwischendurch Familienstreit – hat
       dieses Ritual der Friedensbewegung einen achtbaren Platz in der
       Feiertagsdramaturgie gefunden: Selbst wenn nur wenige die Friedensfahnen
       hissen – in der „Tagesschau“, dem Relevanzthermometer der Nation, ist ein
       fester Platz für den kollektiv artikulierten Pazifismus stets gebucht. So
       ist das bei Ritualen: Ihre Relevanz ergibt sich durch ihre Existenz.
       
       In diesem Sinne ist den Ostermarschierern, die in den Zeiten des Kalten
       Krieges aus ebenso authentischer Erschütterung auf die Straßen gingen, wie
       sie es heute im Angesicht des Afghanistankrieges oder des
       Israel-Iran-Konfliktes tun, etwas geglückt, das eine Sonderstellung in der
       Geschichte der sozialen Bewegungen in Deutschland genießt: Die Pazifisten
       vom Ostermarschkommando sind so etwas wie die symbolischen Statthalter
       einer sonst nur selten offen artikulierten Friedenssehnsucht.
       
       Ein fester Platz im öffentlichen Bewusstsein ist ihnen sicher. Jeder darf
       an Ostern lieber Eier suchen gehen. Aber über die Rituale der
       Friedensbewegung zu schimpfen, das ist immer gleich: so sinnentleerend und
       ermüdend.
       
       9 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Ostermarsch
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ostermärsche in Deutschland: Killerdrohnen über Berlin
       
       Deutsche Waffenexporte und der Afghanistaneinsatz waren Schwerpunkte bei
       den ersten Ostermärschen des Wochenendes. Zur größten Demo kamen 800
       Menschen.
       
 (DIR) Occupy wieder in Aktion: Golden Gate Bridge soll besetzt werden
       
       Weil „in diesem Land alles so fucked ist“: Der 1. Mai lockt Aktivisten auf
       die Straße. Die Bewegung ist vielfältiger geworden. Jetzt sind wieder
       „direkte Aktionen“ angesagt.
       
 (DIR) Deutschlandweite Ostermärsche: Verständnis für Günter Grass
       
       In 100 Städten haben Ostermarschierende eine friedliche Lösung im Nahen
       Osten gefordert. Viele kritisierten die Reaktionen zum umstrittenen Gedicht
       von Günter Grass.
       
 (DIR) Ostermärsche in Deutschland: Alle Jahre wieder
       
       Auch auf den Ostermärschen wird Günter Grass thematisiert – und vielfach
       unterstützt. Die Teilnehmerzahlen bei den bundesweit über 70
       Veranstaltungen sind eher gering. Heute wird weiter marschiert.