# taz.de -- Überraschung bei Eishockey-Meisterschaft: Der Rausch im Zauberkessel
       
       > Im Straubing gibt es kein Halten mehr. Die Tigers stehen gleich bei ihrer
       > ersten Playoff-Teilnahme im Halbfinale und machen nun den Eisbären Berlin
       > das Leben schwer.
       
 (IMG) Bild: Individualist und Garant für den Erfolg: Der Törhüter der Straubing Tigers, Barry Brust.
       
       Barry Brust ist Einzelgänger. Wenn man an seiner Wohnung vorbeifährt, sind
       die Rollläden meistens runtergelassen, angeblich zockt der Kanadier dann
       auf seiner Playstation. Solche Macken sind nichts Ungewöhnliches für einen
       Eishockey-Torwart, doch in einer Stadt wie Straubing fällt es natürlich
       besonders auf.
       
       Zurzeit noch mehr als sonst, weil in den meisten Fenstern Schals und
       Trikots der Tigers hängen. Straubing war schon immer eine Eishockeystadt,
       doch jetzt gibt es auch etwas zu feiern: Seit dem Aufstieg in die Deutsche
       Eishockey-Liga (DEL) im Jahr 2006 hatte man bisher noch nie die Playoffs
       erreichen können – als die Tigers dann vor zwei Wochen mit einem souveränen
       7:3 im vierten Spiel gegen Wolfsburg ins Halbfinale einzogen, gab es im
       wahrsten Sinne kein Halten mehr.
       
       Die Polizei erlaubte kurzfristig einen Autokorso, der vom Stadion am
       Pulverturm kommend die Stadt lahmlegte; in einer Nacht von Mittwoch auf
       Donnerstag wurde bis in die Morgenstunden gefeiert, in einer Stadt mit
       45.000 Einwohnern, mitten in Niederbayern. Man hatte mit einem Sweep den
       hohen Favoriten geschlagen und gegen die beste Abwehr der Punktrunde 19
       Tore erzielt.
       
       ## Heimspiel gegen Berlin sofort ausverkauft
       
       Die Fußballer des TSV 1861 stehen zurzeit auf Platz sechs in der
       Kreisklasse, der zehnthöchsten Liga, im Schnitt kommen 120 Zuschauer zu den
       Heimspielen. Das erste Heimspiel der Tigers gegen die Eisbären Berlin war
       hingegen in 86 Minuten ausverkauft, das Stadion hat 5.854 Plätze. In der
       Geschäftsstelle hieß es, 10.000 Karten hätte man locker losbekommen können.
       Viele Fans waren sauer, weil sie seit Jahrzehnten zu den Spielen gehen, so
       wie ihre Eltern es auch schon taten, und diesmal keine Karten bekommen
       hatten. Trotzdem sind Fans und Team mehr denn je zu einer Einheit
       verschmolzen in diesen Playoffs. Einer der Publikumslieblinge ist der
       kampfstarke Bruno St. Jacques, der nach jedem Sieg so ausgelassen feiert,
       dass man denken könnte, als Tänzer oder Akrobat hätte er vielleicht eine
       noch größere Karriere gemacht.
       
       Der introvertierte Goalie Barry Brust ist der andere Liebling, denn auf dem
       Eis ist er gar nicht so ruhig. Normalerweise stellt sich ja eine Mannschaft
       vor ihren Torhüter, bei den Tigers ist es oft umgekehrt. In der Punktrunde
       hatte er mit 109 Strafminuten die sechstmeisten der gesamten Liga. Im
       dritten Spiel in Berlin, als Straubing überraschend mit 3:1 gewann, war er
       auch wieder der gewohnt starke Rückhalt, der dem Team zum ersten Sieg in
       der Serie verhalf. „Zu Beginn der Saison hat er gute Saves gemacht“, sagt
       Trainer Dan Ratushny über den 28-Jährigen, „jetzt macht er hervorragende
       Saves.“
       
       Überhaupt, der Trainer. Er ist für den Verein ein ähnlicher Glücksfall wie
       der neue Torwart. Der 41-jährige Kanadier war in Deutschland unbekannt, als
       er seinen Job antrat, umgekehrt kannte er auch die Fan-Gepflogenheiten im
       deutschen Eishockey nicht, jetzt ist er konditioniert und identifiziert
       sich zu hundert Prozent mit den Tigers. „Wir haben die besten Fans der
       Liga“, sagt er. Die Stimmung in der Stadt könne man höchstens mit
       Kleinstädten in Kanada vergleichen, wo es außer einem Eishockey-Jugendteam
       keinen anderen Sport zum Anschauen gibt.
       
       ## Das gallische Dorf im Eishockey-Land
       
       In Straubing sagen sie, die Tigers hätten die Stadt erst auf die deutsche
       Landkarte geholt. Schnell wird man erinnert an die Lupe, die am Anfang der
       Asterix-Hefte zeigt, wo sich das kleine gallische Dorf befindet. Mit diesem
       hat Straubing gemein, dass die Bewohner im Prinzip freundliche Menschen
       sind, hier werden meistens sogar die Gästefans mit Applaus begrüßt.
       Wolfsburg aber ist hier verprügelt worden, weil sich die Mannschaft in den
       beiden Viertelfinal-Partien in ihrem Zauberkessel am Pulverturm in einen
       Rausch gespielt hat.
       
       In der Punktrunde hatten die Tigers oft das Problem, dass entweder der
       Angriff oder die Abwehr einen guten Tag hatte, selten aber beide zusammen.
       Mittlerweile hat Ratushny die Spieler zu einer Einheit geformt. Er sagt:
       „Mein Team hat es nie als Ziel angesehen, unter den besten zehn zu sein.“
       Das bedeutet aber auch: Sollte gegen Berlin kein Wunder mehr passieren, ist
       in Straubing auch niemand böse. Es war schon jetzt die erfolgreichste
       Saison der Vereinsgeschichte.
       
       10 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christoph Leischwitz
       
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