# taz.de -- Die Formel 1 in Bahrain: Nein zu Bahrain
       
       > Die Formel 1 will in einem Land um die Wette fahren, das seine
       > Demokratiebewegung brutal unterdrückt. Der Formel-1-Chef schaltet auf
       > stur. Kommt jetzt die Absage?
       
 (IMG) Bild: „Fahrt ihr für das Blut der Märtyrer um die Wette?“ Protestgraffiti in Bahrein.
       
       Glühende Anhänger der Formel 1 sehen es vielleicht so: Wieder einmal
       versuchen Spielverderber, ein unpolitisches Ereignis zum Politikum zu
       machen. Erst die umstrittenen Olympischen Spiele in China 2008, dann die
       Debatte um den Eurovision Songcontest in Aserbaidschan und jetzt: der
       Formel-1-Grand Prix in Bahrain. Darf das Rennen – ungeachtet des
       anhaltenden Aufstands in Bahrain – nächstes Wochenende, am 22. April, vor
       den Toren der Hauptstadt Manama stattfinden?
       
       Formel-1-Chefvermarkter Bernie Ecclestone interessiert nicht, dass es noch
       immer zu blutigen Zusammenstößen zwischen Regimeeinheiten und
       Demonstrierenden kommt, dass Demokratiebewegte in Gefängnissen gefoltert
       werden. O-Ton Ecclestone: „Wir waren schon immer unpolitisch und machen
       unsere Entscheidung allein von der Sicherheitslage abhängig.“
       
       Ja, die Sicherheitslage. Das ist die eine Seite. Sollten die Teams aber
       tatsächlich wie geplant um die Wette fahren, können die Veranstalter, die
       teilnehmenden Rennställe und die Fans beruhigt sein: Die Regierung wird
       vollste Sicherheit garantieren. Die Rennbahn befindet sich außerhalb der
       Hauptstadt, weit entfernt vom symbolischen Perlenplatz, der traurige
       Berühmtheit erlangte, als das Regime dort im letzten Jahr die
       Protestbewegung im Keim zu ersticken versuchte. Auch weit weg von den
       schiitisch dominierten Dörfern, den Hochburgen der Protestbewegung.
       Mitarbeiter des Lotus-Rennteams, die jüngst von einer Vor-Ort-Inspektion
       aus dem Königreich zurückgekehrt sind, erklärten, sie vertrauten nun
       darauf, dass in dem Königreich „alles unter Kontrolle“ sei.
       
       ## Bürger in Aufruhr
       
       Alles unter Kontrolle. Das ist die andere Seite. Seit 14 Monaten versucht
       das Regime, die aufbegehrenden Bürger in Schach zu halten. Nur sind die den
       Kontrollwahn ihrer Regierung leid. Vor allem die Schiiten sind es leid, von
       den politischen Entscheidungsprozessen der sunnitischen Regierungselite
       ausgeschlossen zu sein. Die jungen Leute fordern politische Freiheiten,
       Bürgerrechte, Würde. Einige fordern auch den Sturz der Königsfamilie.
       
       Also keine Menschenrechte, kein Grand Prix? Wie in China und Aserbaidschan
       versuchen die Kritiker, dem Formel-1-Event einen Strich durch die Rechnung
       zu machen. Als „Beobachter aus der Sesselperspektive“ bezeichnete der Chef
       der Bahrainer Rennstrecke, Zayed Al Zayani, die Nörgler. Welche Länder
       bleiben denn noch, wenn Großereignisse von der Menschenrechtslage abhängig
       gemacht werden?
       
       ## Sport, Spiel, Spaß
       
       Vieles spricht dafür, internationale Großveranstaltungen auch in
       autoritären Staaten abzuhalten. Erstens – so etwa Ecclestone – gehe es hier
       nicht um politische Veranstaltungen, sondern um Sport, um Musik, um Spaß
       und Unterhaltung. Zweitens – immer wieder im Falle Chinas und
       Aserbaidschans gehört – brächten die Ereignisse Medienaufmerksamkeit mit
       sich, nicht nur für die Veranstaltungen, sondern auch für die Lage der
       Bevölkerung in den jeweiligen Ländern. Und drittens: Wo liegt denn bitte
       die Grenze? Was ist mit der Fußball-EM 2012 in Polen und der Ukraine? Ist
       die Ukraine Aserbaidschan beim Thema Menschenrechte so weit voraus? Ist
       Aserbaidschan besser als China und China wiederum besser als Bahrain?
       
       Es ist eine Frage der Grenzziehung. Und genau diese Grenze ist in Bahrain
       überschritten. In dem kleinen Königreich haben die Golfmonarchien ein
       Exempel statuiert. Jeder Protest wird erstickt, Widerspruch nicht geduldet.
       Das ist die Message, die nicht nur das bahrainische Regime sendet, sondern
       auch sein großer Bruder Saudi-Arabien. Als die Proteste im letzten Jahr
       losgingen, schickte Saudi-Arabien seine Truppen über die Grenze und hielt
       den bahrainischen Regierungstruppen den Rücken frei. Noch immer sitzen
       zahlreiche Dissidenten im Gefängnis, werden gefoltert. Dutzende sind bei
       den Protesten ums Leben gekommen.
       
       ## 100.000 Kritiker
       
       Aufgegeben haben die Demonstrierenden trotzdem nicht. Die Proteste flammen
       erneut auf. 100.000 Regimekritiker – andere Quellen sprechen von bis zu
       einer Viertel Million – sind im März auf die Straße gegangen. Eine
       bedeutende Zahl für ein Königreich mit nur gut einer Million Einwohnern.
       Und dann Abdulhadi al-Khawaja: Der inhaftierte Menschenrechtsaktivist
       weigert sich seit zwei Monaten, Nahrung aufzunehmen, und ist zum Symbol der
       Protestbewegung geworden. Sein Anwalt warnt, der 52-Jährige könne an dem
       Hungerstreik bald zugrunde gehen, aber die Behörden weigern sich, den
       geschwächten al-Khawaja zur Behandlung ausreisen zu lassen. Seit Tagen
       protestieren Menschenrechtsaktivisten in der Hauptstadt für seine
       Freilassung.
       
       In dieser Situation würde der Große Preis von Bahrain eine Normalität
       vorgaukeln, die nicht gegeben ist. In dieser Situation ist die
       Rennsport-Veranstaltung nicht nur Sport und Unterhaltung, wie Ecclestone es
       gerne hätte (er soll 30 Millionen Euro an Antrittsgeldern für das Rennen
       kassieren), sondern Politik. Und auf diese Situation macht nicht ein
       erfolgreiches Sport-Event aufmerksam, sondern ein abgeblasener Grand Prix.
       
       Das haben viele bereits erkannt. „Es ist ganz wichtig, dass wirtschaftliche
       Interessen nicht Vorrang vor den Menschenrechten haben“, ließ Amnesty
       International am Donnerstag wissen. Eine Absage müsste vom
       Automobilweltverband FIA zusammen mit dem Formel-1-Vermarkter Ecclestone
       kommen. Doch auch Formel-1-Konzerne wie Red Bull und Mercedes mit ihren
       Rennställen stehen in der Pflicht. Den Anfang hat ein Chef eines führenden
       Rennteams gemacht. Er äußerte sich anonym gegenüber dem britischen
       Guardian: „Wir alle hoffen, dass die FIA das Rennen absagt.“ Auch
       Ecclestone hat inzwischen eingeräumt: „Wenn die Teams da nicht hinwollen,
       können wir sie nicht zwingen.“
       
       13 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jannis Hagmann
       
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