# taz.de -- HSV schlägt Hannover 96: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
       
       > Im Nordderby holt der Hamburger SV gegen Hannover 96 ein 1:0 heraus. Mann
       > des Tages ist der bisher selten eingesetzte Heung Min Son. Vordringlich
       > bleibt für die Hamburger der Kampf gegen den Abstieg.
       
 (IMG) Bild: Viertes Saisontor zum dritten Heimsieg: Hamburgs Heung Min Son freut sich über seinen Treffer zum 1:0.
       
       HAMBURG taz | So saßen sie lange nicht mehr da: Vor ihren Fans, die im Chor
       "Scheiß St. Pauli" brüllen und "Niemals Zweite Liga, niemals, niemals".
       Irgendwo auf dem Rasen gesessen haben sie immer irgendwo, auch nach
       verlorenen Heimspielen, irgendwo auf dem Rasen: Stutzen, Schultern, Köpfe:
       alles runter. Aber diesmal, nach dem Spiel gegen Hannover 96, hielt die
       Mannschaft des Hamburger SV den Kopf hoch - und es wurde sogar getanzt.
       
       Vor der Begegnung hatten Fans des HSV - die Aktion begann am Samstagmorgen
       um neun Uhr - auf alle Sitzplätze Schilder gelegt und an alle Besucher
       Pappschilder ausgegeben - Aufschrift: "Wir für euch! Ihr für uns! Nur der
       HSV!" 60 Fans machten das, auch der verletzte rechte Außenverteidiger
       Dennis Diekmeier half mit. Als beide Mannschaften auf den Rasen liefen,
       hielten die Zuschauer dann ihre weißen Pappen hoch - es sah aus, als sei
       Schnee gefallen im Hamburger Volkspark.
       
       Mit 1:0 gewann der HSV gegen Hannover 96, vor 57.000 Zuschauern in der
       eigenen Arena. Nun haben die Hamburger 34 Punkte, das reicht noch nicht, um
       nicht abzusteigen. Aber es ist besser, diese drei Punkte zu haben, als sie
       nicht zu haben. Nach dem Spiel war viel davon die Rede, dass die Mannschaft
       nun kapiert habe, was sie tun muss, um in der Liga zu bleiben. Trainer
       Thorsten Fink ist offenbar skeptisch: "Vielleicht haben wir heute gesehen,
       dass die Mannschaft Abstiegskampf kann", sagt er. Und machte eine Pause, in
       der jeder Zuhörer den Satz: "Vielleicht aber auch nicht", gedacht haben
       wird. Und fuhr fort, wie zur Bestätigung: "Mal sehen, was nächste Woche
       ist." Der Mann hat seine Lektion gelernt.
       
       Versucht hat es der Hamburger SV gegen Hannover 96 - das 15 Pflichtspiele
       mehr absolviert hat - mit einer neuen Spielweise: Nicht mehr so viel
       Ballbesitz, statt über die weit aufgerückten Außenverteidiger den Ball nach
       vorne zu tragen, wird mit langen Bällen gespielt, nicht blind nach vorne,
       sondern auf die beweglichen lauffreudigen Stürmer Marcus Berg und Heung Min
       Son. Trainer Fink setzte darauf, dass die 96-Spieler nach so vielen Partien
       bei langen Sprints auf dem Zahnfleisch laufen würden statt auf schnellen
       Beinen. So war es auch.
       
       Auch versuchten es Finks Rothosen mit weiten Flügelwechseln. Alles, was so
       einen müden Gegner schlaucht. Hamburg spielte diesmal so, wie es die vielen
       beim FC Chelsea ausgebildeten Jungs, die inzwischen zum Team zählen, in
       England gelernt haben. Kämpfen inklusive. Damit war das Problem erledigt,
       dass einer der beiden defensiven Mittelfeldspieler, Tomás Rincón oder David
       Jarolim, das Spiel machen muss.
       
       Hannover versuchte es seinerseits über Hamburgs rechte Abwehrseite: Mit
       Jeffrey Bruma, der als gelernter Innen- kein idealer Außenverteidiger ist,
       hatte 96-Trainer Mirko Slomka dort eine Schwäche ausgemacht. Bruma hielt
       seine Seite dann aber weitgehend dicht, auch weil ihm der Mittelfeldspieler
       Ivo Ilicevic half.
       
       Eines der Probleme des HSV ist ja, neben den vielen Toren, die er schluckt,
       dass er keines macht. In der zwölften Minute aber bekam Heung Min Son, der
       in dieser Saison nicht oft von Anfang an spielte, ziemlich weit links
       draußen den Ball. Er trickste Steven Cherundulo aus, lief dann an der
       96-Viererkette entlang nach innen und schoss - durch die Lücke zwischen
       Christian Schulz und Karim Haggui - ins Tor. Eine ziemlich kleine Lücke,
       durch die er da traf. Sein viertes Saisontor zum dritten Heimsieg, noch
       kann man alles an einer Hand abzählen.
       
       Eine halbe Stunde nach dem Spiel lächelt Heung Min Son immer noch: "Ich hab
       lange nicht gespielt und deshalb auf dem Platz heute richtig Spaß gehabt
       mit der Mannschaft. Der Trainer hat gesagt, dass ich meine Chance bekommen
       werde, er hatte immer Vertrauen in mich."
       
       Die Torchancen, die nach dem 1:0 ungenutzt blieben, auch durch Son, zeigen:
       Alle Probleme ist der HSV noch nicht los. Vorwerfen, sagte Fink, könne er
       der Mannschaft "höchstens, dass sie das zweite Tor nicht macht".
       
       Als nächstes müssen die Hamburger nach Nürnberg. "Wir müssen weiter hart
       arbeiten", sagte Son. Bruma meinte: "Wir dürfen uns jetzt nicht
       zurücklehnen und zufrieden sein. Wir müssen weiter hungrig sein." Und
       Kapitän Heiko Westermann erklärte: "Wir müssen genau mit dieser
       Leidenschaft weiterspielen - so geht Abstiegskampf!" Und der Trainer gab
       sich "gespannt, welches Gesicht meine Mannschaft nächste Woche gegen
       Nürnberg zeigt".
       
       Das sagen sie beim Hamburger SV weniger an die anderen gerichtet, das sagen
       sie sich gegenseitig: Weil da ein Trainer seiner Mannschaft nicht mehr über
       den Weg traut - und diese sich selbst auch nicht
       
       15 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Roger Repplinger
       
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