# taz.de -- Sportliche Oper in Dortmund: Tenöre aus der schwarz-gelben Wand
       
       > Den BVB im Herzen: Mit sangesfreudigen Kurvenfans im Chor will sich die
       > Dortmunder Oper ganz neue Zuschauerschichten erschließen.
       
 (IMG) Bild: In der Dortmunder Oper machte kürzlich Wagner dem heimischen BVB-Liedgut Platz: „Fangesänge“.
       
       DORTMUND taz | Roland Scholz ist Dortmunder. Vor 55 Jahren wurde er in der
       Stadt geboren. Er ist aufgewachsen mit dem BVB im Herzen. Und er ist
       geblieben. Scholz sagt: „Das ist meine Stadt, mein Verein.“ Die Dortmunder
       Oper war für ihn hingegen bis vor wenigen Wochen fremd – nicht seine Welt.
       
       Und nun? Nun steht Roland Scholz selbst auf der Bühne der Oper im
       Dortmunder Schauspielhaus, rückt seinen schwarz-gelben Schal zurecht und
       erhebt die Stimme. „Olé, olé, olé, nur der BVB“, singt er lauthals los,
       „unser ganzes Leben, unser ganzer Stolz.“
       
       Mit „Fangesänge“ wurde am Samstag die erste deutsche Fußballoper
       uraufgeführt, inszeniert von dem argentinischen Regisseur Marcelo Díaz. Er
       wagt die Verbindung von Musiktheater und der Faszination Fußball. Das Herz
       des Stückes brüllt aus 51 Kehlen von Menschen wie Roland Scholz. Ein
       Laienchor verstärkt den professionellen Hauschor der Dortmunder Oper.
       
       Über lokale Medien und das Internet suchte das Schauspielhaus in der Region
       nach Fußballfans mit einem Minimum an gesanglicher Erfahrung. „Klar: Wir
       haben zum einen für den akustischen Eindruck mehr als unsere 42
       professionellen Choristen gebraucht“, erklärt der stellvertretende
       Opernintendant Hans-Peter Frings. „Uns war aber auch wichtig, den
       Sachverstand und die Leidenschaft der Leute hier mit ins Boot zu holen.“
       
       ## Derbysieg wird im Saal gefeiert
       
       Das Premierenpublikum – darunter viele mit Fanschal zur Abendgarderobe –
       überzeugte das. „Man mag im Vergleich zu den professionellen Sängern einige
       unausgebildete Stimmen erkennen, aber das schließt im Prinzip nur die
       Klammer um die ungewöhnliche Kombination aus Kunst und Sport“, sagte eine
       Zuschauerin. Noch während der Ovationen stimmten die Ränge mit dem Chor in
       BVB-Fangesänge ein und feierten im Opernsaal den Derbysieg gegen Schalke
       04.
       
       Das Stück ist Oper von Fans für Fans. Und ein Versuch, Hemmschwellen vor
       dem Opernhaus als Tempel der Hochkultur abzubauen. „Oper ist so viel mehr
       als nur klassische Musik und Hochkultur“, sagt Hans-Peter Frings. „Wir
       wollen Oper für alle machen.“
       
       „Fangesänge“ ist eine kritische Hommage an die globale Faszination Fußball,
       eingehüllt in das schwarz-gelbe Gewand eines BVB-Spiels. Die Bühne des
       Opernsaals wird zur Südtribüne en miniature, samtgelben Geländern und
       Wellenbrechern und untermalt von Fangesängen aus Dortmund, Deutschland und
       aller Welt.
       
       Autor Jörg Menke-Peitzmeyer greift in den 90 Minuten des Stücks die
       gegenwärtigen Konflikte um den Sport auf: die Kommerzialisierung, die
       Entfremdung zwischen Fans und Spielern, die Gewalt in und um die Stadien.
       Logenzuschauer pöbeln gegen Ultras, der Dauerkarteninhaber schimpft auf die
       überbezahlten Söldner in „seinem“ Trikot.
       
       ## Weg vom elitären Charakter
       
       Zugleich wirft Menke-Peitzmeyer auch einen Blick in die vergangenen
       Jahrzehnte. Auf die gottesähnliche Verehrung von Diego Maradona etwa. Und
       auf die Opfer der Stadiontragödie von Hillsborough 1989, deren mit einer
       Schalchoreografie gedacht wird. Die Oper will weg von ihrem elitären
       Charakter. Mit der Kampagne „Wo, wenn nicht hier?“ gräbt die Leitung des
       Hauses nach neuen Zuschauerschichten. Aktuell läuft noch eine
       Ruhrgebiets-Adaption des Minenarbeiter-Musicals „The Full Monty“.
       
       Der partizipative Charakter durch die besondere Einbindung des Laienchors
       soll ein Lockstoff sein. „Wenn die Leute einmal hinter die Kulissen
       geschaut haben“, sagt Frings, „dann kommen viele wieder.“ Den Vorwurf, den
       Bildungsauftrag öffentlicher Kulturbetriebe dem Gewinnstreben zu opfern,
       will Frings nicht gelten lassen. „Uns ist es trotz allem immer noch
       wichtig, den künstlerischen Anspruch der Arbeit aufrechtzuerhalten“, betont
       er.
       
       Viermal pro Woche probte der Chor in den vergangenen Wochen, neunmal soll
       „Fangesänge“ nun noch aufgeführt werden. Für die Laien im Fanchor bedeutet
       das neben Freizeit, Familie und Beruf große Opferbereitschaft. Doch auf
       eines muss Regisseur Marcelo Díaz Rücksicht nehmen: Mit einem BVB-Spiel
       darf keiner der Termine kollidieren.
       
       17 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jannis Carmesin
       
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