# taz.de -- Spieleentwickler Fargo über „Wasteland 2“: „Crowdfunding wird sich durchsetzen“
       
       > Brian Fargo hat für sein Rollenspiel über Crowdfunding fast drei
       > Millionen Dollar gesammelt. Der Entwickler über Fans, die Macht der
       > Publisher und Kulturfinanzierung im Netz.
       
 (IMG) Bild: Postapokalyptisches Spielszenario: Konzeptentwurf für Wasteland 2.
       
       taz: Herr Fargo, mögen Sie Farmville? 
       
       Brian Fargo: Nein, nicht wirklich.
       
       Die großen Verleger aber schon, oder? So stellen Sie es zumindest in dem
       Video dar, mit dem sie sich [1][an die Crowdfunding-Plattform Kickstarter
       wendeten]. Sie haben mehr als dreimal so viel Geld gesammelt, wie Sie
       wollten. Wie fühlt sich das an? 
       
       Fantastisch. Der letzte Monat war ziemlich nervenaufreibend, das hätte ich
       wirklich nie erwartet. Ich arbeite schon so lange als Spieleentwickler,
       aber so was habe ich noch nie erlebt.
       
       Ihr Kollege [2][Tim Schafer hat 3,3 Millionen Dollar gesammelt] – 400.000
       Dollar mehr als Sie. Neidisch? 
       
       (lacht) Nein, nein, auf gar keinen Fall. Wir sitzen alle im selben Boot und
       ich freue mich sehr für ihn.
       
       Haben Sie mit einem solchen Erfolg gerechnet? 
       
       Natürlich hatte ich gehofft, dass wir unser selbstgesetztes Ziel erreichen,
       aber die Reaktion der Fans war wirklich überwältigend. Ich habe hunderte
       Emails erhalten, in denen Fans schreiben, dass sie sich in den letzten zehn
       Jahren nicht mehr so sehr auf ein Computerspiel gefreut haben. So etwas
       habe ich nicht erwartet.
       
       Checken Sie immer noch regelmäßig ihre Kickstarter-Page? 
       
       Definitiv. Anfangs war ich so nervös, dass ich mich gar nicht getraut habe,
       nachzusehen. Und dann kamen die ersten Zahlen, dann 400.000 Dollar, 500.000
       Dollar, und so weiter. Unglaublich.
       
       Wie sind Sie auf die Idee gekommen, „Wasteland 2“ durch Crowdfunding
       finanzieren zu lassen? 
       
       Um ehrlich zu sein, bin ich durch Tim Schafers Erfolg darauf gekommen. Er
       war der Erste, der eine so hohe Summe sammelte. Und während die
       Finanzierung von Double Fine Adventure noch lief, bekam ich dutzende
       Nachrichten von Fans, die sagten: jetzt ist der richtige Moment für
       „Wasteland 2“! Also ließ ich alle anderen Projekte stehen und liegen,
       trommelte mein Team zusammen und fing an. Und ich glaube, wir haben uns
       ganz gut angestellt.
       
       In der Tat, „Wasteland 2“ und Double Fine Adventure sind die bislang
       erfolgreichsten Kickstarter-Projekte. Wie können Sie sich den Erfolg
       erklären? 
       
       Wir bieten Spiele an, die sehr viel Spaß machen und die sehr viele Fans
       haben – und diese Fans können sich eben noch an den Spaß erinnern, den sie
       als Kinder oder Jugendliche damit hatten. Nun werden diese Genres, Role
       Playing Games und Adventure Games, von den großen Producern aber
       weitestgehend ignoriert, die sich eher an massentauglicheren Spielen
       orientieren. Dabei wollen die Fans unsere Spiele ja spielen! Und deshalb
       waren Sie auch bereit, sie zu finanzieren.
       
       Ihre Popularität in der Branche könnte Ihnen auch geholfen haben. 
       
       Wenn es um Beträge von mehreren Millionen Dollar geht, dann kommt es schon
       auf den Bekanntheitsgrad und die eigene Erfolgsgeschichte an. Aber es gibt
       ja auch eine Menge kleinerer Entwickler, die noch nicht so bekannt sind,
       und denen es um Summen von 20.000 Dollar geht. So eine Summe kommt
       schneller zusammen, als man denkt. Das sind dann die Leute, die morgen
       vielleicht die Summen in Millionenhöhe sammeln werden.
       
       Ich bin mir sicher, dass irgendwann jemand Tim Schafers Rekord brechen
       wird, jemand, der heute vielleicht noch gar nicht so bekannt ist. Die
       kleinen Entwickler von heute sind die Millionenprojekte von morgen.
       
       Also sehen Sie einen längerfristigen Trend im Crowdfunding? 
       
       Absolut. Es bietet sich sehr gut für mittelgroße Projekte mit einem
       mittelgroßen finanziellen Aufwand an. Um professionell an „Wasteland 2“ zu
       arbeiten, brauche ich kein Riesenteam – aber ich kann auch nicht mit drei
       oder vier Teilzeitkräften arbeiten. Für diese Art von Spielen eignet sich
       Crowdfunding. Im Moment hat es auch einfach ein große Eigendynamik
       entwickelt. Es wird Höhen und Tiefen geben – aber im Endeffekt wird sich
       Crowdfunding als Finanzierungsmöglichkeit durchsetzen.
       
       Glauben Sie nicht, dass es ein Trend sein könnte, der irgendwann
       vorübergeht? Der Schwung kann auch wieder verloren gehen. 
       
       Ich denke nicht, dass das in nächster Zeit passieren wird. Aber die Art des
       Crowdfundings wird sich verändern. Es werden jede Menge Leute auf den Zug
       aufspringen wollen, also wird es etwas schwieriger werden, die wirklich
       tollen Projekte aus der Masse herauszufiltern. Aber ich bin sicher, dass
       die besonderen, interessanten Projekte weiterhin unterstützt werden. Nein,
       Crowdfunding wird es auch in Zukunft geben.
       
       Teilen Sie Schafers Meinung, Crowdfunding sei eine „demokratische“ Art der
       Spielefinanzierung? 
       
       Vielleicht, aber die Leute entscheiden mit ihrer Kaufkraft. Auf jeden Fall
       findet eine direktere Art des Austauschs zwischen Spielern und
       Spieleentwicklern statt. Vor ein paar Jahren war das noch unmöglich, da
       standen einerseits der Einzelhandel und andererseits die Publisher zwischen
       uns.
       
       Durch Online-Vertriebsplattformen wie Steam kann man den Einfluss der
       Interessen des Einzelhandels minimieren. Und durch Crowdfunding den der
       Publisher. Jetzt können sich Spieler und Spieleentwickler auf Augenhöhe
       bewegen. Das war bislang nicht möglich.
       
       Wie wird sich das auf die Spielentwicklung auswirken? 
       
       Positiv. Ich kann nur für mich sprechen, aber man muss einem Entwickler
       Vertrauen entgegenbringen. Dieses Vertrauen gibt ihm die Möglichkeit,
       wunderbare Spiele zu entwickeln. Die Crowd hat ein unglaubliches Vertrauen
       in uns gesetzt. Das gibt uns die Freiheit, die Dinge zu tun, die wir für
       richtig halten. Wenn man mit einem Publisher arbeitet, sind viele
       Mechanismen am Werk, Marketingstrategien, interne politische
       Entscheidungen, Marktanalysen – und manchmal wird dadurch das Produkt
       völlig verändert.
       
       Damit müssen wir uns jetzt nicht mehr herumschlagen. Wir können Ideen
       verwerfen und neue Dinge einbringen, ohne uns an die Vorgaben des
       Publishers zu halten. Es ist ein ganz neuer Prozess der Entwicklung. Ich
       glaube, besser hätten wir „Wasteland 2“ nicht finanzieren lassen können.
       
       Offiziell beginnt die Arbeit an „Wasteland 2“ erst, nachdem die
       Kickstarter-Finanzierung endet. Gibt es trotzdem schon konkrete Ideen, wie
       das Spiel aussehen wird? 
       
       Und wie! „Wasteland“ wird natürlich der Ausgangspunkt sein, aber wir
       entwickeln das Spiel weiter. Es wird wieder ein rundenbasiertes Rollenspiel
       nach dem Sandbox-Prinzip werden, also ohne festgelegte Level. Und die Welt
       ist natürlich wieder post-apokalyptisch, sehr dunkel und gefährlich. Der
       Spieler kontrolliert eine Gruppe von Wüstenaufseher, die für Recht und
       Ordnung sorgen müssen.
       
       Die Gruppe lässt sich völlig frei zusammensetzen – Männer, Frauen, Russen,
       Deutsche, ganz egal. Man kreiert also diese Gruppe und rüstet sie mit
       verschiedenen Eigenschaften aus, das ist ja das besondere. Man muss
       taktisch agieren, seinen Kopf anstrengen. Ich kann es kaum abwarten,
       endlich mit der Arbeit anzufangen.
       
       17 Apr 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.kickstarter.com/projects/inxile/wasteland-2
 (DIR) [2] http://www.kickstarter.com/projects/66710809/double-fine-adventure
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katalina Präkelt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) „Game-Studies“: Von Ego-Shootern lernen
       
       Computerspiele sind ein popkulturelles Phänomen. An der Universität Potsdam
       gibt es deshalb eine der größten Sammlungen der Welt – für die
       Wissenschaft.
       
 (DIR) Medienforscher über Crowdfunding: „Keine Alternative zur Kulturförderung“
       
       Es sei nicht einfach, über Crowdfunding einen Roman zu bezahlen, sagt
       Medienforscher Andreas Will. Vor allem unkommerzielle Projekte würden
       Crowdfunder anziehen.
       
 (DIR) Optimismus bei der Crowdfunding-Konferenz: Eine Nische mit Potenzial
       
       Es gibt viele Beispiele für erfolgreiches Crowdfunding, aber keine
       Plattform verdient bisher Geld. Dennoch ist die Crowdfunding-Szene
       hoffnungsvoll, dass alles besser wird.
       
 (DIR) Deutscher Computerspielpreis: „Killerspiel“-Debatte knallt Preise ab
       
       Der harte Ego-Shooter „Crysis 2“ ist zum besten deutschen Computerspiel des
       Jahres gewählt worden. Die Entscheidung der Jury ist umstritten.
       
 (DIR) Crowdfunding in der Forschung: Monde von und für die Massen
       
       Wissenschaftler entdecken das Crowdfunding. Im Internet werben sie um Geld
       für ihre Forschung. Mit petridish.org ging nun die erste spezialisierte
       Plattform online.
       
 (DIR) Crowdfunding für Computerspiele: Die Ödnis fruchtbar gemacht
       
       Über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter wird ein Nachfolger des
       Abenteuerspiels „Wasteland“ finanziert. Innerhalb kürzester Zeit kam eine
       Million Dollar zusammen.
       
 (DIR) Crowdfunding-Plattformen wachsen: Der Schwarm zahlt's
       
       In den USA wird die Plattform „Kickstarter“ erstmals mehr Projekte
       finanzieren als die staatliche Kulturförderung. Auch in Deutschland gibt es
       einen Boom.
       
 (DIR) Crowdfunding für Computerspiele: Millionen für den Monkey Man
       
       Keine Investoren? Lass' es von der Crowd bezahlen! Tim Schafer fand
       niemanden, der sein neues Spiel finanzieren wollte. Jetzt hat er im Netz
       jede Menge Geld bekommen.