# taz.de -- Die Wahrheit: Schiebt Harald Schmidt zu uns ab!
       
       > Neues aus Neuseeland: Letztens durfte ich den gerade siebzig gewordenen
       > Richard O’Brien interviewen. O’Brien ist ein feiner, kleiner Mann, der
       > gern Frauenkleider trägt.
       
 (IMG) Bild: Comedian Pierre M. Krause posiert im Fernsehstudio.
       
       Letztens durfte ich den gerade siebzig gewordenen Richard O’Brien
       interviewen. Für alle, die unter dreißig sind: Er spielte einst den
       buckligen Butler Riff Raff in der „Rocky Horror Picture Show“ – ein Film,
       den jeder, der bereits über vierzig ist, im Laufe einer anständigen Jugend
       mindestens sechsmal gesehen haben musste. O’Brien ist ein feiner, kleiner
       Mann, der gern Frauenkleider trägt und es nicht besonders schätzt, wenn man
       Reis auf seinen kahlen Schädel schmeißt. Denn das tut weh auf nackter Haut.
       
       Der Schauspieler und Entertainer lebt auf seine alten, aber noch sehr
       agilen Tage zur Hälfte in Neuseeland. Was nicht im Interview stand, aber
       ihn mir so ans Herz wachsen ließ: Dieser kluge Geist mit spitzer Zunge
       lobte seine Zweitheimat, weil man dort nicht so brutal schlagfertig sein
       müsse wie andernorts, zum Beispiel in London oder Los Angeles. Neuseeland
       sei eine Oase für Menschen, die nicht immer gleich verbal punkten und
       andere runtermachen wollen. Ein Auffangbecken für Anti-Sarkasten. Ein
       Pflasterstrand der Milde und Zurückhaltung. Und da ergab es plötzlich alles
       einen Sinn: Harald Schmidt muss zu uns auswandern. Er braucht diese mentale
       Ruhe. Den Sanftmut.
       
       Viel bekomme ich ja aus dem deutschen Show-Sumpf nicht mehr mit. Aber dass
       die einstige Lichtgestalt der Late-Night-Show beim Bällchensender nur noch
       Zoten statt Quoten bringt, hat sich sogar bis hierhin herumgesprochen. Wie
       gesagt, Zufälle gibt es nicht – es ist alles Teil eines großen Masterplans.
       Denn Neuseeland und Schmidt, das ist eine lange Geschichte. Vor ziemlich
       genau zehn Jahren versuchte Harald Schmidt sich in seiner Sendung am
       Neuseeland-Quiz. Zu gewinnen gab’s eine Flasche Schampus.
       
       Manuel Andrack fragte, seit wann es in Neuseeland das Frauenwahlrecht gäbe.
       Helmut Zerlett tippte auf „seit 20 Jahren“, Harald Schmidt war präziser:
       „Seit 1985“. Andrack machte ein entsetztes Gesicht – als Redaktionsstreber
       wusste er selbstverständlich, dass Neuseeland als erstes Land der Welt seit
       1893 Frauen zur Urne lässt. Worauf Schmidt noch einen nachschob: „Na, das
       ist doch nicht so eine degenerierte Nation wie wir hier!“ Damit fing’s wohl
       an.
       
       Zwei Jahre später gönnte sich der Talker eine lange Auszeit. Er kreuzte mit
       der „MS Europa“ durch die Südsee, Zwischenstopp Aotearoa. Mit an Bord war
       Caroline Beil, aber das schien die Traumreise nicht zu schmälern. Der Zeit
       schwärmte Schmidt später vor: „Das ist für mich das Land der Zukunft!“
       Sensationelle Landschaft, stellte er fest, tolle Restaurants, wenig
       Menschen, und der Direktflug von 23 Stunden dauert „im Grunde auch nicht
       länger als Köln–Gran Canaria mit Koffer weg“. Besonders schätzte er den
       „leichten, sympathischen Minderwertigkeitskomplex gegenüber Australien.“
       
       Die Zeit hakte nach, ob er sich dort vielleicht ein Haus kaufen wolle, für
       den Alterssitz. „Ja, aber es wäre noch zu früh gewesen, um mich vollständig
       zu verabschieden.“ Ha! Das waren noch Zeiten. Jetzt ist es höchste
       Eisenbahn, sich zu verabschieden. Riff Raff wartet schon.
       
       19 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anke Richter
       
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