# taz.de -- Kommentar Lehrer und ihr Berufsverständnis: Ja, auch am Nachmittag
       
       > Wer glaubt, es sei in erster Linie den Eltern zuzuschreiben, wenn Schüler
       > „faul“ und „aufsässig“ sind, hat den Beruf verfehlt. Zweifel kommen
       > Lehrern noch zu selten.
       
       Eltern von schulpflichtigen Kindern kennen das Gefühl: auf dem Elternabend
       referiert die Lehrerin über Defizite der Klasse bei der Multiplikation. Sie
       schaut scharf die Mamas und Papas an, die sich alle angesprochen fühlen.
       Für den Schulerfolg ihrer Kinder sind die Eltern mindestens im gleichen
       Maße verantwortlich wie die Schule, so ein weitverbreitetes Missverständnis
       im deutschen Schulsystem. Die aktuelle Allensbach-Umfrage bestätigt diese
       Fehlinterpretation.
       
       Denn wie sonst ist es zu erklären, dass viele Lehrer zwar feststellen, dass
       die Herkunft der Schüler einen großen Einfluss auf deren Leistungen hat,
       ihre eigene Benotungspraxis aber als objektiv einschätzen. Oder dass sie
       ihren Beruf mehrheitlich attraktiv finden – bis auf die Kleinigkeit, dass
       die Schüler demotiviert und disziplinlos sind.
       
       Zweifel an der Art ihres Unterrichts und ihrem Umgang mit Schülern kommen
       Lehrern noch zu selten. Dabei ist es in den Schulgesetzen von
       Baden-Württemberg bis Berlin ganz klar geregelt: die pädagogische
       Verantwortung für die Bildung und Erziehung der Schüler tragen die
       Lehrkräfte. Wer also glaubt, es sei in erster Linie den Eltern
       zuzuschreiben, wenn Schüler „faul“ und „aufsässig“ sind, hat den Beruf
       verfehlt.
       
       Klar müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen. Um gerade die Kinder aus
       weniger bildungsaffinen Elternhäusern zu erreichen, ist es dringend
       notwendig, das Lernen – und die Anwesenheitspflicht der Lehrenden – in den
       Nachmittag zu verlängern.
       
       Doch obwohl sich mittlerweile jede zweite Schule Ganztagsschule nennt,
       nimmt nicht einmal jeder siebte Schüler am gebundenen, also verpflichtenden
       Ganztagsangebot teil. Mit den 1,2 Milliarden Euro, die das Betreuungsgeld
       jährlich verschlingen soll, ließe sich locker eine zweite pädagogische
       Stufe des ausgelaufenen Ganztagsschulprogramms zünden. Ein deutliches
       Signal der Lehrerverbände und der Bundesbildungsministerin vermisst man da
       sehr.
       
       24 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
       
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