# taz.de -- Kommentar Linkspartei: Zeigt her Eure Kandidaten!
       
       > Es ist nicht die Personaldebatte, die der Linken zurzeit wie ein Knüppel
       > zwischen den Beinen liegt. Sondern die Art, wie die Partei sie bisher
       > führte.
       
       Die Linkspartei steckt in einer wenig komfortablen Lage – bei den
       Landtagswahlen im Mai drohen Niederlagen, bundespolitisch spielt die Partei
       zurzeit nur eine Nebenrolle, über den künftigen Kurs gibt es intern
       kontroverse Debatten. Da werde ein öffentlicher Wettbewerb über die nächste
       Führungsmannschaft nur schaden, behauptet der Vorsitzende Klaus Ernst.
       
       Und auch Oskar Lafontaine, dessen Rückkehr in den Vorstand in der Partei
       gleichermaßen ersehnt wie befürchtet wird, dreht die Gebetsmühle: keine
       Personaldiskussionen, das komme beim Wähler nicht an. Wer dagegen verstieß,
       hatte bisher mit Kritik zu rechnen – zuletzt sprach Lafontaine von
       „Schwatzhaftigkeit“, die bei ihm „Unmut“ auslöse. Die Diskussion über das
       Führungspersonal der Linken dürfe nicht auf dem „offenen Markt ausgetragen“
       werden.
       
       Doch genau hier liegt der Fehler: Was den Saarländer treibt, nämlich die
       schwierige Auseinandersetzung über die Repräsentation der verschiedenen
       Flügel, über Quoten und Proporz, lieber hinter den Kulissen und im kleinen
       Kreis auszutragen, schadet der Linken zurzeit mehr als jedes öffentliche
       Bewerberrennen.
       
       Die Partei sollte im Gegenteil froh sein, wenn jetzt die Vizevorsitzende
       Katja Kipping und der Bundesschatzmeister Raju Sharma ihre erneute
       Kandidatur für den engeren Führungszirkel der Linken erklärt haben. Und
       auch eine ganze Reihe von normalen Vorstandsmitgliedern angekündigt hat,
       wieder den Hut in den Ring zu werfen.
       
       Erstens ist da die Erinnerung an die „Nacht des freien Willens“, in der
       Anfang 2010 die glücklose Parteispitze bestimmt wurde, deren Nachfolge
       jetzt zur Diskussion steht. Eine Wiederholung dieses Verfahrens halten
       viele zu Recht für keine sinnvolle Lösung. Das hat, zweitens, nicht nur mit
       dem damaligen Ergebnis zu tun: Das verbreitete Unbehagen an der
       Parteiendemokratie ist vor allem eine Unzufriedenheit mit den Mechanismen
       eines Betriebs, dessen Regeln, Verfahrensweisen, dessen ganze Kultur aus
       einer Zeit stammt, in der Begriffe wie Transparenz und demokratische
       Beteiligungsformen noch einen anderen Stellenwert hatten.
       
       Heute ist die Erwartung vieler, auch der nicht in Parteien Organisierten,
       als „Politikbürger“ wahrgenommen und einbezogen zu werden, viel größer. Das
       gilt auch für die Besetzung von politischen Spitzenposten. Zudem sind
       Personalfragen selbstverständlich auch politische Fragen und nicht das
       schädliche Gegenteil davon. Schließlich geht es bei Köpfen auch um die
       Inhalte, die man mit ihnen in Verbindung bringt, um die Repräsentanz von
       Nischenforderungen, um die persönliche Verbindung von Kandidaten in soziale
       Milieus und Bewegungen, um starke Charaktere und das, was man heute eine
       „breite Aufstellung“ nennt.
       
       Also: Zeigt her Eure vielen Kandidaten! Wer erfolgreiche Realos wie den
       Kommunalpolitiker Steffen Harzer in seinen Reihen hat, den in linken
       Gewerkschafterkreisen bekannten Bundestagsabgeordneten Michael Schlecht
       oder eine Politikerin wie Kipping, die auch im libertär-feministischen
       Spektrum angesehen ist – der sollte damit nicht geizen.
       
       Bisher haben sich vor allem politische Silberrücken wie Lafontaine und der
       langjährige Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch medial belauert, ganz so
       wie bei es bei den anderen Parteien so ermüdend üblich ist. Geholfen hat
       das der Linken nicht. Eine wirklich offene Personaldebatte, ein Wettbewerb
       der vielen Köpfe hingegen könnte für die Partei die vielleicht letzte
       Chance vor den Landtagswahlen sein, sich wieder inhaltlich zu profilieren
       und doch noch aus dem Umfragekeller heraus zu kommen.
       
       25 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Strohschneider
       
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