# taz.de -- taz-Ticker von der Walpurgisnacht: Groß und friedlich
       
       > Die Demo im Wedding ist vorbei. Laut taz-Schätzung nahmen rund 4.000
       > Menschen teil, weit mehr als gedacht. Bis auf wenige Steinwürfe blieb die
       > Demo ruhig. Wie schon der gesamte Tag.
       
 (IMG) Bild: Unterstützung vom Balkon: Autonome zünden am Montagabend auf einem Hausdach an der Demoroute im Wedding Leuchtfeuer.
       
       ## 
       
       Das war's: Eine große Demo mit mehr Teilnehmern als gedacht, zufriedene
       Polizisten und Veranstalter und eine friedliche Nacht – wie es der Tag
       schon war. Wir verabschieden uns für heute Abend und danken für die
       Aufmerksamkeit. Am Dienstag geht es um 12 Uhr weiter, mit einem Liveticker
       zu den 1.-Mai-Ereignissen aus Berlin und Hamburg. Gute Nacht!!! 
       
       ## 00.10 Uhr: Geld holen wird schwierig
       
       Rathaus Wedding/Müllerstraße. In der Luft kreist noch immer ein
       Hubschrauber, der Straßenverkehr läuft wieder an, Polizeiautos rauschen in
       den Feierabend, die Banken bleiben bis Morgen um 8:00 Uhr geschlossen – aus
       „technischen Gründen“. Geld holen wird heute Nacht schwierig im Wedding.
       
       ## 00.00 Uhr: „Wurden Sie schon geschlagen?”
       
       Müllerstraße/S-/U-Bahnhof Wedding. Wieder eine Polizeidurchsage, dass die
       Veranstaltung seit 23 Uhr beendet ist und man sich in Kleingruppen zu den
       öffentlichen Verkehrsmitteln begeben möge. „Vielen Dank für ihr
       Verständnis.“
       
       Ein Mann hat überhaupt kein Verständnis. Er redet auf einen Beamten ein,
       der „Anti-Konflikt-Team“ auf seiner neongelben Warnweste stehen hat. Nicht
       alle Beamten trügen eine Nummer, beschwert er sich. Hinten auf dem Rücken,
       sagt der Beamte. „Wenn mir einer auf die Fresse hat, sehe ich den Rücken
       nicht“, sagt der Mann. „Wurden Sie heute schon geschlagen?“, fragt der
       Polizist. „Nein“, sagt der Mann. „Aber kann ja noch passieren.“
       
       ## 23.30 Uhr: Zugriff an der Müllerstraße
       
       Müllerstraße. Am S-Bahnhof Wedding hatte sich die Lage gerade beruhigt, da
       stürmen Polizisten auf eine kleine Frau zu und führen sie ab. Kurz empören
       sich die Herumstehenden, dann wird es wieder ruhig. Ein Mann sagt:
       „Scheiße, das war meine Freundin.“
       
       ## 23.23 Uhr: Ruhiger Polizeitag
       
       Müllerstraße. Die Polizei hatte offenbar einen ruhigen Abend. Ein Sprecher
       spricht von „vereinzelten, folgenlosen Flaschen- und Steinwürfen“,
       Festnahmen gab es keine. Die Demonstranten zerstreuen sich nach Ende der
       Demo, einige gehen wohl auch nach Hause, sagt die Polizei.
       
       ## 23.17 Uhr: Gerangel und Hubschrauber
       
       Müllerstraße/Luxemburger Straße. Demonstranten in der vordersten Reihe
       rufen: „Policia, Assassini“. Es gibt ein kurzes Gerangel zwischen
       Polizisten und Demonstranten. Einige Demonstranten wechseln offenbar auf
       die andere Straßenseite, jenseits des Grünstreifens. Ein Hubschrauber ist
       zu hören. Die Polizei gibt durch: „Die Veranstaltung ist beendet, wir
       bitten Sie in Kleingruppen das Gebiet zu verlassen.“
       
       ## 23.16 Uhr: Durchmischungsstrategie
       
       Kaum ist die Demonstration beendet, laufen Polizeieinheiten in die
       Menschenmengen. Das erinnert an eine Polizeistrategie, die die Beamten auch
       im vergangenen Jahr konsequent angewandt haben - die sogenannte
       „Durchmischung“, mit der verhindert werden soll, dass sich große
       Menschenmengen zusammenrotten. Dabei laufen Hundertschaften immer wieder
       kreuz und quer durch die Massen. In den vergangenen Jahren sorgte dies
       wiederholt für Ärger - weil Beamte dabei gern den Weg freischubsten und
       Umherstehende dies als Provokation empfanden.
       
       ## 23.10 Uhr: Demo beendet
       
       Müllerstraße. Das war ein Stein: An der Müllerstraße segelt ein einzelner
       Stein gegen die Glasfassade der türkischen Is-Bank. Die Scheibe
       zersplittert, hält die Widerstandsgeste jedoch aus. Auf mittlerer Höhe des
       Demonstrationszuges, an der Müllerstraße, Ecke Luxemburger Straße,
       verabschiedet sich der Mann am Lautsprecherwagen von den Demonstranten.
       
       „Zum Abschluss gibt es noch einen Evergreen aus der Jukebox der
       Revolutionsmusik.“ Ton Steine Scherben. Dann erklärt der Mann die
       Demonstration offiziell für beendet. Geht es nach Zählung der Veranstalter,
       so sollen sich bis zu 6.000 Menschen an der Demonstration beteiligt haben.
       
       ## 23.05 Uhr: Es regnet
       
       Müllerstraße. Die Strategie der Polizei ist deutlich zu erkennen. Zwar sind
       an einigen Straßenkreuzungen immer wieder Polizeieinheiten versammelt, der
       Demozug selbst wird aber nur am Anfang und am Ende von Polizisten
       begleitet, die Polizeipräsenz in unmittelbarer Nähe zu den Demonstranten
       ist verhältnismäßig gering. Der Berliner CDU Innensenator Frank Henkel
       hatte zuvor angekündigt, an der Polizeistrategie der vergangenen Jahre
       festzuhalten. Diese lautet: Zurückhaltung, aber konsequenter Eingriff bei
       Gewalt.
       
       Nach den hochsommerlich heißen Tagen fängt es nun zu regnen an.
       
       ## 23.03 Uhr: Demonstranten vs. Polizei
       
       Müllerstraße, Höhe Karstadt. Die Demonstranten haben Ketten gebildet, die
       Polizei hat die Straße mit rund hundert Beamten gesperrt. Die Polizisten
       laufen auf die Demonstranten zu.
       
       ## 22.50. Uhr: Video vom Demoende
       
       ## 22.45 Uhr: Flaschen lassen Polizei kalt
       
       Wedding. Die Nachrichtenagentur dpa meldet vereinzelte Flaschenwürfe gegen
       Polizeiautos. Augenzeugen hätten aber keine Schäden beobachtet, auch die
       Polizei halte sich zurück.
       
       ## 22.45 Uhr: Praktische Solidarität
       
       Antwerpener Straße/Ostender Straße. Das ist ein Hinweis darauf wie es
       weitergehen könnte: An der Ostender Ecke Antwerpener Straße knien vier
       Vermummte auf dem Boden und lockern Pflastersteine aus dem Bürgersteig.
       Vorbeiziehende Demonstrabten rufen „Solidarität muss praktisch werden –
       Feuer und Flamme den Abschiebebehörden.“
       
       ## 22.40 Uhr: Der „rote Wedding“ lebt ein wenig
       
       Wedding. „Siehste, der rote Wedding ist doch noch nicht tot“, sagt ein
       Mann, Mitte 50, zu seinem Begleiter. Er hat ein schwarzes Sakko an, trägt
       ein schwarzes Hemd und raucht eine Zigarette. Um ihn herum skandieren die
       Menschen kraftvolle Parolen, auf vielen Balkonen stehen die Anwohner und
       schauen aus dem Fenster. Einzelne von ihnen schwingen die rote Fahne und
       klatschen den Demonstranten zu.
       
       ## 22.25 Uhr: Feuerwerk in der Sprengelstraße
       
       Sprengelstraße/Ecke Torstraße. Am Ende der Sprengelstraße stehen Autonome
       auf einem Häuserdach und halten bengalische Feuer in die Höhe. Ein rotes
       [1][Leuchtfeuer] erhellt den Himmel. Aus der Demo kommt spontaner Jubel,
       Applaus und mehr Parolen.
       
       ## 22.20 Uhr: taz vs Polizei
       
       Burgsdorfstraße. Die letzten Demonstranten biegen in die Burgsdorfstraße
       ein. Nach taz-Schätzungen beteiligen sich derzeit rund 4.000 Demonstranten
       an der Demonstration. Das ist weit mehr als gedacht. Gerechnet hatte die
       linke Szene mit rund 1.500 Demonstranten. Die Polizei schätzt die Zahl der
       Teilnehmer derzeit auf 1.100 („Wir liegen deutlich drunter“). Bisher sei
       noch nichts Schlimmes passiert. „Alles ruhig, bis auf die Parolen“, sagte
       ein Sprecher taz.de.
       
       An dieser Stelle auch einmal Grüße an die Polizei, die sicherlich auch hier
       mitliest. Das hat sie jedenfalls in der Vergangenheit stets getan.
       
       ## 22.10 Uhr: Stille in Kreuzberg
       
       Mariannenplatz. Alles ruhig in Kreuzberg. Am Strassenrand liegt ein Stapel
       rot-weißer Absperrgitter – die braucht hier aber keiner. Es ist dunkel und
       still rund um den Platz. Richtig Stimmung ist nur in der „Alt-Berliner
       Eckkneipe“. Auch in der nahen Oranienstraße geht es gelassen zu: Die
       Menschen sitzen vor den Cafės und Pizzerien, der Verkehr läuft flüssig, auf
       dem Gehweg torkelt ein Rockerpaar Richtung Kotti, keine Polizei weit und
       breit.
       
       ## 22.10 Uhr: „Hoch die internationale Solidarität“
       
       Müllerstraße. Die Demo bewegt sich mit schnellem Tempo. Die Protestierenden
       rufen: „Ganz Berlin hasst die Polizei“, „Alerta, Alerta, Antifaschista“ und
       „Hoch die internationale Solidarität“.
       
       ## 21.59 Uhr: Es geht los
       
       Müllerstraße. Der Demonstrationszug setzt sich in Bewegung. Die Polizei
       schätzt die Zahl der Teilnehmer auf knapp unter Eintausend, unsere Reporter
       vor Ort gehen aber von mindestens 2.000 Protestierenden aus.
       
       ## 21.45 Uhr: Das Maul aufgerissen
       
       Müllerstraße. „Hände weg vom Wedding!“ steht auf dem vordersten Transparent
       des Demonstrationszuges, der noch steht, aber sich nun nach und nach
       formiert. Ein blaues Monster darauf reißt das Maul soweit auf, als wollte
       es die Protestierenden fressen. Die reißen ihrerseits das Maul auf – und
       skandieren: „Ganz Berlin hasst die Polizei.“
       
       ## 21.40 Uhr: Gegen Arschlöcher und Nazis
       
       Gerichtstraße/Adolfstraße. Das Konzert ist vorbei. Von der Bühne aus der
       Aufruf, jetzt zur Demo zu gehen. „Den Arschlöchern zeigen, wo der Hammer
       hängt.“ Und morgen, so schallt es den Demonstranten entgegen, sollen sie
       die NPD-Kundgebungen stören: „Die werden ihre scheiß Kundgebung nirgends
       durchführen können.“
       
       ## 21.34 Uhr: Grillen im Görli
       
       Görlitzer Park. Während sich im Wedding die Antifa bereit macht zur Demo
       wird in Kreuzberg gechillt. Im Görlitzer Park wird gegrillt, Gitarre und
       Flunky-Ball gespielt. Richtig viel los ist nicht mehr, der Park liegt im
       Dunkeln. Keine Polizei weit und breit, dafür fängt der aufkommende Wind zu
       stören an. (Jackenpflicht!)
       
       ## 21.30 Uhr: Farbklekse an der Arbeitsagentur
       
       Müllerstraße. Die Zivilpolizei ist bereit, die behelmten Beamten sind es
       auch. Am S-Bahnhof Wedding formiert sich in dieser Minute der
       Demonstrationszug. Die obligatorischen Antifafahnen sind reichlich präsent
       und die Masse der Demonstranten ist noch unübersichtlich. Aber es dürften
       inzwischen mehr als 1.000 Menschen versammelt sein. Nur wenige Meter von
       hier hat die Arbeitsagentur ihren Sitz. Sie war in der letzten Nacht schon
       Objekt des Interesses widerständigen Handelns geworden: Die gläsernen
       Eingangstüren sind zersplittert und bunte Farbbeutelklekse zieren die
       Fassade. Heute wird ihr besonderer Schutz durch die Polizei zuteil.
       
       ## 21.30 Uhr: Entspannt feiern im Mauerpark
       
       Mauerpark. Im Mauerpark ist die Stimmung wie immer: Es wird getrommelt, auf
       dem Basketballplatz ist Lagerfeuer, aus Plastikbechern wird Bier getrunken.
       In kleinen Trauben feiern hier rund 1.000 Menschen während die Polizei
       entspannt spazieren geht.
       
       ## 21.20 Uhr: Gleich geht's los
       
       Gerichtsstraße. Soll man es Punkrock nennen oder Geschrei? Wie auch immer:
       nach besinnlicher Abendstimmung hört sich die Bühnenperformance in der
       Gerichtsstraße im Wedding noch nicht an. „Wir sind kurz vor dem Ende“, ruft
       der Frontmann der Hardcore Band „Crushing Caspars“ ins Mikrofon. Noch
       einmal wackelt der Bühnen-LKW. Die Veranstalter packen schon ihre Sachen
       zusammen und wollen dann die Konzertveranstaltung offiziell auflösen. Es
       ist inzwischen dunkel.
       
       Einzelne Grüppchen tingeln langsam los in Richtung S-Bahnhof Wedding. Dort
       sollte eigentlich um 21 Uhr die Demo starten, auf die Sicherheitsbehörden
       in Berlin mit Spannung blicken. Sie könnte heute Abend ein Gradmesser für
       die Stimmung für morgen rund um den 1. Mai in Kreuzberg sein. Berlins neuer
       CDU-Innensenator Frank Henkel und die Sicherheitsbehörden gaben sich im
       Vorfeld der Maifestspiele allerdings betont entspannt.
       
       ## 21.20 Uhr: Hallo BZ, guten Abend Tagesspiegel
       
       Die Kollegen von der BZ sind auch dabei mit einem [2][Liveticker]. Ebenso
       wie der [3][Tagesspiegel]. Lieben Gruß aus der Rudi-Dutschke-Straße!
       
       ## 21.15 Uhr: Demobeginn verzögert
       
       Eigentlich sollte die Demo am U-Bahnhof Wedding um 21 Uhr beginnen. Doch
       der Start verzögert sich.
       
       ## 20.45 Uhr: Gut 1.000 Teilnehmer im Wedding
       
       Wedding. Die taz-Reporter schätzen, dass kurz vor Demobeginn im Wedding
       rund 1.000 Protestierende vor Ort sind. In wenigen Minuten soll der Demozug
       unter dem Motto „Nimm was dir zusteht“ beginnen. Noch läuft das Konzert.
       
       ## 20.45 Uhr: Mythologie im „roten Wedding“
       
       Wedding. „Der rote Wedding“ – das ist die selbstbewusste Zuschreibung, mit
       der Arbeiter in Berlin seit langem liebevoll ihren Kiez bezeichnen. Das
       Stadtviertel, auf dem in dieser Walpurgisnacht der Fokus der Öffentlichkeit
       liegt, ist ein traditioneller Arbeiterkiez, der historisch geprägt ist von
       Arbeitern und Geringverdienern. In einem Arbeiterkampflied, komponiert von
       Hanns Eisler, getextet von Erich Weinert, wird mit dem „roten Wedding“ dem
       sogenannten Blutmai gedacht, bei dem Anfang Mai 1929 in Berlin mindestens
       32 Menschen von Berlin erschossen wurden, davon zahlreiche im Wedding.
       
       Erich Weinert wurde 1931 wegen dieses Liedes verklagt – unter anderem wegen
       „Aufreizung zum Klassenhass“. Dass die Walpurgisnacht, die seit Jahren
       geprägt ist von Auseinandersetzungen mit der Polizei, in diesem Jahr in
       diesem Stadtviertel stattfindet, beruht also auch auf einem Teil
       mythologischer Folklore.
       
       Allerdings nicht nur: Der Kiez, der heute überwiegend türkisch geprägt ist
       und eine der höchsten Dichten an Hartz-IV-Empfänger der Hauptstadt hat, hat
       in einigen Gebieten in den letzten Jahren einen starken Zuzug von Studenten
       und Kreativen zu spüren bekommen. Die Stadt versucht außerdem, junge
       Modeschaffende im Wedding anzusiedeln. Dementsprechend sind in manchen
       Gebieten die Mieten in den letzten Jahren gestiegen.
       
       ## 20.30 Uhr: Botschaften auf der Brust
       
       Gerichtstraße. Wer wissen will, was für Leute hier sind, muss auf die
       T-Shirts schauen: Vertreten sind vom hippiemäßigen „Spread love“ über das
       flüchtlingsfreundliche „Kein Mensch ist illegal“ bis zum antirasssistischen
       „Good night white pride“ viele Statements aus dem linken Spektrum. Auch
       eine verbal härtere Fraktion ist vertreten: „Anticops. Berlin Hardcore“ und
       „Die Yuppie Scum“. Und wem das passende T-Shirt fehlt, der kann sich eines
       von denen kaufen, die auf dem Gehweg angeboten werden. Darauf gedruckt sind
       die Konterfeis von Rosa Luxemburg und Salvador Allende.
       
       ## 20.15: Kopftuch und Irokesenschnitt
       
       Nettelbeckplatz. Es sind zwei Communities mit recht unterschiedlichem
       Fanpotenzial. Bei den einen herrscht das Kopftuch vor, die anderen
       bevorzugen gerne einen Irokesenschritt. Beim vierten Kulturfest am
       Nettelbeckplatz, nur wenige Meter vom 1. Mai-Brimborium entfernt, hat der
       benachbarte Weddinger Moscheeverein zu Kebap und Wasserspielen eingeladen.
       Das ist auch ein Ausdruck dieses Berliner Kiezes: Sie stehen zwar nur in
       Sichtweite voneinander entfernt, aber sind sich doch nicht wirklich nahe.
       
       ## 19.55 Uhr: Essen gegen Spende
       
       Gerichtstraße. Inmitten des abgesperrten Konzertbereiches hat die
       „Abfallküche“ ihren Stand aufgebaut: Zwei Lastenfahrräder mit Brett über
       dem Gepäckträger. Eine junge Frau schöpft Reis, Gemüsecurry und Salat auf
       Plastikteller. Sie haben schon auf dem Occupy-Camp gekocht und auf
       Anti-Acta-Demos, erzählt Pippa, 24, in einer Mischung aus Deutsch und
       Englisch.
       
       Das Essen holen sie aus Supermarkt-Containern oder lassen es sich schenken.
       Ausgabe gegen Spende. Pippa kommt aus Liverpool und wohnt seit sechs
       Monaten im Wedding, sie hat ein Praktikum gemacht und jobbt. „Die
       Gentrifizierung verläuft hier so schnell“, sagt sie. Sie hat von Mietern im
       Kiez gehört, die 20 Jahre in ihrer Wohnung sind und jetzt dreimal soviel
       Miete zahlen sollen. Deshalb will sie heute gegen Gentrifizierung
       demonstrieren.
       
       ## 19.35 Uhr: Taschenkontrollen und Flaschenverbot
       
       Mauerpark. Im Mauerpark im Prenzlberg feiern am Abend bereits mehr als 1000
       Menschen. Dort sowie bei der Demo im Wedding kontrolliert die Polizei
       Taschen und Rucksäcke. Es gilt ein Verbot von Glasflaschen. Sie waren in
       früheren Jahren auch als Wurfgeschosse gegen Polizisten eingesetzt worden.
       Großflächige Parkverbote wurden eingerichtet, im Mauerpark durfte nicht
       gegrillt werden. (dpa) 
       
       ## 19.30 Uhr: Mehr Musik als Politik
       
       Wedding. Musik dröhnt aus den Lautsprechern. Immer mehr Menschen strömen in
       den Wedding. Hier gibt es diese Protestveranstaltungzum ersten Mal; in den
       vergangenen Jahren wurde sie meist in Friedrichshain ausgerichtet. Viele
       singen, lachen und tanzen. Politische Reden gibt es kaum. (dapd) 
       
       ## 19.20 Uhr: „Hier wird offen gekifft“
       
       Gerichtsstraße. Das Rentnerehepaar huscht über den Platz an der
       Gerichtsstraße in Berlin-Wedding an wild tanzenden Jugendlichen vorbei.
       Eigentlich wollten die Eheleute am Montagabend noch schnell einkaufen. Doch
       die meisten Geschäfte haben zu dieser Zeit bereits geschlossen. Der
       71-Jährige schaut zurück und bemerkt: „Hier wird offen gekifft, ich kann
       nicht erkennen, dass diese Veranstaltung etwas mit Arbeiterinteressen zu
       tun hat.“ (dapd) 
       
       ## 19.15 Uhr: Plastikbecher von Polizisten
       
       Gerichtstraße/Adolfstraße. Die Polizisten sind so nett und verteilen
       Plastikbecher, in die man sein Bier oder seine Clubmate umfüllen. Denn
       Glasflaschen sind beim Konzert, das vor der Demo stattfindet, verboten.
       Mehr als 600 Leute sind da, die meisten zwischen 20 und 30 Jahre alt, aber
       auch ein paar ältere Punks und Kinder. „Schön, dass ihr da seid, Leute“,
       ruft der Mann auf dem Bühnen-LKW, „Ich bin Holger Burner aus Hamburg, ich
       mach Klassenkampf-Rap.“ Er liest eine Erklärung vor:
       Genterfizierungs-Definition und was das für den Wedding bedeutet. Die
       Müllerstraße drohe zur zweiten Kastanienallee zu werden, „da kommt mir nur
       das Kotzen.“
       
       ## 18.30 Uhr: Sommerliche Feierstimmung
       
       Berlin. Nicht nur im Wedding wird heute gefeiert und demonstriert. Auch im
       Mauerpark haben sich am frühen Abend schon über 1.000 Feierfreunde
       versammelt. Die Polizei ist vor Ort. Bisher sei die Stimmung bei
       sommerlichen Temperaturen „friedlich und entspannt“.
       
       Auch im Görlitzer Park und in der Hasenheide haben sich jeweils mehrere
       hundert Menschen versammelt. Die Polizei ist auch hier vor Ort. (taz/dapd) 
       
       ## 18.20 Uhr: Gespannte Ruhe
       
       S/U-Bahnhof Wedding / Müllerstraße . Entlang der Müllerstraße stehen
       mehrere Dutzend Polizeimannschaftswagen. Die Polizisten warten auf ihren
       Einsatz, manche haben schon ihren Körperpanzer angelegt. Einige Läden
       schützen die Schaufenster mit Bretten, nicht so der Möbelladen direkt
       gegenüber dem U-Bahn-Eingang. Stattdessen hängt hier Zettel, auf dem in
       roter Schrift steht: „Der 1. Mai ist auch unser Fest!“
       
       ## 17.50 Uhr: Friedlicher Protestbeginn
       
       Berlin. Begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot haben am Montag in
       Berlin die ersten Protestaktionen linker Gruppen zum 1. Mai begonnen. Zum
       Auftakt starteten am Nachmittag Demonstranten eine „Antikapitalistische
       Walpurgisnacht“ im Wedding, bei der vor allem gegen die Verdrängung von
       Anwohnern durch steigende Mieten protestiert wurde. Am Abend wollten
       Autonome durch das Viertel ziehen. Erwartet werden bis zu 1.500 Teilnehmer.
       Ab 21.00 Uhr wollten sie unter dem Motto [4][„Nimm was Dir zusteht“] durch
       den Wedding ziehen.
       
       Die Organisatoren des Protestzuges durch den früheren Arbeiterbezirk
       schlossen Sachbeschädigungen nicht aus. Parallel dazu war ein Fest im
       Mauerpark im Bezirk Prenzlauer Berg geplant, bei dem in den 1. Mai
       hineingefeiert werden sollte.
       
       Schon vor Beginn der Veranstaltungen den Protestaktionen kam es zu
       kleineren Zwischenfällen. So beschädigten rund 25 vermummte Steinewerfer in
       der Nacht zum Montag eine Bankfiliale, ein Jobcenter wurde mit Farbeiern
       beworfen. Der Staatsschutz ermittelt. In der Nacht zum 1. Mai gab es in den
       vorigen Jahren immer wieder Krawalle von jungen Linksautonomen in Berlin.
       
       Innensenator Frank Henkel machte sich am Nachmittag ein Bild von der Lage.
       Der CDU-Politiker rief die Demonstranten erneut zu gewaltfreien Protesten
       auf. „Alle haben Anspruch auf einen friedlichen 1. Mai“, sagte Henkel. Rund
       um die Walpurgisnacht und den Tag der Arbeit sichern etwa 7.000 Polizisten
       Kundgebungen und Veranstaltungen ab. (dpa/dapd) 
       
       ## ***
       
       Wir berichten heute bis in die Nacht von der Walpurgisnacht in Berlin und
       morgen vom 1. Mai in Berlin und Hamburg. 
       
       Am Montag für uns auf der Straße sind taz-Reporter Sebastian Erb, Jasmin
       Kalarickal und Martin Kaul. 
       
       In der Berliner Zentrale kümmern sich Lalon Sander und Paul Wrusch um den
       Liveticker.
       
       1 May 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://twitter.com/#!/wk_wermke/status/197058782180810753
 (DIR) [2] http://www.bz-berlin.de/erster-mai/der-live-ticker-zur-walpurgisnacht-article1446320.html
 (DIR) [3] http://www.tagesspiegel.de/berlin/erstermai/live-ticker-berliner-feiern-zunaechst-friedlich-in-den-mai/6574440.html
 (DIR) [4] /Walpurgisnacht/!92376/
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) 1. Mai deutschlandweit: Demos gegen rechte Gewalt
       
       Zehntausende Menschen feiern bundesweit den Tag der Arbeit. Die
       Gewerkschaften fordern Konjunkturpaket und Mindestlöhne. Tausende
       protestieren gegen Fremdenfeindlichkeit.
       
 (DIR) Walpurgisnacht: Linke entdecken den Wedding
       
       Ein Bündnis mobilisiert zu Konzert und Demo am Montag. Im Wedding würde die
       Verdrängung gerade beginnen. Viele Anwohner haben Angst vor Krawallen.
       
 (DIR) Hoffnung für Berliner Alternativprojekte: Vorfahrt für Freiräume
       
       In Berlin organisieren viele bedrohte Alternativprojekte clever ihre
       dauerhafte Rettung. Stiftungen und Genossenschaften spielen eine
       entscheidende Rolle.
       
 (DIR) Zoff um Demo-Route: Auf Umwegen zum 1. Mai
       
       Die Polizei verbietet Teile der 1. Mai-Demo ins Zentrum. Antifa-Bündnis
       wertet das als "Affront" und rüstet rhetorisch auf.