# taz.de -- Zum 100. Geburstag: Springers Passion
       
       > Am Mittwoch wäre der Verleger Axel C. Springer 100 geworden. Er sammelte
       > Zeitungen, Gegner – und vor allem Fayence-Teetische. Geschmackssicherheit
       > nicht garantiert.
       
 (IMG) Bild: Eine Springer-Sammelleidenschaft: Zeitungen und Zeitschriften.
       
       SCHLESWIG taz | Für die meisten Menschen ist er der umstrittene
       Großverleger, dessen Bild-Zeitung Schlagzeilen um jeden Preis jagte; für
       andere wieder der Jäger der Wiedervereinigung, erst als neutraler
       Gesamtdeutscher, dann als strammer Antikommunist. Doch all das wird Axel C.
       Springer nicht gerecht. Denn wonach er am meisten strebte, waren –
       Teetische.
       
       Natürlich nicht irgendwelche, das macht Ulrich Schneider beim Rundgang auf
       Schloss Gottorf gleich vorweg mal klar: Springer sammelte Teetische mit
       Fayence-Platten, überhaupt Fayence des Ostseeraums in all ihren
       Erscheinungen. Also nicht etwa Porzellan, dieses teurere, filigran-edlere
       Pendant, das ab dem Ende des 18. Jahrhunderts die Fayence mehr und mehr
       verdrängte.
       
       Sondern die etwas schwerere, manchmal geradezu klobige Geschirr-Nebenlinie
       aus ungesintertem Ton, deren Blütezeit in Nordeuropa im 17. und 18.
       Jahrhundert lag. Und da vor allem eben: Teetische, „er hat alle
       Erscheinungsformen des Teetisches haben wollen“, sagt Schneider, der hier
       am Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum die Fayence-Sammlung kuratiert.
       
       Ein großer Teil stammt aus der Sammlung Axel Spingers, nach dem Tod des
       Verlegers ist sie bei der Auflösung seines „Wochenendhäuschens“, der
       veritablen Gutsanlage Schierensee, von Friede Springer dem Museum geschenkt
       worden. Dabei machte der Verleger keinen Unterschied zwischen der
       höfisch-eleganten Fayence der diversen Adelssitze, die jede ihre eigene
       Manufaktur privilegierten – und eher bürgerlichen, manchmal sogar
       derb-bäuerlichen Erscheinungsformen.
       
       Die Teetische sind natürlich fast alle von Adel, wer konnte sich die
       „Alcopos des 18. Jahrhunderts“ (Schneider), also die neuen, stimulierenden
       Modegetränke wie Tee, Kaffee und Kakao, auch sonst schon leisten. Nun
       hatten diese Heißgetränke einen gravierenden Nachteil für die – darin der
       heutigen Ikea-Spanplatte gar nicht unähnlichen – Lackmöbel der Salons und
       Boudoirs: Sie waren – heiß, zu heiß, und zack, war der Lack ab. Also musste
       für die Teetisch-Platte hitzebeständiges Material her, das es auch nicht
       übelnahm, wenn es bei allzu stimuliertem Nachschenken mal ’ne Pfütze gab –
       Fayence passte prima. Auch wenn sie, anders als Porzellan, noch einer
       Glasur bedarf, um wirklich dicht zu sein.
       
       Weiter geht es auf Gottorf, Teetisch über Teetisch, in den Vitrinen dazu
       Vasen, Schalen, Tafelaufsätze. Manche streng einfarbig bemalt, andere knall
       bunt. „Die Manufaktur Schleswig erkennt man an der Manganglasur“, sagt
       Schneider, „die hatten kein Privileg für Blau“ – auch die Verwendung
       bestimmter Farben, lernt der Besucher, war an herrschaftliche Genehmigungen
       gebunden.
       
       Springer hatte neben dem Praktischen (Teetische, Teller, tiefe Tassen),
       dabei aber genau so einen Faible für Skurriles.
       
       ## Darauf einen Bischof!
       
       Auch wenn er es zu seinem Lebensende mit dem lieben Gott, den Engeln und
       den Sternen hatte, zieren seine Sammlung mehrere „Bischöfe“, also Gefäße
       für die heiße Rotweinbowle gleichen namens. Wo die gleichnamigen
       Geistlichen, vor allem die katholischen, dem Volk Enthaltsamkeit predigten,
       nahmen die Renitenz in Glaubenssachen nicht abgeneigten, überwiegend
       protestantischen Nordlichter ihren „Bischof“ gleich aufs Korn – und nicht
       nur im übertragenden Sinne zur Brust.
       
       Aus großen Fayence-Bowlegefäßen, die wie eine Bischofsmütze geformt waren –
       oben auf dem Deckel neckisches Kreuz und drunter gemaltes Saufgelage.
       „Interkonfessionelle Spannung per Fayence ausleben – so etwas hätte
       Springer bestimmt gefallen“, meint Schneider.
       
       Der Verleger hat Prunkschiffe aus Fayence gesammelt, die im praktischen
       Einsatz Rotwein enthielten, einen brüllenden Löwen auf einer Schale, die
       vom Gesamteindruck eher einem kruden Batzen Lehm ähnelt, oder auch die
       „Wöchnerinnenschale“ für junge Mütter, mit einer dem Kind die Brust
       gebenden Amme obendrauf. Selbst Engelsfigürchen-Nippes, der schon vor 250
       Jahren so aussah, als hätte die Tochter des Hauses im Kindergarten mit Fimo
       für Mutti zu Weihnachten geknetet, ist dabei.
       
       „Klar ist das nicht alles geschmackssicher“, sagt auch Schneider, „aber
       mindere Stücke haben für Axel Springer genauso dazu gehört, er war offen
       für die ganze Vielfalt und der Fayence mit Leidenschaft und Seele
       zugewandt“. Denn mal ehrlich: „Wenn Sie nicht Feuer und Flamme sind,
       sammeln Sie Teetische nicht auch noch nach Gestellformen“, so Schneider.
       
       Der harte Knochen Axel Springer – ein sanfter Sammler? Er habe sich wohl
       über nichts so sehr gefreut, als wenn ein Besucher als Gastgeschenk einen
       Teller aus der benachbarten Fayence-Manufaktur Kellinghusen mitbrachte,
       erzählt dazu passend Heinz Spielmann, von 1986 bis 1998
       Landesmuseumsdirektor von Schleswig-Holstein.
       
       Allerdings war die Präsentation in Schierensee, so belegen alte Aufnahmen,
       mal eher von einer Art horror vacui beseelt: Alles hing dicht aufeinander.
       Was wäre eigentlich passiert, wenn Axel Springer am Ende nicht Friede,
       sondern Marion Gräfin Dönhoff geheiratet hätte? Sei’s drum: Seine
       Begeisterung für Fayence hatte wohl schon 1967 begonnen, bei Ausgrabungen
       auf einem Familiengrundstück in Altona, wo einst eine Fayence-Manufaktur
       bestanden hatte.
       
       Zudem ergeben sich für Spielmann auch Bezüge zum homo politicus Axel Cäsar
       Springer: 1968 hatte der Verleger Gut Schierensee gekauft. Das dort
       aufgefundene Monogramm „CS“, das auch zu Springer passte, verwies auf den
       Erbauer Caspar von Saldern, der im 18. Jahrhundert die Politik im
       Ostseeraum zwischen Dänemark, Schleswig-Holstein und Russland durch kluge
       Diplomatie vorangebracht hatte, bis er 1773 in Ungnade fiel. „Springer sah
       von Saldern als frühes Exempel für die Einigung Europas, die ja auch ihm am
       Herzen lag“, sagt Spielmann.
       
       ## Preistreiber Axel S.
       
       Dazu passt auch wieder die Fayence des Ostseeraums, die aus allen damals
       beteiligten Staaten stammt. Als Springer sie ab 1970 bis zu seinem Tod 1985
       sammelte, lag ihr Preis höher als heute – auch Kunst und Kunsthandwerk sind
       Moden unterworfen.
       
       Und natürlich gibt es die schöne Anekdote, dass Antiquitätenhändler
       seinerzeit schon mal die Preise hochsetzten, wenn ruchbar wurde, dass Axel
       Cäsar Springer auf einer Auktion für den unvermeidlichen Teetisch mitbieten
       ließ.
       
       Bei aller Galanterie, die auch Springer zu eigen war: Ein interessantes
       Stück der Gottorfer Fayencen-Sammlung stammt nicht aus seiner Sammlung: Das
       Bourdalou von 1768 mit der Inschrift „Au plaisir des Dames“ mit Loch im
       Boden diente höheren Ständen zur körperlichen Erleichterung unterm Reifrock
       während des Gottesdienstes, falls sich die Predigt mal wieder in die Länge
       zog und die Blase zwickte.
       
       Es kommt allerdings auch nicht aus dem Ostseeraum – sondern aus der
       Fayence-Manufaktur Strasbourg.
       
       2 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Steffen Grimberg
       
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