# taz.de -- Hebammen fordern bessere Bedingungen: Protestgeburt mitten auf der Straße
       
       > Die Versicherungskosten von Hebammen haben sich seit 2003 fast
       > verdreifacht. Beim Protest vor dem Gesundheitsministerium fordern sie
       > eine bessere Bezahlung.
       
 (IMG) Bild: Hebamme und Babypuppe beim Protest.
       
       MAINZ/BERLIN taz/dpa | Simulationen von geplatzten Fruchtblasen und einer
       Sturzgeburt mitten auf der Straße: Dutzende Hebammen haben anlässlich des
       Internationalen Hebammentages am Samstag mit einer Protestaktion vor dem
       Bundesgesundheitsministerium in Berlin für bessere Arbeitsbedingungen
       protestiert.
       
       „Das Problem ist, dass wir angesichts der hohen Verantwortung, die wir
       tragen, nicht angemessen vergütet werden“, sagte die Vorsitzende des
       Berliner Hebammenverbandes, Susanna Rinne-Wolf, am Freitag.
       
       Freiberufliche Geburtshelferinnen verhandeln derzeit mit den gesetzlichen
       Kassen über eine Anhebung ihres Gehalts. Gleichzeitig protestierten die
       Frauen gegen die steigende Berufshaftpflichtprämie.
       
       Die rund 18.000 Hebammen in Deutschland machen seit geraumer Zeit darauf
       aufmerksam, dass die Haftpflichtversicherung für die Berufsgruppe nicht
       mehr zu stemmen sei. Die Summe stieg laut Hebammenverband von von 1.218
       Euro im Jahr 2003 auf 4.242 Euro im Jahr 2012. Freiberuflich tätigen
       Hebammen bleibt nach Abzug aller Kosten oft nur ein Stundenlohn von knapp 7
       Euro. Dabei arbeitet ein Drittel von ihnen mehr als 50 Stunden in der Woche
       – davon eine erhebliche Anzahl nachts.
       
       Dies führt dazu, dass Hebammen die Geburtshilfe ganz aufgeben oder Eltern
       sie privat bezahlen müssen, weil die Gebühren, die die Krankenkassen
       zahlen, nicht ausreichen.
       
       Am Freitag veröffentlichte das Gesundheitsministerium ein Gutachten des
       Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung, das diesen Trend
       bestätigte: Innerhalb der zurückliegenden 20 Jahre hat sich die Zahl der
       fest angestellten Hebammen in den Kliniken um fast 30 Prozent erhöht. Die
       freiberuflichen Hebammen konzentrierten sich auf die Vor- und Nachbetreuung
       oder ließen sich zur Familienhebamme fortbilden.
       
       ## Kein Handlungsbedarf
       
       Das von Daniel Bahr (FDP) geführte Ministerium sieht aber keinen akuten
       Handlungsbedarf: in Deutschland sei „eine flächendeckende und wohnortnahe
       Versorgung in der Regel gewährleistet“. Man erwarte vielmehr von den
       Krankenkassen, „dass auch der im Sommer dieses Jahres zu erwartende Anstieg
       der Prämien im Rahmen der Vergütungsverhandlungen angemessen berücksichtigt
       wird, um eine finanzielle Überforderung der Hebammen zu verhindern“.
       
       Bisher sind die Hebammen aber bei den Verhandlungen mit den Kassen auf
       Granit gestoßen. Auch wenn sich Hebammen umorientieren und eher die
       Familien als die Geburten betreuen, verdienen sie nicht viel. Denn auch
       dieser Bereich ist gesetzlich noch nicht geregelt. Sorgen Hebammen über die
       Regelleistungen hinaus im Rahmen der „Frühen Hilfen“ für das Wohl von
       Kindern, erbringen sie diese Leistungen oft komplett unentgeltlich.
       
       Nicht alle Länder verfolgen dabei das Konzept der Familienhebamme, die
       speziell in Risikofamilien zum Einsatz kommen. Rheinland-Pfalz etwa will
       die Berufsgruppen breitenwirksam für die Belange von Familien zu
       sensibilisieren und über die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe zu
       informieren.
       
       Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) will mit dem im Januar in
       Kraft getretenen Gesetz auch den Aus- und Aufbau von Netzwerken „Frühe
       Hilfen“ und den Einsatz von Familienhebammen in den Ländern und Kommunen
       stärken. 51 Millionen Euro soll es dafür jährlich geben.
       
       4 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) M. Diehl
 (DIR) H. Oestreich
       
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