# taz.de -- Lebensqualität: Mehr Stille, mehr Stadt
       
       > Die Grünen wollen den Lärm bekämpfen: Die Verkehre sollen weniger und vor
       > allem langsamer werden, Flugzeuge und Anwohner nachts schlafen
       
 (IMG) Bild: So beschaulich und leise wie hier ist's auf der Hochstraße nur am autofreien Sonntag
       
       800.000 zusätzliche Euro für Lärmschutz wollen die Grünen bei den am
       Mittwoch beginnenden Haushaltsverhandlungen durchsetzen. Bislang sind dafür
       nur 250.000 Euro vorgesehen. „Lärm ist ein Umweltgift, das potenziell krank
       macht“, sagt Kirsten Kappert-Gonther, gesundheitspolitische Sprecherin.
       
       Über eine Million gesunde Lebensjahre würden in Westeuropa jährlich durch
       Verkehrslärm verloren gehen, zitieren die Grünen die
       Weltgesundheitsorganisation WHO – sei es durch Erkrankung, Behinderung oder
       vorzeitigen Tod. In einem Positionspapier listen sie deshalb konkrete
       Vor-Ort-Maßnahmen auf. Neu ist dabei die Forderung nach Tempo 40 für die
       Busse der BSAG: Bei Tempo 30, wie ansonsten flächendeckend für Wohnstraßen
       gefordert, müssten die Automatikgetriebe ständig zwischen zweitem und
       drittem Gang hin- und herschalten. Zudem erfordere Tempo 30 die
       Bereitstellung zusätzlicher Fahrzeuge, erklärt der grüne Verkehrspolitiker
       Ralph Saxe. Straßenbahngleise sollen vermehrt in Rasenbetten verlegt
       werden.
       
       Mit 200.00 Euro im laufenden Jahr und 600.000 in 2013 sollen zunächst
       „neuralgische Lärmpunkte“ wie die „Oldenburger Kurve“ entschärft werden.
       Bremenweites Ziel ist ein Dauerschallpegel von 65 Dezibel tags und 55
       Dezibel nachts – jeweils fünf Dezibel weniger als derzeit zulässig, aber
       immer noch zehn mehr, als von der WHO empfohlen. Kappert-Gonther: „Lärm,
       der sich eingräbt ins Nervensystem, ist neben Feinstaub unsere größte
       Umweltbelastung.“
       
       Ein besonderes Anliegen der Grünen ist die „Entdröhnung des Hauptbahnhofs“.
       Niedrige Schallmauern sollen das Bremsgeräusch der Züge reduzieren, der
       durchfahrende Güterverkehr umgeleitet oder verlangsamt werden. Saxe weiß um
       die diesbezüglichen Grenzen der Landespolitik: Nicht einmal der Bund kann
       der Bahn ein Tempolimit abverlangen.
       
       Immerhin kann Bremen Modellquartiere für Carsharing fördern. Im
       Koalitionsvertrag wurde eine Verdreifachung der Nutzer auf 20.000
       angekündigt, Saxe betont: „Mit jedem neuen Carsharing-Auto können wir
       sieben bis zehn Privatautos sparen.“ Weitere Maßnahmen: Tempolimits auf
       wohnortnahen Autobahn-Abschnitten, sofern dort keine Lärmschutzwände
       vorhanden sind, Flüsterasphalt und ein achtstündiges Nachtflugverbot.
       
       Nun möchten die Grünen keinesfalls als Leisetreter wahrgenommen werden.
       „Wir wollen die Stadt in ihrer ganzen urbanen Schönheit erhalten“,
       versichert Saxe, Kappert-Gonther assistiert: „Wir haben nichts gegen eine
       vitale Lärmentwicklung“ – womit zum Beispiel Kindergeschrei gemeint sei.
       Carsten Werner, bei den Grünen für Stadtentwicklung zuständig, stellt sich
       stromlose Stadtfeste vor, zumindest in Bezug auf Musik: „Unplugged kann man
       auch sehr schön feiern“, sagt der bisherige Breminale-Macher.
       
       Auch Wilfried Eisenberg, der neue Vorsitzende der BSAG, hat eine Idee:
       Unter dem Motto „Güter auf die Schiene“ denkt er über den nächtlichen
       Einsatz seiner Straßenbahnen für die Warenanlieferung nach. Werner: „Ruhe
       und Stille sind Standortqualitäten, die sich volkswirtschaftlich
       auszahlen.“
       
       Was fehlt im Positionspapier? Das Reizwort „Kopfsteinpflaster“ – hier
       herrscht bei den Grünen keine Einigkeit. Der Holperbelag löst parteiintern
       fast so etwas wie einen Kulturkampf aus, bei dem sich Stadtbildbewahrer und
       Lärmpragmatiker gegenüberstehen. Aktuelles Beispiel: Der Streit bei den
       Grünen der Östlichen Vorstadt um die Glättung der Grundstraße. Nicht nur
       die Rollstuhlfahrer des anliegenden Seniorenanlage tun sich mit den
       dortigen Straßenkratern schwer.
       
       Für CDU-Fraktionsvize Heiko Strohmann sind die grünen Ideen größtenteils
       „nicht umsetzbar“. Nicht zuletzt müssten sie „für die Unternehmen
       akzeptabel“ sein: „Ich bin gespannt, wie der Wirtschaftssenator diese
       Vorschläge kommentieren wird.“ In der Tat liegt der Ball nun bei der SPD.
       
       4 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Henning Bleyl
       
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