# taz.de -- Kolumne Bitches in Baku #3: Good cars, but not Opel
       
       > Ob das Festival „Singen für die Demokratie“ stattfindet, ist unklar.
       > Unklar ist auch, ob es schon korrupt ist, Baku klasse zu finden und ob da
       > Adorno helfen kann.
       
 (IMG) Bild: Viel Verkehr, viel Staub: Baku.
       
       BAKU taz | Mittwoch im bakunensischen Hotel Park Inn, geladen hatten
       Menschenrechtsgruppen aus Aserbaidschan. Sehr schön, diese Geste der
       aserbaidschanischen Machtcliquen, nicht auch noch diese Veranstaltung des
       Guten unterbunden zu haben.
       
       Wenn aber der Ertrag des Humanitären in einem zweiminütigen Auftritt eines
       Grünenpolitikers in der Tagesschau, in den Tagesthemen liegen soll: Darf
       man sich da nicht fragen, wem das alles nützt, das Sprechen über ein Land,
       das erkennbar vor Öl und damit Geld strotzt?
       
       Wichtig ist mir allerdings zu sagen, dass noch immer nicht feststeht, wo
       das Festival „Sing for Democracy“, etwas großpurig als eigentliches
       Festival des musizierenden Europa annonciert, nun stattfindet? Wird es am
       Freitag sein oder am Sonntag? Ursprünglich hatte man ja den Dienstag vor
       dem ESC-Finale ins Auge gefasst, ehe ihnen wohlmeinende Menschen
       mitteilten, dass das vielleicht für die öffentliche Wirkung nicht passen
       würde.
       
       Denn an diesem Dienstag findet in der Crystal Hall das erste Halbfinale
       statt, die Qualifikationsrunde für das Finale. Da wäre man dann bei
       Menschenrechtlerns doch sehr unter sich. Und noch hat man die Hoffnung
       nicht aufgegeben, dass die Idee universeller Werte auch für Aserbaidschan
       nicht gänzlich vom eurovisionären Fest verschluckt wird. Zehn Locations,
       heißt es, seien für ein „Singen für die Demokratie” nicht möglich, immer
       habe man auf Anfragen gehört, nein, die Sicherheitslage verbiete es, genau
       dort ein solches Kulturfest zu feiern.
       
       ## Das Risiko des Oberflächlichen
       
       Bis Freitag soll nun geklärt sein, wo und, ja, ob das Ding überhaupt
       stattfinden kann. Baku ist groß und die Stimmung für eine demokratische
       Manifestation nicht eben günstig. Die Stadt blüht nämlich immer mehr, muss
       man sagen. Auch wenn man als Berichterstatter bei einer solchen
       Feststellung immer riskiert, für oberflächlich gehalten zu werden.
       
       Gucke ich mir die Uferlinie dieser Stadt von der Halle aus an, sieht es aus
       wie Nizza ohne die französische Lebensart. Man erkennt schmucke Linien am
       Horizont voller nicht besonders überkandidelter Architektur. Tag für Tag
       sieht es dekorierter aus. Alles Oberfläche! Blendwerk!, signalisiert mir
       mein Über-Ich, mein politisch schlechtes Gewissen. Es sagt mir auch: Hinter
       den Kulissen ist alles hohl und unwürdig, falsch und schlimm.
       
       Ja, das könnte man so sehen, obwohl es doch nicht genug Zeit gibt, hinter
       jede der hübschen Fassaden zu sehen. Auf den ersten, zugegeben, viel zu
       flüchtigen Blick wahrscheinlich sieht selbst der Bulvar, wie die Promenade
       am Kaspischen Meer von Baku genannt wird, spektakulär aus. Menschen
       flanieren, Kinder tragen irre bunte Luftballons, Frauen spazieren mit
       Männern, Männer auch mit Männern, Frauen mit Frauen.
       
       Und überhaupt Kinder. Selten so wenig quengelig-quietschende Kinder gehört.
       Aber sie sind nicht eingelullt? Lasse ich mich etwa doch in die Wirrnis
       treiben, weil ich selbst die famose Organisation von Euro-Club – der Disko
       von und für ESC-Fans – für gelungen halte?
       
       ## Weiter Weltanschauungsmaterial
       
       Kommt man aber überhaupt mit Gedanklichem aus Adornos
       Weltanschauungsarsenal weiter? Ist es nicht erstaunlich, dass selbst der
       schärfste Kritiker der bakunensischen Häuserräumungspolitik, der Bremer
       Sebastian Burger, als Experte zum Public Viewing in Berlins Kulturbrauerei
       eingeladen wurde? Eine Veranstaltung, die auf Neugier für
       aserbaidschanische Dinge hofft, von Studierenden aus diesem Land hier in
       Deutschland ausgerichtet wird, doch gesponsert wird vom Ölmulti des Landes?
       
       Darf dieser tapfere Chronist der Abrissbirnenpolitik in Baku sich auf
       solche Angebote einlassen? Wäre das nicht korrumpiert? So weit die
       Organisation Transparency International Aserbaidschan einschätzt – ein Nest
       des Korrupten, der unfairen Handels- und Verhandlungsformen? Wo eine Hand
       die andere wäscht und schmiert?
       
       Bin ich korrupt, weil ich Baku ziemlich klasse, andererseits langweilig
       protzend finde? Darf ich fasziniert sein ob solcher Gesten wie der, dass
       alle ESC-Länder Delegationsbusse haben und diese, eskortiert von schwarzen
       Limousinen deutscher Bauart, staufrei durch den Verkehr Bakus gelotst
       werden? Hat das nicht etwas infam Auftrumpfendes?
       
       Keine Ahnung. Wahrscheinlich muss ich mich damit anfreunden, das richtige
       Leben im irgendwie Falschen zu führen. Oder umgekehrt. Ist es denn schlimm,
       die freundlichen Menschen hier in Baku, neugierig durch und durch („Where
       are you from?“ – „Germany.“ – „Good Cars, but noch Opel.“) nicht auf die
       Verwerfungen in ihrem Politischen hinzuweisen? Vorläufig muss ich bekennen:
       Mission Impossible.
       
       17 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
 (DIR) Jan Feddersen
       
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 (DIR) Schwerpunkt Eurovision Song Contest
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