# taz.de -- Kolumne Das Tuch: Lasst mich die Stereotype bedienen!
       
       > Arabische Männer hassen uns Frauen? Schmutziges Gewäsch. Der
       > muslimisch-feministische Widerstand ist da schon weiter.
       
       Mal unter uns. Wenn ich schon Rassismus und Islamophobie in der
       Gesellschaft anprangere, dann muss ich bitte schön auch über die vielen
       Probleme innerhalb der muslimischen Gemeinden sprechen, nicht wahr? Ein
       bisschen auf die Köppe der Muslime hauen. Na klar, her mit der schmutzigen
       Wäsche!
       
       Eine sehr beliebte schmutzige Wäsche ist ja der Sexismus, das Patriarchat
       und die unterdrückten Frauen der Muslime. Darum ging es kürzlich auch im
       Artikel der ägyptisch-amerikanischen Journalistin und Aktivistin Mona El
       Tahawy in ihrem Artikel „Warum hassen sie uns?“
       
       Eine nackte Frau, die Haut schwarz bemalt, der Augenbereich Niqab-ähnlich
       ausgespart, schaut verschüchtert in die Kamera und ziert das Titelbild des
       amerikanischen Magazins Foreign Policy. El Tahaways These: Arabische Männer
       hassen uns Frauen. Um ihre These zu untermauern folgen Beispiele, wie das
       saudische Fahrverbot für Frauen, Genitalverstümmelung und Jungfrauentests
       in Ägypten – einmal querbeet durch die arabische Welt.
       
       Als mit Erscheinen des Artikels im Internet heiße Diskussionen über den
       Artikel tobten, schrieb ein weißer Leser belustigt, der Ärger der
       arabischen und muslimischen Leser rühre nur daher, dass man ihre schmutzige
       Wäsche offen der westlichen Gesellschaft vorgeführt habe. Wie lustig.
       
       Doch die meisten Kritikerinnen sind arabische, muslimische und asiatische
       Feministinnen und Aktivistinnen. Frauen, die genau die gleichen Themen
       anprangern wie Mona El Tahawy, darüber schreiben und an der Basis gegen den
       Sexismus ankämpfen.
       
       Ihre Kritik war unter anderem, El Tahawy würde die arabisch-muslimische
       Frau als ein hilfloses Wesen, den Mann als aggressiven Patriarchen
       darstellen und damit westliche Stereotypen über die Muslime und Araber
       füttern. Sie würde sich als vermeintlich einzige Sprecherin muslimischen
       Frauen positionieren und sich als mutige Journalistin profilieren.
       
       „Ach komm doch, Kübra. Kritisier die Muslime, der Glaubwürdigkeit wegen“,
       empfahl mir kürzlich jemand, der es gut mir meinte. So geht es doch viel
       einfacher, erfolgreich zu werden. Bücher mit den Titeln „Die Unterdrückung
       der muslimischen Frau“ oder „Sex, Schleier und Sehnsucht“ würden sich doch
       verkaufen wie warme Semmeln. Lasst mich Stereotypen bedienen, die
       voyeuristischen Fantasien befriedigen und mich selbst als heroisch-mutige
       Journalistin profilieren, die sich vom Rest der rückständigen Muslime
       absetzt. Ich werde die gute Muslimin sein. Die, die in das Bild passt.
       
       Heißt das, man soll Muslime nicht kritisieren? Heißt das, ich werde nie
       über den Sexismus in muslimischen Gemeinschaften schreiben? Die Frage ist
       nicht, ob man kritisieren darf, die Frage ist: wo und wie.
       
       Als Feministin spreche ich in muslimischen Gemeinden über Sexismus, ich
       motiviere Frauen, sich von Rollenbildern zu befreien. Ich spreche über
       Homophobie oder Antisemitismus. Das werde ich noch öfter auf meinem Blog
       oder in muslimischen Medien tun. Das muss aber nicht in einer Kolumne
       geschehen, die mehrheitlich von weißen Nichtmuslimen gelesen wird. Und
       nicht selten kommt es vor, dass ich Muslime in dieser Kolumne kritisiere
       und Missstände benenne. Jedoch in dem Bemühen, nach Ursachen zu suchen.
       Denn jede banale Vereinfachung macht die Realität kaputt.
       
       20 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kübra Gümüsay
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
       
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