# taz.de -- Papst-Geheimnisse: Der Kammerdiener, der Whistleblower
       
       > Der Verdacht wiegt schwer: Der Kammerdiener des Heiligen Vaters soll
       > geheime Dokumente an die Öffentlichkeit gebracht haben. Ist der Fall
       > „Vatileaks“ gelöst?
       
 (IMG) Bild: Hat er einen Schatten über Papst Benedikt XVI. geworfen? Paolo Gabriele im Papamobil Ende Mai.
       
       ROM dpa | Er war ganz nah am Heiligen Vater – so nah wie kaum jemand sonst.
       Der persönliche Kammerdiener von Papst Benedikt XVI., Paolo Gabriele, soll
       es nach italienischen Medienberichten gewesen sein, der vertrauliche
       Informationen aus dem Vatikan an die Öffentlichkeit gebracht hat: Über ein
       angebliches Mordkomplott gegen den Papst, über Vetternwirtschaft und
       Missmanagement. Vatikansprecher Federico Lombardi teilte am Samstag mit,
       gegen Gabriele seien Ermittlungen eingeleitet worden.
       
       Seit Monaten hält „Vatileaks“ den Vatikan in Atem – ein Riesenskandal.
       Gerade vor einer Woche ist auch noch das Buch des TV-Journalisten Gianluigi
       Nuzzi mit dem Titel „Sua Santità“ (Seine Heiligkeit) erschienen, mit
       vertraulicher Korrespondenz des Papstes, neuen Enthüllungen und einem
       Anhang mit zahlreichen Faksimiles von Dokumenten. Der Vatikan kündigte ein
       entschiedenes Vorgehen und rechtliche Schritte gegen die für die
       Indiskretion Verantwortlichen an.
       
       Jetzt sitzt der Kammerdiener des Oberhaupts der katholischen Kirche in
       einer Zelle hinter dicken Vatikan-Mauern. Die Ermittlungen werden im
       Vatikan geführt. Bei einer Durchsuchung der Wohnung Gabrieles sei eine
       riesige Menge von Dokumenten gefunden worden, die sich nicht in seinem
       Besitz hätten befinden dürfen, berichteten die Medien am Samstag.
       
       Der Papst reagierte „betrübt und betroffen“. Es handele sich um eine
       schmerzliche Entwicklung, zitierte ihn die Nachrichtenagentur Ansa unter
       Berufung auf Quellen aus dem nahen Umfeld von Benedikt XVI.
       
       ## Er hatte alle Schlüssel
       
       Ein eleganter Mann mit Spitznamen „Paoletto“ soll der Kammerherr sein,
       schreibt die Ansa. Der 46 Jahre alte Familienvater mit drei Kindern habe
       schon zu Zeiten von Papst Johannes Paul II. in den Diensten des Vatikans
       gestanden, 2006 wurde er Nachfolger von Angelo Gugel. Er half dem Heiligen
       Vater beim Anziehen, bediente ihn beim Essen und bereitete sein
       Schlafzimmer vor. Er reiste mit dem Papst, Bilder zeigen ihn neben Benedikt
       im Papamobil. Und er hatte alle Schlüssel – zu Türen, Treppen, Aufzügen,
       Gemächern.
       
       Diskretion ist höchstes Gebot für das Amt des „Maggiordomo“, des
       päpstlichen Kammerdieners. Er zählt neben den Privatsekretären Georg
       Gänswein und Alfred Xuereb zur Päpstlichen Familie.
       
       Der Vatikan selbst hatte die seit einigen Monaten herauströpfelnden
       Indiskretionen als „Vatileaks“ kritisiert – in Anspielung auf die
       Öffentlichmachung geheimer US-Botschaftsdepeschen auf der
       Enthüllungsplattform Wikileaks. Italienische Medien spekulierten über einen
       Machtkampf innerhalb der Spitze der Kurie.
       
       ## „Besser ich schweige“
       
       In einigen der veröffentlichten Unterlagen ging es auch um das
       Finanzgebaren der Vatikanbank IOR. Sofort wurde deshalb am Freitag
       spekuliert, der Rauswurf des Chefs der Vatikanbank, Ettore Gotti Tedeschi,
       habe mit „Vatileaks“ zu tun. Denn die genauen Gründe für das
       Misstrauensvotum gegen Tedeschi blieben unklar. Der Vatikan teilte
       lediglich mit, Tedeschi habe trotz wiederholter Mahnungen Aufgaben von
       vordringlicher Wichtigkeit nicht ausgeführt. Tedeschi sagte nur, „aus Liebe
       zum Papst“ verteidige er sich nicht gegen die Vorwürfe. „Besser ich
       schweige, ich würde sonst böse Worte sagen.“
       
       Hinter den Mauern des Vatikan wird gerätselt – und auch gezweifelt. Ein
       Priester, der den Kammerdiener seelsorgerisch betreute, sagte
       Medienberichten zufolge, er kenne den 46-Jährigen seit vielen Jahren. „Und
       sollten sich diese Anschuldigungen als wahr herausstellen, dann könnte man
       von dieser Stunde an keinem einzigen Menschen mehr vertrauen.“ Auch das
       Motiv sei für ihn völlig unklar, sagt der alte Priester, der nicht
       namentlich genannt werden will. „Er liebt die Kirche und den Papst.“
       
       Tatsächlich scheint offen, ob alle Indiskretionen zu Lasten eines Einzelnen
       gehen können. Weitere Festnahmen sind nicht ausgeschlossen.
       
       28 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sabine Dobel
       
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