# taz.de -- Hochschule: Der FU schifft's ins Hirn
       
       > Die Freie Universität Berlin hat ein Problem mit ihrer Philologischen
       > Bibliothek, die auch "The Brain" genannt wird. Denn "das Hirn" ist nicht
       > ganz dicht - und das gleich an mehreren Stellen.
       
 (IMG) Bild: Eimer vor dem Eingang: Die Philologische Bibliothek der FU.
       
       Noch lacht die ganze Welt über Berlins Unvermögen, einen Flughafen
       pünktlich zu eröffnen; da wird auch schon die nächste peinliche Baupanne
       bekannt. Die Philologische Bibliothek der Freien Universität (FU), wegen
       ihrer schädelartigen Architektur oft nur „The Brain“ genannt, kämpft seit
       Monaten mit dem Wetter. Es regnet durch. Schuld sind undichte Gummiprofile
       zwischen den Fenstern der Büchereikuppel. Das Problem ist nicht neu, seit
       der Eröffnung vor mehr als sechs Jahren leckt das Gebäude. Doch in letzter
       Zeit ist es deutlich schlimmer geworden. Vor einem guten Monat gab es einen
       schweren Wassereinbruch: Die halbe Bibliothek musste gesperrt werden.
       
       Für die Universität ist das ein schwerer Imageschaden. Denn die
       Philologische Bibliothek ist nicht irgendein Gebäude, sie ist das
       Wahrzeichen der FU. Der britische Stararchitekt Norman Foster hat sie
       konstruiert. Forster war auch für den Umbau des Reichstags samt Kuppel
       verantwortlich. Zudem ist die Bücherei ein sogenanntes intelligentes
       Gebäude: Es lüftet und temperiert sich selbst. Der Bau hat rund 20
       Millionen Euro gekostet. „The Berlin Brain“ hat Architekturpreise gewonnen,
       die Bundesregierung zeichnete es in einer Imagekampagne als einen „Ort der
       Ideen“ aus. Das entspricht dem Selbstbild der Uni: Innovation,
       Einfallsreichtum, Exzellenz.
       
       Wahrscheinlich ist das Brain wirklich eines der klügsten Gebäude in Dahlem
       – auf einen profanen Wasserschaden scheint es trotzdem nicht gut
       vorbereitet. Im Eingangsbereich stehen neben dem runden Teppich mit dem
       Wappen der Uni leere Mayonnaise-Eimer, vermutlich eine Spende der Mensa.
       Mitarbeiter stellen sie und einige Mülleimer bei starken Niederschlägen
       auf. Vor einigen Arbeitsplätzen ist Absperrband gespannt, die Regale auf
       der obersten Etage sind mit Plastikplanen abgedeckt. An der Innenhülle der
       Bibliothek bilden sich Wasserflecken.
       
       Der Kampf gegen das Wasser wird auch von außen geführt: Ein großes Gerüst
       umgibt die Kuppel. Die Reparaturen begannen im August und sollten
       ursprünglich lediglich bis Weihnachten dauern, daraus wurde Februar und
       Juni. Nun können die Bauarbeiten laut der Senatsverwaltung für
       Stadtentwicklung frühestens Ende Juli fertiggestellt werden. Die
       Reparaturen haben sich verzögert, weil sie offenbar nur bei schönem Wetter
       durchgeführt werden können.
       
       Hinzu kommen weitere drei Monate, in denen die innere Textilhülle der
       Bibliothek und der Teppichboden gereinigt werden. Dies soll außerhalb der
       Öffnungszeiten geschehen. Auch die Wiese im Bereich des Gebäudes muss neu
       angelegt werden. Insgesamt kostet die Sanierung nach Angaben des Senats
       etwa 1,8 Millionen Euro. Bezahlen muss die Haftpflichtversicherung des
       Bauunternehmens, das die Außenhülle gebaut hat. Die Firma ist während des
       Baus insolvent gegangen: Ihr konnten vor Gericht Ausführungsfehler
       nachgewiesen werden.
       
       Der Chef der Philologischen Bibliothek, Klaus Werner, kann die Reparaturen
       von seinem Büro aus gut sehen und vor allem hören. Bauarbeiter hämmern an
       der Außenhülle, ersetzen die Gummiprofile und rufen sich Witze zu: echte
       Baustellenatmosphäre. Werner schaut gequält, er hält den Krach für die
       größte Belastung der Bibliotheksnutzer: „Es sind notwendige Reparaturen.
       Wir haben keine Schuld und der Architekt hat nachgewiesenermaßen auch keine
       Schuld“, betont er. Zudem sei es in den letzten Wochen besser geworden. Er
       wolle aber nichts beschönigen: „Natürlich ist das alles schade und es tut
       mir irgendwie weh.“ Werner wirkt, als wüsste er selbst nicht genau, wie
       seine Vorzeigebibliothek so schnell zur Baustelle werden konnte.
       
       Die Bibliotheksleitung will es wieder gutmachen, Werner setzt dabei auf
       Transparenz. Ein Bildschirm am Eingang der Bibliothek informiert über die
       Reparaturen und warnt davor, Laptops wegen des Regens unbeaufsichtigt
       stehen zu lassen. Für einen beschädigten Computer hat die Bibliothek bisher
       die Reparatur bezahlt, bei einem weiteren wird eine Kostenübernahme
       geprüft. Werner rät den Studierenden, nach 15 Uhr zu kommen, dann sind die
       Bauarbeiten meist beendet. Am Wochenende finden keine Bauarbeiten statt:
       Die Bibliothek hat ihre Öffnungszeiten an beiden Tagen um zwei Stunden
       verlängert. Das lohnt sich vor allem für Spätstudierende.
       
       ## Trotzdem volles Haus
       
       Anfangs gab es viele Beschwerden, sagt Werner, inzwischen habe das jedoch
       abgenommen. Die Bibliothek ist trotz der Bauarbeiten gut gefüllt,
       nachmittags gibt es kaum freie Plätze. BWL-Student Maurice sagt: „Ich nehme
       die Bauarbeiten hin. Schade, dass die Bibliothek dafür nicht auch an
       Feiertagen öffnet.“ Mathematikstudentin Elisabeth kommt fünf Tage die Woche
       ins „Brain“. Anfangs habe sie der Lärm sehr gestört, nicht mal Ohrstöpsel
       hätten geholfen, sagt sie. „Inzwischen geht es aber.“
       
       Viele Studierenden haben sich offenbar daran gewöhnt, auf einer Baustelle
       zu studieren. Die Freie Universität hofft trotzdem vor allem auf – gutes
       Wetter.
       
       3 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Laurence Thio
       
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