# taz.de -- Netzneutralität: Startups könnten stecken bleiben
       
       > Der Europäische Providerverband möchte ein neues Abrechnungsmodell für
       > Internetverkehr einführen. Groß-Provider wie Google könnte das
       > bevorteilen.
       
 (IMG) Bild: Lockende Geldquelle: Für schnelles Internet wollen die Netzbetreiber mehr Geld.
       
       An sich ist das Papier des europäischen [1][Providerverbandes ETNO]
       großteils unkontrovers: „Der gesamte Telekommunikationsverkehr wird auf
       Internet-Protokoll-basierte Kommunikation umgestellt“, heißt es dort.
       
       „Dieser Wechsel von spezialisierten Telefon- und Datennetzwerken zu
       gemischten IP-basierten Netzwerken, wirft schwerwiegende regulatorische,
       technische und ökonomische Fragen auf.“ Das heißt: Wenn Telefon und
       Kabelfernsehen durch Internettechnik ersetzt werden, müssen sich alle
       Beteiligten anpassen.
       
       Der Vorschlag zur Lösung dieser Probleme ist jedoch einer der zentralen
       Streitpunkte der Internetregulierung: Die Provider im ETNO – zu den
       Mitgliedern gehören Schwergewichte wie die Deutsche Telekom, Telefonica und
       KPN – wollen ein neues Abrechnungsmodell für Internetverkehr einführen.
       Kritiker sehen die Netzneutralität in Gefahr.
       
       Worum geht es? Im Dezember findet die World Conference on International
       Telecommunications der International Telecommunication Union (ITU), einer
       Sonderorganisation der Vereinten Nationen, statt. Hier werden wesentliche
       Weichenstellungen für den weltweiten Datenverkehr getroffen.
       
       ## Technische Standards für alle Beteiligten
       
       Denn damit Internet-Verbindungen von jedem Punkt der Erde zu jedem anderen
       Punkt der Erde funktionieren, müssen sich alle Beteiligten an Standards
       halten. Das Internet besteht aus 32.000 Einzelnetzen. Damit diese
       problemlos zusammenarbeiten können, regelt die ITU nicht nur technische,
       sondern auch organisatorische Standards.
       
       Mit einem neuen Zahlungsregime wollen die im ETNO vertretenen Provider sich
       langfristig wichtige Einnahmen sichern. Kernpunkt ist der Datentransport
       durch die Netze. Damit ein Datenpaket beispielsweise von Hongkong seinen
       Weg nach Deutschland findet, müssen zahllose Provider zusammenarbeiten. Die
       Provider müssen nicht nur Daten zwischen ihren jeweiligen Kunden
       transportieren, sondern auch den Datenverkehr der Kunden anderer Provider
       weiterreichen.
       
       Bisher gilt das „Best effort“-Prinzip. Die Daten werden dabei von Provider
       zu Provider weitergeleitet, so gut es eben geht. Ist zu viel Verkehr auf
       den Datenleitungen entstehen Staus: Downloads werden langsamer,
       Skype-Gespräche fangen an zu stocken, YouTube-Videos müssen alle Nase lang
       pausieren. Mittels Netzwerkmanagement können die Provider dafür sorgen,
       dass der Stau weitgehend unbemerkt bleibt. So können Datenpakete einer
       E-Mail ohne Probleme langsamer abgearbeitet werden, bei Internettelefonie
       ist jedoch die Geschwindigkeit der Datenpakete entscheidend.
       
       „Quality-Of-Service“-Dienstleistungen gelten vielen Providern als
       vielversprechende neue Einnahmequelle. Neben dem alten Modell wollen die
       Provider garantierte Übertragungsqualität zum höheren Preis verkaufen.
       Zahlen sollen das nicht die Endkunden, sondern Inhalteanbieter wie Google.
       Wer also seinen Kunden ein störungsfreies Telefongespräch vermitteln will,
       soll die Endkundenprovider gesondert bezahlen.
       
       ## Milliardengewinne von Google und Facebook
       
       Die Argumentation der Groß-Provider: Diese neuen Einnahmen seien dringend
       nötig, um den teuren Netzausbau zu finanzieren. Zudem locken die
       Milliardengewinne der Internet-Schwergewichte wie Google oder Facebook.
       Hier möchten sich die Endkunden-Provider eine Scheibe abschneiden.
       
       Doch gerade diese Konzerne investieren selbst in den massiven Ausbau ihrer
       eigenen Netze: Google hat seine Rechenzentren auf der ganzen Welt verteilt,
       auch Facebook richtet in Schweden gerade ein Rechenzentrum für den
       europäischen Markt ein. Spezialanbieter wie Akamai helfen den
       Inhalteanbietern beim Inhaltetransport.
       
       Somit kommen die Branchen-Schwergewichte auch ohne zusätzliche Hilfe der
       Provider zum Kunden. Das kleine Startup hingegen kommt ins Hintertreffen.
       Wer ohne die Finanzmacht von Google Internet-Videos oder Videokonferenzen
       anbieten will, könnte im Datenstau stecken bleiben.
       
       Für akuten Alarm sieht Harald Summa jedoch noch keinen Grund.
       „Quality-of-Service-Angebote sind per se etwas vollkommen legitimes“, sagt
       Summa, der als Geschäftsführer des Verbands der deutschen
       Internetwirtschaft eco eine konträtre Meinung zu den großen Playern
       vertritt. Dass die in ETNO vertretenen Provider die neuen Spielregeln dazu
       nutzen könnten, den Internetanbietern hohe Wegezölle abzukassieren, sei in
       Deutschland vorerst nicht zu erwarten.
       
       „Wir haben einen sehr starken Wettbewerb in Europa“, sagt Summa. Wenn die
       Deutsche Telekom Google zuviel Geld abverlangt, könne der amerikanische
       Konzern einfach selbst in den Providermarkt einsteigen. Statt zusätzlicher
       Einnahmen hätten die Provider dann einen mächtigen Konkurrenten gewonnen.
       
       15 Jun 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.etno.be/Default.aspx?tabid=2500
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Torsten Kleinz
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Google
       
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