# taz.de -- Onlineaktivist Stephan Urbach: Der depressive Hacker
       
       > Während in Ägypten und Syrien die Menschen demonstrierten, saß Stephan
       > Urbach am Rechner und half den Aufständischen. Bis er so ausgebrannt war,
       > dass er an Suizid dachte.
       
 (IMG) Bild: Hatte den Bezug zu sich selbst und zur Welt verloren: Stephan Urbach, Hacker.
       
       Stephan Urbach ist Onlineaktivist. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern der
       Gruppe Telecomix unterstützte er Oppositionelle in Ägypten und Syrien.
       Heute ist er depressiv – innerhalb seiner eigenen vier Wände hat er den
       Bezug zu sich selbst und zur Welt verloren. Den Ausweg aus dieser Isolation
       suchte er ebenfalls im Netz, dort schrieb er in seinem Blog: „Ich muss
       etwas gestehen. Etwas ziemlich Persönliches. Ich wollte sterben.“
       
       Der Druck staut sich im Lauf der Zeit im Inneren an, denn AktivistIn ist,
       wer stets aktiviert bleibt. Erlangt man erstmals einen HeldInnen-Status,
       wird der Erfolg schnell zur Droge und Banalitäten des Alltags zur
       Nebensache. „Ich saß den ganzen Tag am Rechner und wurde völlig
       herausgerissen aus dem normalen Leben. Man setzt sich unter Druck, schläft
       immer weniger und arbeitet immer mehr. Ich dachte, wenn ich selbst nicht
       helfe, dann tut es keiner“, beschreibt er seinen Zustand im
       Sonntaz-Gespräch.
       
       Schlafentzug, totale Verausgabung und Isolation führten bei Stephan Urbach
       schließlich zu Depression. Traumatische Erlebnisse, wie etwa ein Video, das
       den Mord an einem befreundeten Aktivisten zeigte, waren ohne psychologische
       Hilfe nicht mehr zu bewältigen. Im Gegensatz zu professionellen NGO's
       verfügen NetzaktivistInnen nämlich nicht über die notwendigen
       Geldressourcen, um sich Unterstützung durch Supervision leisten zu können.
       
       Auch innerhalb der Szene würde nicht darüber gesprochen, da sich die
       männlich dominierte Hacker-Szene Emotionalität verbieten würde. Das Recht
       auf Emotion müsse man sich erst durch HeldInnentum verdienen.
       
       Dass Stephan Urbach diesen Status bereits erreicht hat, sieht er selbst
       sehr ambivalent, er biete ihm einerseits ein großes Forum, andererseits
       eine riesige Angriffsfläche: „Meine Bekanntheit ist dann auf einmal ein
       Freibrief dafür, dass man mich mit Scheiße bewirft. Kommt keine Leistung
       nach, hört die Anerkennung auf.“
       
       Diese Haltung entspräche auch der Hacker-Ethik, die Online-Aktivistinnen
       ausschließlich über ihr (netz-)politisches Handeln definiert. Ein Ausweg
       aus der selbstzerstörerischen, sich nach unten drehenden Arbeitsspirale
       scheint so unmöglich. Du bist schließlich was du tust – seine Identität
       gibt niemand gerne auf.
       
       Aufgefangen wurde Urbach tatsächlich in einer Realität, hinter der man
       keine vermuten würde: im Chaos Communication Camp – einem internationalem
       Hacker-Treffen. Dort tauschte sich der Netz-Aktivist erstmals mit anderen
       über extreme psychische Belastungen aus und merkte, dass er nicht alleine
       damit kämpfte.
       
       Kurz darauf postete er seine Suizid-Gedanken in seinem privaten Blog und
       machte sie dadurch zum (netzpolitischen) Thema. Zurzeit spricht Stephan
       Urbach auf Konferenzen über seine Erfahrungen und schreibt an einem Buch
       über Depression. Der nächste Schritt: Mechanismen erkennen und Strategien
       entwickeln, um sie Betroffenen weiterzuvermitteln.
       
       15 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Laura Wösch
       
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