# taz.de -- Deutschland zieht ins Viertelfinale ein: „Noch eine Schippe drauf“
       
       > Die Dänen waren die ersten Gegner der Deutschen, die genauso viel rannten
       > wie Khedira und Co. Die deutschen Spieler sind auffällig selbstkritisch.
       
 (IMG) Bild: „Wir hätten das Tempo höher halten und mehr Chancen kreieren müssen“, meinte Holger Badstuber (l.) nach dem Spiel.
       
       LEMBERG taz | Mikkel aus Aarhus hatte den richtigen Riecher. Gegen
       „Tyskland“ hätten die Dänen nur eine „klitzekleine Außenseiterchance“,
       sagte der Fan der Skandinavier. Mikkel hatte sich schick gemacht fürs Match
       in Lemberg. Er steckte in einem rot-weißen Maßanzug. „Vielleicht
       unterschätzen uns die Deutschen, mal sehen.“
       
       Das hatte auch der dänische Coach Morten Olsen gehofft, aber die DFB-Elf
       zeigte sich gut präpariert, hatte sie doch am Samstagabend gesehen, wie mit
       Russland ein Favorit stürzen kann. Es nützte den Dänen auch nichts, dass
       sie mit Stephan Andersen den bislang „bedsten Målmand“ der EM in ihren
       Reihen hatten, also den besten Torhüter des Turniers und dass sie durchaus
       „flotte Præstationer“ (gute Leistungen) zeigten und „smukke Fans“ aufboten
       – für die Truppe von Trainer Morton Olsen ist die EM nach dem 1:2 von
       Lemberg vorbei.
       
       Sie hatten gekämpft und alle Kraft aufgeboten. Die Dänen stemmten sich mit
       Schmackes gegen die Niederlage. Körperlich waren sie durchaus ebenbürtig
       mit der DFB-Auswahl. Erstmals traf die Elf von Bundestrainer Jogi Löw also
       auf einen Kontrahenten, der genauso viel rannte und sich mit dem gleichen
       Engagement in die Zweikämpfe warf.
       
       Auch in der Offensive überzeugten die wuchtigen dänischen Angreifer
       bisweilen. Vor allem nach Eckbällen waren sie gefährlich. Mit einer
       speziellen Eckball-Variante machten sie es der deutschen Defensive schwer:
       Der Ball segelte zum großgewachsenen Nicklas Bendtner, der fast jedes
       Kopfballduell gegen Mats Hummels und Lars Bender gewann. Der Profi des AFC
       Sunderland köpfte anschließend in die Mitte des Strafraums, wo Angreifer
       Michael Krohn-Dehli lauerte.
       
       ## Ein Tor aus dem Nichts
       
       Nach diesem Strickmuster fiel der Ausgleich in der 24. Minute. Fünf Minuten
       vorher hatte Lukas Podolski in seinem 100. Länderspiel zur Führung
       getroffen. „Das Tor für die Dänen fiel aus dem Nichts“, ärgerte sich
       Bundestrainer Jogi Löw.
       
       In den ersten zwanzig Minuten deutete alles auf ein Debakel für die Dänen
       hin. Die DFB-Elf spielte schnell, schaltete wie die Feuerwehr von Abwehr in
       Angriff um, stand „kompakt“, wie Löw zu sagen pflegt und machte so ziemlich
       alles richtig. Doch nach dem Gegentreffer stockte der Spielfluss.
       
       „Es war schwierig, wir hatten ja in diesem Spiel kaum etwas zu gewinnen“,
       sagte Löw. „Uns hat der Killerinstinkt gefehlt. Wir hätten sie eigentlich
       früher im Spielaufbau in den Griff bekommen müssen, wir hatten ein bisschen
       wenig Zugriff.“ An dieser Stelle müsse das Trainerteam „den Hebel
       ansetzen“. Aber immerhin: Die Mannschaft hat sich in schwieriger Lage
       bewährt und nicht die Nerven verloren. Vor drei Jahren hätte sie so ein
       Spiel verloren, vermutete Löw. Aber im Jahr 2012 sei sie reif genug, um
       Gefahrensituationen cool zu überstehen.
       
       Das war auch nötig, denn zwischen der siebzigsten und achtzigsten Minute
       öffnete sich ein Zeitfenster, durch das die DFB-Elf einen Blick ins Tal der
       Tränen werfen durfte. Kurz vorher hatte im Parallelspiel Portugal zur
       2:1-Führung gegen Holland getroffen – ein weiterer Treffer der Dänen und
       das Aus der deutschen Mannschaft wäre besiegelt gewesen. „Es war knifflig“,
       sagte Löw, „aber ich hatte immer das Gefühl, dass wir noch ein Tor machen.“
       
       ## Bender gegen Bendtner
       
       Andre Schürrle, der in der zweiten Halbzeit für Jubilar Podolski (64.)
       eingewechselt wurde, sagte: „Wir haben halt Leute, die den Laden
       zusammenhalten und ruhig bleiben.“ Bastian Schweinsteiger zum Beispiel oder
       Sami Khedira. In der 80. Minute war es dann soweit. Lars Bender vollendete
       einen schönen Konter. Bender ersetzte den gelbgesperrten Jerome Boateng auf
       der rechten Abwehrseite.
       
       Gegen Bendtner sah er manchmal schlecht aus, dennoch lobte Löw den Auftritt
       des Leverkusener Profis, der für gewöhnlich bei seinem Heimatverein im
       Mittelfeld spielt. „Ich werde mich lange an diesen Tag erinnern“, sagte
       Bender. Er hofft jetzt auf einen Einsatz im Viertelfinale gegen
       Griechenland, aber vorerst will er „kleine Brötchen backen“. Löw wollte
       sich in dieser Personalie Sonntagnacht noch nicht festlegen. „Das ist noch
       zu früh.“
       
       So ziemlich alle Spieler sahen nach dem Einzug in die Knock-out-Runde noch
       Steigerungspotenzial. „Das Spiel nach vorne kann besser werden, auch der
       Zug zum Tor“, sagte Mats Hummels. Gerade in der zweiten Halbzeit sei das
       Spiel oft „zäh“ gewesen. „Wir müssen eine Schippe drauflegen, das ist uns
       bewusst“, meinte Holger Badstuber, „wir hätten das Tempo höher halten und
       mehr Chancen kreieren müssen.“ Das müsse am Freitag gegen Griechenland
       besser werden.
       
       Die Selbstkritik der Spieler mag berechtigt sein, aber so übel waren die
       Auftritte des DFB-Teams bei dieser EM nicht. In der schwersten Gruppe haben
       sie dreimal gewonnen – nicht durch Dusel, sondern mit Durchschlagskraft und
       Dominanz. Das Plansoll wurde übererfüllt. Damit konnte Löw nicht rechnen.
       Für Mikkel aus Aarhus war freilich von Anfang an klar, das Tyskland
       Europameister wird. „Das schafft ihr locker.“
       
       18 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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