# taz.de -- EU-Kommissar über Nachhaltigkeit: „Atomenergie war nie eine gute Wahl“
       
       > Andris Piebalgs, EU-Kommissar für Entwicklung, erklärt, warum es keine
       > Alternative für nachhaltiges Wachstum gibt und warum sich niemand gern
       > von Brüssel reinreden lässt.
       
 (IMG) Bild: Schöner Abfall: Fische aus Plastikflaschen mahnen am Strand von Rio nachhaltiges Wirtschaften an.
       
       taz: Herr Piebalgs, was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie? 
       
       Andris Piebalgs: Für mich heißt Nachhaltigkeit, dass wir Ressourcen
       besonders effizient nutzen und zwar mit den besten Technologien, die uns
       zur Verfügung stehen. Hier in Brüssel habe ich als Energiekommissar
       angefangen und Energie ist für mich auch der Schlüssel zum Erfolg einer
       nachhaltigen Entwicklungspolitik.
       
       Heißt nachhaltig erneuerbar? 
       
       Ja. Es gibt da keine Alternativen. Natürlich muss man für Solarenergie die
       Solarzellen produzieren und Windmühlen für Windenergie. Aber danach sind
       diese Energieformen hundertprozentig nachhaltig. Das ist bei fossiler
       Energie nicht der Fall. Die Anfangsinvestitionen sind vielleicht billiger,
       aber dann ist man immer auf das Öl oder die Kohle angewiesen. Für mich als
       Entwicklungskommissar ist klar, dass wir in erneuerbare Energien
       investieren sollten – innerhalb und außerhalb der Europäischen Union.
       
       Und in Atomenergie? 
       
       Atomenergie war für mich noch nie eine gute Wahl. Ich bin nicht
       grundsätzlich dagegen. Kernkraftwerke existieren eben. Aber es ist keine
       nachhaltige Energieform. Wir haben ein Problem mit dem Abfall. Außerdem
       bleibt immer ein Restrisiko. Das ist der große Unterschied zu Solar- oder
       Windenergie.
       
       Was müsste Rio erreichen? 
       
       Der Riogipfel muss die Richtung für die zukünftige Wirtschaftspolitik in
       den Staaten vorgeben. Ich dachte immer, alle wollen ihre Wirtschaft grüner
       machen. Aber das gilt nicht für alle Regierungen. Rio sollte alle
       Regierungen verpflichten, dass – egal welche Partei gerade eine Wahl
       gewinnt – das Ziel der Nachhaltigkeit weiter verfolgt wird. Das ist das
       Wichtigste.
       
       Das klingt aber sehr unverbindlich. 
       
       Wir brauchen gemeinsame Prozesse mit konkreten Zielen. Sonst können wir den
       Fortschritt nicht messen. Am besten wäre es, die Regierungen würden sich
       auf konkrete Maßnahmen einigen, die alle gleichermaßen umsetzen müssen.
       Aber das ist schwierig.
       
       Warum? 
       
       Ich habe das in der EU bei der Auseinandersetzung um die erneuerbaren
       Energien erfahren. Ich war damals nicht für die Vereinbarung von
       Zielvorgaben. Ich wollte stattdessen einen Maßnahmenkatalog. Aber da
       machten die Regierungen nicht mit. Sie wollen sich von Brüssel nicht
       reinreden lassen. Auf globaler Ebene wird das noch schwieriger. Deshalb
       brauchen wir wenigstens gemeinsame Zielvorgaben.
       
       Wie könnten solche Vorgaben aussehen? 
       
       Wir müssen über Themen reden wie nachhaltige Energie für alle,
       Wasserversorung oder Abfallmanagement. Und das muss messbar sein: Wir
       wollen, dass so und so viele Menschen Zugang zu nachhaltiger Energie oder
       Gesundheitsversorgung bekommen. Oder wir müssen ein Ziel vereinbaren für
       den Zugang zu Bildung für die Kinder.
       
       Sie haben gerade eine Initiative gestartet, die bis 2030 mindestens 500
       Millionen Menschen in Entwicklungsländern mit nachhaltiger Energie
       versorgen soll. Wie wollen Sie das schaffen? 
       
       Wir wollen mit den Ländern Energie-Strategien entwickeln. Und die EU stellt
       Darlehen und Zuschüsse zur Verfügung. Dazu kommen 50 Millionen Euro für
       technische Hilfe. Aber das reicht nicht. Wir brauchen die Unterstützung
       privater Investoren. Ich versuche, europäische Firmen zu überzeugen, dass
       das ein guter Markt ist.
       
       Die Europäische Union verspricht gerne viel und setzt sich ehrgeizige Ziele
       – im Klimaschutz, aber auch in der Entwicklungspolitik. Sie hält sie dann
       aber nicht immer ein. Schwächt das die EU-Position bei den Verhandlungen? 
       
       Das ist wirklich ein Problem, dass es bisher nicht alle Regierungen
       schaffen, die vereinbarten 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für
       Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen. Bis 2015 müssen sie das
       unbedingt erreichen. Grundsätzlich ist es besser, man würde sich niedrigere
       Ziele setzen, aber diese dann auch erreichen. Es ist eine Frage von
       Glaubwürdigkeit.
       
       20 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ruth Reichstein
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Erneuerbare Energien
       
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