# taz.de -- Kommentar Visafreiheit für die Türkei: Auf dem Rücken der Flüchtlinge
       
       > So erfreulich die neuen Verhandlungen sind, so skandalös sind die
       > Bedingungen der EU für die Visafreiheit. Im Gegenzug soll die Türkei
       > Flüchtlinge aus der EU fernhalten.
       
       Vor zwei Tagen hat der Ministerrat der EU einen Beschluss gefasst, auf den
       die Türkei jahrelang gewartet hat. Der Rat beauftragte die EU- Kommission,
       mit der Türkei über visafreien Reiseverkehr zu verhandeln. Jahrelang war
       das insbesondere von Deutschland und Frankreich blockiert worden, der
       Präsidentenwechsel in Paris soll jetzt die Wende gebracht haben.
       
       Nichts hat das Verhältnis zwischen der Türkei und der EU in den letzten
       Jahren so belastet wie die von Türken fast durchweg als schikanös
       empfundene Vergabe oder eben Nichtvergabe von Visa an Bürger eines Landes,
       das immerhin seit 2005 formal über einen Beitritt verhandelt.
       
       Doch so erfreulich die jetzt in Aussicht gestellten Visaerleichterungen
       sind, so skandalös sind die Bedingungen, die die EU daran knüpft. Die
       Roadmap für die Visafreiheit hat die EU nur deshalb angeboten, um die
       Türkei endlich in ihre Vorfeldorganisation zur Bekämpfung „illegaler
       Migration“, wie es im Bürokratensprech heißt, einbeziehen zu können.
       
       Tatsächlich geht es darum, dass die türkische Polizei und Armee in
       Zusammenarbeit mit der EU-Grenzschutzorganisation Frontex Flüchtlinge aus
       Afghanistan, dem Iran und vielen anderen Ländern daran hindern soll, in die
       EU, also konkret nach Griechenland, einzuwandern. Rund 85 Prozent aller
       Flüchtlinge, die ohne gültige Papiere in die EU einreisen, kommen derzeit
       über die türkisch-griechische Grenze.
       
       Seit Jahren steht das Tauschgeschäft „Visa gegen Flüchtlinge“ im Raum; seit
       langem fordert die EU, dass die Türkei sich, wie andere Staaten an den
       Außengrenzen der EU, dazu verpflichtet, Flüchtlinge, die über ihr
       Territorium in die EU gekommen sind, zurückzunehmen oder gleich aktiv bei
       dem Versuch, in die EU zu gelangen, zu bekämpfen. Die Türkei wollte dies
       nicht ohne Gegenleistung tun und forderte wie die Länder auf dem Balkan im
       Gegenzug dafür Reisefreiheit für ihre eigenen Staatsbürger. Der Deal ist
       jetzt perfekt, auf dem Rücken der Flüchtlinge.
       
       22 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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