# taz.de -- Machtwechsel in Paraguay: Kalter Putsch oder legitimer Wechsel?
       
       > Das Parlament in Asunción setzt Staatschef Lugo ab und wählt mit Franco
       > einen Rechten. Das geht den Nachbarländern zu schnell. Bundesminister
       > Niebel hat keine Bedenken.
       
 (IMG) Bild: Steht Wache: Soldat in Asuncion.
       
       PORTO ALGRE taz | Ausgerechnet Dirk Niebel durfte beim jüngsten
       Putschversuch in Lateinamerika eine prominente Nebenrolle spielen. Stand
       der FDP-Mann auf dem Rio-Gipfel noch im Schatten von Umweltminister Peter
       Altmaier, so traf er am Samstag gerade recht in Paraguay ein - einen Tag,
       nachdem der linke Präsident und Exbischof Fernando Lugo vom Parlament in
       einem höchst umstrittenen Schnellverfahren abgesetzt worden war.
       
       Als erster ausländischer Staatsgast wurde Niebel in Asunción von Lugos
       Ex-Vize und derzeitigem Nachfolger, dem Rechtsliberalen Federico Franco
       empfangen. „Mein erster Eindruck ist, dass der Amtswechsel nach den Regeln
       der Verfassung abgelaufen ist“, erklärte Niebel anschließend, die
       eindeutige Parlamentsmehrheit für die Amtsenthebung sei ein „klares
       politisches Signal“.
       
       Flugs verbreiteten südamerikanische Medien, als erstes Land habe
       Deutschland das neue Staatsoberhaupt anerkannt. Niebel hatte dies zwar
       ausdrücklich bestritten, doch stellte er sich klar gegen die in
       Lateinamerika vorherrschende Beurteilung der Krise. Dort stößt der
       handstreichartig vollzogene Wechsel an der Staatsspitze auf einhellige
       Kritik, Lugo selbst bezeichnet ihn als „parlamentarischen Putsch“.
       
       Auch Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner sprach von
       einem Staatsstreich und zog ihren Botschafter aus Asunción ab. Dilma
       Rousseff rief Brasiliens Botschafter zu Konsultationen nach Brasília.
       Bolivien, Ecuador und Venezuela verurteilten den „Putsch“ ebenfalls. Andere
       Staatschefs aus der Region formulierten ihre Missbilligung diplomatischer.
       Die EU-Außenauftragte Catherine Ashton stellte sich ebenfalls auf die Seite
       Lugos: Sie rief alle Beteiligten dazu auf, den „demokratischen Willen des
       paraguayischen Volkes zu respektieren“.
       
       ## Aus dem Weg geräumt
       
       In Asunción nutzte das Establishment die Gunst der Stunde, um den populären
       Befreiungstheologen in seinem vierten Amtsjahr aus dem Weg zu räumen. 2008
       hatte Lugo die 61-jährige Herrschaft der Colorado-Partei beendet, doch
       Parlament, Justiz, Militär, Polizei und Medien blieben fest in der Hand des
       konservativen Bürgertums.
       
       Lugo verbesserte das Gesundheitswesen, trotzte Brasilien höhere Strompreise
       für die Wasserkraft aus dem Itaipñ-Stausee ab und kann Erfolge bei der
       Korruptionsbekämpfung vorweisen. Sein wichtigstes Projekt allerdings, die
       Agrarreform, blockierten seine Gegner.
       
       Die Landwirtschaft wird von Großgrundbesitzern und transnationalen
       Konzernen kontrolliert, Paraguay ist der viertgrößte Sojaexporteur der
       Welt. Als die Polizei am 15. Juni eine Landbesetzung beendete, kam es zu
       einem Feuergefecht, bei dem elf Kleinbauern und sechs Polizisten starben.
       Daran sei der Staatschef schuld, sagt die Opposition.
       
       In nur zwei Tagen machten die Colorados und die ehemals verbündeten
       Liberalen Lugo den Prozess. Als die vollauf mit dem Rio+20-Gipfel
       beschäftigten Regierungen der Nachbarländer am Donnerstag abend ihre
       Außenminister nach Asunción schickten, war es bereits zu spät. Paraguays
       Traditionsparteien, die sich von dem Präsidentenwechsel Vorteile im bereits
       laufenden Wahlkampf versprechen, hielten an dem Amtsenthebungsverfahren
       fest.
       
       Solch ein Verfahren ist zwar von der Verfassung gedeckt, doch Lugo habe
       keine faire Chance gehabt, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen, finden
       Südamerikas Präsidenten. „Ich habe das ungerechte Urteil um des Friedens
       und der Gewaltfreiheit willen akzeptiert“, erklärte Lugo in der Nacht auf
       Sonntag. Als während des Schnellverfahrens Tausende Anhänger das
       Parlamentsgebäude umringt hatten, waren auf den Dächern Scharfschützen
       postiert. In wenigen Tagen wollen die Mercosur-Länder auf ihrem Gipfel in
       Argentinien über einen Ausschluss Paraguays beraten.
       
       24 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gerhard Dilger
       
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 (DIR) Paraguay
       
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