# taz.de -- Friesland testet „Liquid Feedback“: Die Online-Kommune
> Der Landkreis Friesland will die Online-Bürgerbeteiligung testen und
> führt „Liquid Feedback“ ein. 100.000 Friesländer sollen über die Breite
> der Radwege abstimmen können..
(IMG) Bild: Vorreiter in Sachen Basisdemokratie: der beschauliche Landkreis Friesland.
HAMBURG taz | Einen breiteren Radweg, eine andere Straßenführung, einen
neuen Spielplatz oder mehr Straßenlaternen an einer fies dunklen Ecke –
über solche Themen soll man im Landkreis Friesland künftig online
diskutieren und sie auf die politische Tagesordnung heben können. Als erste
deutsche Kommune will Friesland ab Herbst das Mitbestimmungsprogramm
„Liquid Feedback“ einführen.
Die Software, die auch die Piratenpartei zur internen Diskussion und
Abstimmung nutzt, verspricht Mitmach-Demokratie – jeder soll Anträge
schreiben, Positionen debattieren und abstimmen können. „Wir wollen ein
Abstimm-Instrument, das die Kreispolitik um ein breites Meinungsspektrum
und neue Initiativen unserer Bürgerinnen und Bürger bereichert“, sagt
Landrat Sven Ambrosy (SPD). Zustimmen muss der neuen
Online-Bürgerbeteiligung am 11. Juli nur noch der Kreistag.
Bisher sind die Friesländer bei der politischen Beteiligung eher
zurückhaltend. „Die Bürger reichen recht wenig Anträge ein und die
öffentlichen Sitzungen sind bei uns nicht gerade überlaufen“, sagt Sönke
Klug, Landkreissprecher und mitverantwortlich für das
Online-Beteiligungsprojekt, das sie „Liquid Friesland“ nennen.
„Viele sind frustriert, weil sie auf ihre Anregungen und Vorschläge kein
direktes Feedback bekommen“, sagt Klug. Das solle sich mit Liquid Feedback
ändern, denn ein Klick sei leichter, als einen Brief zu schreiben oder
seinen Abgeordneten anzusprechen.
Und so soll es gehen: Jeder der knapp 100.000 Friesländer, der einen
Internetzugang hat, kann sich mit Name, Adresse, Geburtstag und -ort bei
Liquid Friesland anmelden, bekommt vom Landkreis einen Zugangscode. Dann
kann er oder sie zu jedem beliebigen Thema auf der Plattform einen Antrag
formulieren. „Der wird dann diskutiert, im Zweifel überarbeitet und
schließlich abgestimmt“, sagt Klug.
## Ergebnisse nicht bindend
Wenn sich beispielsweise 100 Leute für das Oberthema Verkehr interessierten
und von diesen 100 zehn Prozent einem Antrag für einen breiteren Radweg
zustimmen, sei laut Klug das nötige Quorum erreicht und der Antrag werde im
Verkehrsausschuss beraten. Auch will die Kreisverwaltung über Vorlagen
abstimmen lassen – bindend seien die Ergebnisse nicht, sagt Klug. Es gehe
darum, ein Meinungsbild einzuholen.
Gerade in diesem unverbindlichen Moment sieht Herbert Kubicek vom Institut
für Informationsmanagement an der Uni Bremen (IFIB) ein Problem. „Ein
universelles und unbestimmtes Beteiligungsverfahren bei dem jeder über
alles reden kann, ist wenig erfolgversprechend“, sagt Kubicek.
„Bürgerbeteiligung braucht eine klare Zielsetzung und die Menschen müssen
wissen, welche Effekte ihre Beteiligung hat.“
Kubicek hat zuletzt unter anderem ein Beteiligungsverfahren in der
niedersächsischen Gemeinde Wennigsen begleitet, bei dem die Bewohner auch
online bei der Neugestaltung eines Stadtteils mitbestimmen konnten. 400 von
600 Anwohnern haben sich beteiligt – eine enorm hohe Quote für ein
Bürgerbeteiligungsverfahren. Grund für den großen Zuspruch war laut
Kubicek, dass die Menschen direkt betroffen waren und wussten, dass auch
tatsächlich Ressourcen zu verteilen waren. „Denn niemand beteiligt sich, um
sich zu beteiligen“, sagt Kubicek.
Gut funktioniert eine Kombination aus Bürgerversammlung und
Online-Beteiligung. In Wennigsen hatte zunächst der Bürgermeister alle
Dorfbewohner angeschrieben und zu einer Versammlung eingeladen hat, dann
wurden in Arbeitsgruppen Ideen entwickelt, die dann im Netz diskutiert und
schließlich abgestimmt wurden.
„Solche Projekte werden in der Regel von Technik-affinen Mitarbeitern
angeschoben, die das Tool kennen und gern einsetzen wollen“, sagt Kubicek.
Das Beteiligungsverfahren werde also über die Technik bestimmt, aber es
müsse genau andersherum laufen. „Hat man nicht genug Geld für ein
vernünftiges Verfahren, sollte man es ganz lassen, denn eine nicht
gelungene Beteiligung stärkt eher die Gegner.“
In Friesland sieht man das etwas anders. 9.000 Euro sind für Einrichtung
des Systems und laufende Kosten für das erste Jahr angesetzt. „Wir haben
uns ja kein Multi-Millionen-Projekt vorgenommen“, sagt Klug. „Es ist ein
Experiment und es wird uns auf jeden Fall reicher machen.“ Da Liquid
Feedback das erste Mal außerhalb einer Organisation eingesetzt werde, könne
man keine klaren Ziele formulieren. „Wir sagen nicht, wenn nach einem Jahr
nicht so und so viele Menschen mitmachen, ist das Experiment gescheitert.“
25 Jun 2012
## AUTOREN
(DIR) Ilka Kreutzträger
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Bürgerbeteiligung im Netz werden. Ein Experiment im kleineren Rahmen wäre
daher besser.