# taz.de -- Karaleev auf der Fashion Week: „Mode ist Evolution“
       
       > Am Mittwoch beginnen die Schauen auf der Berliner Fashion Week. Der
       > experimentierfreudige Vladimir Karaleev über die tollsten Partys, Mode
       > als Industrie und mehr Ruhe.
       
 (IMG) Bild: Perfekt: Die Inszenierung der Herbst/Winterkollektion Vladimir Karaleevs im Januar in Berlin.
       
       taz: Herr Karaleev, Sie hätten als Modedesigner nach Paris oder Mailand
       gehen können. Warum ausgerechnet Berlin? 
       
       Vladimir Karaleev: Ich sprach vorher schon ein bisschen deutsch, weil ich
       in Sofia auf dem deutschen Gymnasium war. Und es war ziemlich einfach, nach
       Deutschland zu kommen. Berlin war damals vor elf Jahren auch super hip, vor
       allem für Raver wie mich. Und seit ich 1999 zum Schüleraustausch hier war,
       war für mich klar: Hier gibt es die tollsten Partys und viele, viele
       Freiräume.
       
       Und studiert haben Sie nebenbei? 
       
       Ja, ich war damals 19 und bin gleich nach der Schule nach Berlin gezogen,
       um an der Hochschule für Technik und Wirtschaft zu studieren. Aber das
       Allerwichtigste waren die Menschen, die Partys, und es gab einfach tolle
       Dinge zu tun.
       
       Viele Designer erzählen, wie sehr die Stadt, in der sie leben, ihre Arbeit
       beeinflusst. Was ist da tatsächlich dran? 
       
       Ich muss schon in einer Großstadt sein für den kreativen Prozess, da gibt
       es mehr Impulse aus meiner Umwelt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich
       in einer Hütte auf dem Dorf Sachen entwerfe. Obwohl – jetzt schon eher als
       früher.
       
       Weil Sie jetzt professioneller arbeiten? 
       
       Ich merke einfach, dass ich mehr Ruhe brauche. Manchmal stresst mich das
       Ganze.
       
       Sie haben sich relativ schnell selbstständig gemacht. 2005 gründeten Sie
       Ihr eigenes Label. War das in einer armen Stadt wie Berlin ein Problem? 
       
       Die Selbstständigkeit lief von Anfang an richtig gut. Ich habe meine erste
       Kollektion nur gemacht, weil ich Lust darauf hatte. Damals gab es keine
       Fashion Week, sondern nur Messen wie die Bread and Butter und Premium.
       
       Sie haben in einen Hinterhof in Mitte Ihre erste Kollektion „Cut 210“
       gezeigt. 
       
       Irgendwie war alles ein bisschen unorganisiert. Ich wollte einfach mal Mode
       machen und habe gleich nach der Show Einkäufer aus Japan gefunden, die mir
       in Tokio einen Showroom organisiert haben.
       
       Vom Hinterhof zum eigenen Showroom. Wieso haben gerade Japaner Ihr Talent
       entdeckt? 
       
       Die Japaner wussten, dass es in Berlin voll was zu sehen gibt. Die waren
       verrückt nach Berliner Mode. Berlin war so ungebranded, man konnte neue
       Dinge finden, und das fanden die Japaner super.
       
       War für Sie immer klar, dass Sie Mode machen wollten? 
       
       Ja. Die ganzen Strukturen waren mir aber unklar, also wie man zum Beispiel
       Preise macht und wie man Rechnungen schreibt. Ich habe immer meine Kunden
       gefragt, das hat irgendwie gepasst.
       
       Und heute gelten Sie als ein großer Hoffnungsträger in der deutschen Mode. 
       
       Ich finde das schwierig, weil irgendwann kommt die Enttäuschung. Die Leute
       haben zu große Erwartungen.
       
       Ist für Sie Mode Ausdruck von Gesellschaft? 
       
       Für mich schon, ja.
       
       Und wie ist das in Deutschland? 
       
       Die Mode hat in Deutschland keine Tradition wie in Frankreich oder in
       Italien. Deutsche Mode war nie ein Kulturgut, sondern immer eine Industrie,
       so wie die Autoindustrie.
       
       Wie arbeiten Sie? 
       
       Ich bin eher am Experiment interessiert, als auf der sicheren Seite zu
       sein. Ich arbeite direkt an der Puppe mit Originalstoff. Ich bin immer
       richtig aufgeregt, wenn ich was Neues entwerfe, weil ich so richtig
       ungeduldig bin. In Berlin kann man sich so was leisten, auch finanziell.
       Natürlich muss ich Sachen verkaufen, will aber im Endeffekt glücklich mit
       meinen Sachen sein.
       
       Warum haben Ihre Modelle oft so etwas Unfertiges, zum Beispiel ungenähte
       Säume? 
       
       Das ist ein Gestaltungselement, so, als ob man immer eine rote Sohle für
       Schuhe nehmen würde. Das ist eine Ästhetik, die ich schön finde. Ich kann
       meine Idee darin ausdrücken.
       
       Und worin besteht diese Idee? 
       
       Na ja, es ist die Idee vom Spontanen. Ich messe nicht mit dem Maßband, wie
       ich etwas ausschneide. Ich mach es einfach an der Puppe und schneide nach
       Augenmaß. Es ist ein wenig wie mit einer Skizze. Der Strich ist einfach da,
       damit wird grob was skizziert, und man weiß sofort, was es ist. Das
       Andeuten und Nicht-zu-Ende-Bringen finde ich spannend. Und vom Technischen
       her: Wenn man was absäumt, hat man eine Naht, und die ist einfach da. Das
       ist jetzt kein Skandal mehr wie vor dreißig Jahren. Das ist will ich auch
       gar nicht. Es ist auch nicht mein Markenzeichen. Ich denke nicht: Scheiße,
       das man muss jetzt abschneiden, weil sonst keiner erkennt, dass es von mir
       ist.
       
       In Ihrer letzten Kollektion sind Sie mit diesem Gestaltungselement sehr
       vorsichtig umgegangen. Hatten Sie genau diese Angst, dass es ein
       Markenzeichen wird? 
       
       Nein, es muss so sein, Mode muss sich weiterentwickeln. Mode ist keine
       Revolution, sondern eine Evolution. Es muss jede Saison weiterführen.
       
       Vor allem auf der Berliner Fashion Week herrscht aber eine Rückbesinnung
       auf feminine Schnitte und Formen. Warum? 
       
       Das hat mit der Tradition in der Mode zu tun. Mode musste historisch immer
       der Frau schmeicheln und den Körperformen folgen. Und dann kamen Ende der
       Siebziger und Achtziger die Japaner, da ging es darum, wie Kleidung fällt
       und sich bewegt – auf andere Weise als im klassischen Rahmen. Aber diese
       Antiform gab es in Deutschland gar nicht.
       
       Wie wichtig ist es Ihnen, dass Ihre Mode als tragbar gilt? 
       
       Wenn ich Blogs oder so über mich lese, steht da oft, dass meine Sachen
       untragbar seien. Das ist ein sehr wichtiger Faktor in Deutschland, wo Mode
       eben als Industrie und Geschäft gilt.
       
       Warum zeigen Sie dieses Jahr bei der Berlin Fashion Week nicht im Zelt am
       Brandenburger Tor? 
       
       Ich wollte Abwechslung. Ich hab dreimal hintereinander im Zelt gezeigt, und
       dieses Mal habe ich einen wunderbaren Theaterraum gefunden und wollte keine
       Laufstegshow machen, sondern eher eine Installation.
       
       Wieso? 
       
       Ich zeige diesmal nicht die volle Kollektion, sondern eine Pre Collection,
       also eine vorläufige Sommer/Frühling-2013-Kollektion. Diese Kollektion ist
       auch ein bisschen anders, ich würde fast schon sagen: kommerzieller.
       
       Was meinen Sie damit? 
       
       Ich habe zum ersten Mal Prints selbst entwickelt und auf Stoffe gedruckt.
       Solche Prints werden vom Publikum eher angenommen als meine ganz
       experimentellen Sachen.
       
       Wo produzieren Sie? 
       
       In Berlin und Bulgarien.
       
       Werden Sie eigentlich in Bulgarien wahrgenommen? 
       
       Ja, eigentlich schon. Als ich jetzt im Dezember da war, hat mich sogar der
       Präsident angerufen.
       
       4 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Enrico Ippolito
       
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 (DIR) Mode
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