# taz.de -- Diversity am Arbeitsplatz: Karriere mit Homo-Faktor
       
       > Viele Unternehmen entdecken schwule und lesbische Mitarbeiter für sich.
       > Und auch Homos suchen gezielt nach Arbeitsplätzen, wo sie sich nicht
       > verstecken müssen.
       
 (IMG) Bild: Auch am Arbeitsplatz super: LGBTs.
       
       BERLIN taz | Das Thema Homosexualität am Arbeitsplatz ist in den deutschen
       Vorstandsetagen angekommen. „Es bewegt sich etwas in Deutschland“, sagt
       Katrin Suder. Sie leitet die Berliner Dependance der Wirtschaftsberatung
       McKinsey und befasst sich dort mit dem sogenannten LGBT-Diversity
       Management – die Abkürzung steht für lesbian gay bisexual transgender. 
       
       „Die Vorteile von LGBT-Diversity-Management sind unbestritten“, sagt Suder,
       die selbst lesbisch ist und eine einjährige Tochter hat. Unternehmen, die
       Vielfalt fördern, seien „erfolgreicher, die Mitarbeiter zufriedener“.
       Daneben profitieren solche Firmen natürlich auch vom Imagegewinn. „Sie
       können neue Absatzmärkte erschließen, neue Mitarbeiter gewinnen und so dem
       Fachkräftemangel entgegenwirken.“
       
       Bei der Allianz beispielsweise gibt es ein Netzwerk der LGBT-Mitarbeiter,
       einen Ansprechpartner und Veranstaltungen für homosexuelle Angestellte. Der
       Versicherungskonzern hat einen runden Tisch mit Teilnehmern aus Politik,
       Industrie und Gesellschaft organisiert, um über die Integration von Homos
       in die Arbeitswelt zu diskutieren. Auf die Einladung reagierten einige der
       DAX-Konzerne mit Skepsis. Denn die sexuelle Orientierung ist – im Gegensatz
       zur Frage des Geschlechts oder der Herkunft – schwer greifbar und wird
       häufig als Privatsache abgetan.
       
       Dabei spielt die sexuelle Identität auch im Job eine Rolle. Das haben viele
       Unternehmen erkannt. Deshalb beschäftigen sie sich im Rahmen des Diversity
       Management mit der sexuellen Orientierung ihrer Mitarbeiter.
       
       ## Workshops für Ungeoutete
       
       Die Commerzbank etwa unterstützt das schwul-lesbische Mitarbeiternetzwerk
       und organisiert für noch nicht geoutete Angestellte Workshops. Ähnliche
       Programme gibt es bei der Post, der Deutschen Bank, der Telekom und bei
       SAP.
       
       Wie viele davon profitieren, ist schwer abzuschätzen – die Datenlage zum
       Thema „Homosexuelle in der Arbeitswelt“ ist dünn, die letzte große Studie
       fünf Jahre alt. Forscher der Uni Köln befragten damals über 2.200
       Homosexuelle zu ihren Erfahrungen im Job. 52 Prozent von ihnen sprachen
       demnach am Arbeitsplatz nicht über ihre sexuelle Orientierung, aus Angst
       vor Diskriminierung oder vor einem Karriereknick.
       
       Von denen, die ihre sexuelle Orientierung den Kollegen offenbarten, bekamen
       über 90 Prozent der Befragten überwiegend positive Reaktionen. Zugleich
       hatten 80 Prozent Diskriminierung oder Ungleichbehandlung erlebt: Es wurde
       getuschelt, sexuelle Anspielungen oder Missachtung kamen vor. Bei der
       Urlaubsplanung wurde mehr Flexibilität verlangt, es gab höheren
       Leistungsdruck und teils geringere Wertschätzung.
       
       ## Von 8 auf 70 in drei Jahren
       
       Dass dem Thema sexuelle Identität in der Arbeitswelt immer größere
       Bedeutung beigemessen wird, zeigte sich auch bei der schwul-lesbischen
       Karrieremesse Milk im Juni in Berlin. 70 Unternehmen waren vertreten – vor
       allem aus der IT-Branche, dem Medien-, Bank- und Dienstleistungssektor.
       
       Vor drei Jahren, bei der ersten Milk, waren es nur acht Aussteller. „Da war
       noch viel Überzeugungsarbeit nötig“, sagt Anders Wilkberg, der die Messe
       2009 mit ins Leben gerufen hat. Heute seien die Firmen offener, suchten
       aktiv nach schwulen und lesbischen Mitarbeiten.
       
       Bei der ersten Milk war der Presseandrang riesig, sagt Wilkberg. „Die
       Medienleute waren dann beinahe enttäuscht, weil es nicht so bunt und
       verrückt war, wie sie es sich erhofft hatten.“ Keine Federboas, keine
       schrägen Tunten. Sondern Anzüge, Krawatte, schwarze Schuhe. Damals wie
       heute seriös aussehende junge Menschen auf der Suche nach homofreundlichen
       Jobs.
       
       ## Kein Versteckspiel am Arbeitsplatz
       
       Jonas ist 26 und arbeitet bei einem großen Chemieunternehmen in der
       Forschung, einem eher traditionellen Industriebereich. „Wir haben zwar eine
       Diversity-Abteilung, die sexuelle Orientierung spielt da aber keine Rolle“,
       sagt er. Jonas sucht keinen neuen Job, in seiner Firma sei er zufrieden.
       Trotzdem will er das Thema LGBT bei seinem Arbeitgeber auf die Agenda
       setzen.
       
       Dafür braucht er Inspiration und Erfahrungen von anderen. Es geht ihm ums
       Klima in der Firma. „Schwule und Lesben überlegen sich heute genau, bei wem
       sie arbeiten wollen“, sagt er. Wer will sich am Arbeitsplatz schon
       verstecken, wer seine Freizeitgestaltung erfinden müssen.
       
       Auch Adam will sich in seinem neuen Job ohne Angst vor Diskriminierung
       outen können. Er ist 25, schließt gerade sein Pädagogikstudium ab und ist
       extra für die Milk aus Köln nach Berlin gefahren. Lange redet er mit dem
       Mann von der Targo-Bank. Zum Schluss überreicht er dem Bankvertreter seinen
       Lebenslauf. Gern würde er in der Targo-Personalabteilung arbeiten. „Ich
       will nicht zwischen Beruf und Privat trennen müssen“, sagt er.
       
       ## Positive Diskriminierung
       
       Markus Klemm hat die Bewerbung von Adam entgegengenommen. Es ist die
       zwanzigste. Ein paar Dutzend werden noch folgen. „Wir suchen Individuen“,
       sagt der Banker. Schwule Mitarbeiter hätten viele Vorteile. „Sie nehmen
       natürlich schnell Trends auf, sind kreativ und können ihre Erfahrungen bei
       uns einbringen.“ Dazu kommt: Homosexuelle Mitarbeiter ziehen homosexuelle
       Kunden an.
       
       Positive Diskriminierung und Klischees. Aber wenigstens ehrlich. Dass
       Schwule und Lesben außerdem noch häufiger als Heteros keine Kinder
       bekommen, ihre Energie also eher auf den Job als auf die Familie richten
       können ist ein naheliegender Vorteil. Offen sagen will das kein
       Unternehmen.
       
       Auch Uta Menges sucht auf der Messe gezielt nach jungen schwulen Männern.
       „Sie sind agil und kontaktfreudig“, sagt die Diversity-Leiterin von IBM in
       Deutschland. Sie sieht ihre Aufgabe darin, alle Mitarbeiter in ihrem
       Unternehmen zu sensibilisieren. „Wir wollen eine vielfältige Mannschaft,
       die verschiedene Erfahrungen einbringt“, sagt Menges.
       
       Dass der Computerkonzern inzwischen als Vorreiter der Förderung schwuler
       und lesbischer Arbeitnehmer gilt, hat sich auch in der Szene
       herumgesprochen. „Immer häufiger bekommen wir Lebensläufe, in denen als
       Beziehungsstatuts ’verpartnert‘ steht. Da sind wir schon stolz drauf“, sagt
       sie.
       
       Zwar nehmen immer mehr Unternehmen den Diversity-Gedanken im Bereich
       sexueller Identität auf, doch noch herrschen viel Unwissen und Scheu.
       
       „Sich LGBT auf die Fahne zu schreiben birgt für die Firmen auch ein
       gewisses Risiko“, sagt die Mc-Kinsey-Beraterin Katrin Suder. Es sei noch
       viel zu tun. „Es gibt viele Karrierefrauen, die ihr Lesbischsein
       verstecken“, weiß Suder. Nicht zuletzt aus Gründen des gegenseitigen
       Respekts müsse Vielfalt Teil der Unternehmenskultur werden. „Heute kann
       meiner Meinung nach kein Unternehmen mehr auf Diversity-Strategien für
       homosexuelle Mitarbeiter verzichten.“
       
       5 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Paul Wrusch
       
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