# taz.de -- Namensstreit in Dresden: Die Null-Toleranz-Zone
       
       > Straßennamen sollten nicht an Opfer von Fremdenhass oder an NS-Verbrechen
       > erinnern, finden CDU und FDP in Dresden. Sie fürchten ein „Netz der
       > Schande“.
       
 (IMG) Bild: 2009 wurde die schwangere, mit einem Wissenschaftler verheiratete Ägypterin Marwa El-Sherbini als Zeugin im Gerichtssaal vom Angeklagten niedergestochen.
       
       DRESDEN taz | Es gibt Hoffnung, dass Dresden endlich zu einer aufgeklärten
       und wirklich weltoffenen Stadt heranwächst. Seit Jahrhunderten eher von
       weichlichen Residenzlern bevölkert, von Künstlern ebenso gesucht wie
       geflohen, zuletzt den Mythos der unschuldigen Stadt inmitten der
       Nazi-Barbarei pflegend, gewinnen nun unpathetische tolerante Akademiker
       immer mehr an Einfluss.
       
       Umso mehr muss es wie ein Anachronismus wirken, was die alte Garde eines in
       die Defensive geratenen Kleingeistbürgertums im Stadtrat veranstaltet. Es
       war nicht Skandal genug, dass das „bürgerliche Lager“ im Januar den Antrag
       auf Namengebung einer Marwa-El-Sherbini-Straße am Landgericht gar nicht
       erst in die Ausschüsse gelangen ließ.
       
       Die schwangere, mit einem Wissenschaftler verheiratete Ägypterin war vor
       drei Jahren als Zeugin im Gerichtssaal vom Angeklagten niedergestochen
       worden. Ein CDU-Stadtrat mit dem unverfänglichen Namen Brauns, Richter an
       ebendiesem Landgericht, hatte mit Fraktionsaustritt gedroht, sollte der
       Antrag durchkommen.
       
       Nun setzte sein CDU-Fraktionsvorsitzender Georg Böhme-Korn noch eins drauf.
       Anlass war eine Debatte über den Antrag der Grünen, ebenfalls mit einem
       Straßennamen an die baskische Stadt Guernica zu erinnern. Im Spanischen
       Bürgerkrieg war sie 1937 von der deutschen Legion Condor sozusagen als
       Kriegstestfall aus der Luft zerstört worden.
       
       ## „Netz der Schande“
       
       Picasso setzte ihr mit seinem Guernica-Gemälde ein Denkmal. CDU und FDP
       lehnten ab und brachten so die beiden NPD-Stadträte nicht zum ersten Mal in
       die komfortable Lage, als „Zünglein an der Waage“ den Grünen-Antrag
       endgültig zu Fall zu bringen. Was die Neonazis per Mitteilung selbstredend
       feierten. Doch die eigentlich skandalösen Äußerungen dieser Debatte kamen
       nicht von der NPD.
       
       Fraktionschef Böhme-Korn unterstellte den Grünen eine Strategie, Dresden
       mit einem „Netz der Schande“ und entsprechenden Fanalen zu überziehen. Das
       habe bereits 2007 mit dem Jorge-Gomondai-Platz in Erinnerung an den 1991
       ermordeten Mosambikaner begonnen.
       
       Gomondai gilt als das erste rassistische Mordopfer in Ostdeutschland nach
       der Wende und wurde aus einer fahrenden Straßenbahn gestoßen. Solche
       symbolischen Gesten diffamierte der 62-jährige evangelische Christ als
       „Mea-Culpa-Geschrei“. Der CDU-Fraktionsvorsitzende hatte bereits im Mai
       Guernicas Oberbürgermeister Gorrono angeschrieben.
       
       In teils grotesken Windungen begründete er, warum ein Straßenname kein
       „wirklich geeignetes Zeichen wäre, diesem uns fest verbindenden Willen nach
       Vergebung, Versöhnung und Frieden angemessenen Ausdruck zu verleihen“.
       
       ## Konstruktives Zusammenleben
       
       Mit seinen jüngsten Äußerungen aber hat Böhme-Korn offenbar das Fass zum
       Überlaufen gebracht. Die Dresdner Jusos forderten seinen Rücktritt und
       erinnerten an das bleibende Ärgernis für die Nazis, das die Namengebung
       Geschwister-Scholl-Straße vor dem NPD-Verlag Deutsche Stimme in Riesa
       darstellt.
       
       Das Kulturbüro Sachsen, Koordinator von sächsischen Demokratieinitiativen,
       nannte seine Wortwahl „unverzeihlich“, forderte eine Distanzierung der
       CDU-Fraktion und eine inhaltliche Auseinandersetzung. Böhme-Korn
       konterkariere Bemühungen, „sich ernsthaft mit dem neonazistischen,
       rassistischen und islamfeindlichen Problem in Dresden auseinanderzusetzen“.
       
       „Diese Äußerung verdient eine Klarstellung“, fühlte sich auch der
       sächsische Ausländerbeauftragte Martin Gillo (CDU) herausgefordert. Der
       Freistaat Sachsen bekenne sich eindeutig zu einem konstruktiven
       Zusammenleben aller hier lebenden Menschen.
       
       Der Historiker Matthias Neutzner, Vorsitzender der IG 13. Februar 1945 warf
       den CDU- und FDP-Stadträten vor, „das Aktionsbündnis der demokratischen
       Stadtöffentlichkeit für ein verantwortliches Erinnern an
       Nationalsozialismus, Krieg und Zerstörung zu kündigen“.
       
       Böhme-Korn reagierte politikerüblich, sprach von „Missverständnissen“ und
       aus dem Zusammenhang gerissenen Äußerungen. Ansonsten scheint er
       unbeeindruckt. An den Ehrungen zum dritten Todestag für Marwa El-Sherbini
       zu Wochenbeginn nahm er nicht teil.
       
       6 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
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