# taz.de -- Leckere Erfolgsgeschichte: Ich möchte ein Erdbeer sein
       
       > Die mühevolle Erdbeerernte in Deutschland wird vor allem von
       > osteuropäischen Wanderarbeitern für Dumpinglöhne gestemmt. Und die
       > Importbeeren sind ökologisch fragwürdig.
       
 (IMG) Bild: Yummie yummie yummie I got love in my ... Gilt auch für Erdbeeren.
       
       BERLIN taz | Die Erdbeere ist eine deutsche Erfolgsgeschichte. Gab es 1990
       erst 5.000 Hektar Anbaufläche, so ist es derzeit fast dreimal so viel,
       knapp die doppelte Fläche Hamburgs. Darauf wurden im letzten Jahr 154.400
       Tonnen Erdbeeren geerntet. „Das geht nur durch Wanderarbeiter“, sagt der
       Sozialgeograf Jörg Becker. Viele würden im März aus Polen oder Rumänien zur
       Spargelernte kommen und nach Erdbeer-, Kirsch-, Wein- oder Apfelernte erst
       im November wieder fahren, wenn die letzten Möhren aus der Erde geholt
       worden sind, erklärt Becker. Ohne die Zehntausende Helfer gehe in deutschen
       Agrarbetrieben wenig.
       
       „Die Erdbeerpflücker brauchen besonders viel Geschicklichkeit“, betont Jörg
       Becker. Und sie verdienen noch weniger als die Verkäuferinnen in der
       Branche: Laut einem inzwischen ausgelaufenen Tarifvertrag zwischen 6,10
       Euro (Ost) und 6,40 Euro (West). „Völlig unklar, wie die überleben können“,
       sagt Becker. Einen gültigen Tarifvertrag gibt es nicht, die Tarifpartner
       konnten sich nicht einigen.
       
       Für Botaniker gehören Erdbeeren nicht zur Familie der Beeren, sie sind
       sogenannte Sammelnussfrüchte. Die kleinen grünen Hubbel auf der Oberfläche
       des Fruchtfleisches sind also kleine Nüsschen. Die beliebteste Sorte in
       Deutschland heißt Fragaria. Insgesamt sind etwa 15 Sorten gängig, die sich
       vor allem nach ihrer Erntezeit unterscheiden. Einige haben mehr Vitamin C
       als Zitronen. Von den 300 aromarelevanten Stoffen der Erdbeere sind für die
       Geschmacksnerven des Menschen etwa 20 wirklich wahrnehmbar.
       
       „Die Diskussion über chemische Rückstände in Früchten hat den heimischen
       Anbauern in die Karten gespielt“, sagt Matthias Strobl, Agrarexperte beim
       Naturschutzbund Nabu. Viele Kunden setzten dabei auf Produkte aus der
       Region, Bio spiele keine so große Rolle.
       
       „Allerdings ist es wie beim Spargel und beim Beaujolais“, sagt Strobl: „Wer
       früh kommt, darf mit Aufschlag verkaufen.“ Auch weil manche Kunden
       Erdbeeren schon unterm Weihnachtsbaum naschen wollen, wurden 2011 etwa
       85.000 Tonnen Erdbeeren importiert. Wenn sie bei uns auf dem Tisch landen,
       haben sie bereits einen sehr weiten Weg hinter sich. Die Herkunftsländer
       sind Marokko, Ägypten, Israel, Neuseeland oder Mexiko, aber Spanien führt.
       
       Hier bedroht der enorme Durst der Erdbeere den Grundwasserspiegel. Laut
       einer Studie des Umweltverbands WWF wurden bislang in Spanien mehr als
       2.100 Hektar öffentlicher oder privater Wälder ohne Genehmigung in
       Erdbeerplantagen umgewandelt, 450 Hektar davon sogar in besonders
       geschützten Natura-2000-Gebieten. In Andalusien sind ganze Landstriche mit
       Erdbeerfeldern unter Plastikplanen übersät – viele davon illegal.
       
       Viele Importbeeren werden mit Flugzeugen oder in Lkw-Ladungen ins Land
       gebracht. Ökologisch fragwürdig und nicht gut für die Beeren: Es erhöht
       ihre Anfälligkeit für Druckstellen. Die Erdbeere ist nämlich eine sehr
       anspruchsvolle Frucht: Sie muss so schnell wie möglich nach dem Pflücken
       gegessen werden, weil sich sonst der in ihr enthaltene Zucker abbaut.
       
       9 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai Schöneberg
       
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