# taz.de -- Beratungsstelle für Sexarbeiterinnen: Zerstritten und pleite
       
       > Der Verein Belladonna in Frankfurt/Oder hat Menschenhandel bekämpft.
       > Jetzt wurde die Exchefin wegen Untreue verurteilt. Und Brandenburg will
       > Fördermittel zurück.
       
 (IMG) Bild: Streetworkerinnen von Belladonna gingen in Bordelle und boten den Frauen Kontakt und Hilfe an.
       
       FRANKFURT (ODER) taz | Es ist mehr ein Symbol denn eine realistische
       Forderung. 320.000 Euro Fördermittel verlangt Brandenburg von dem
       insolventen Verein Belladonna zurück, mit dem das Land jahrelang
       zusammenarbeitete im Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution.
       Hintergrund ist ein Strafverfahren gegen die frühere Geschäftsführerin Uta
       L., die Geld in Höhe von 24.000 Euro veruntreut haben soll.
       
       Derzeit prüft der zuständige Insolvenzverwalter Udo Feser, ob der
       Vereinsvorstand sowie die Geschäftsführung für die Forderungen des Landes
       haftbar gemacht werden können: „Es ist eher eine theoretische Möglichkeit“,
       sagt Feser. Das Land beziffert damit einen Schaden, der weniger finanziell
       denn gesellschaftspolitisch schwer wiegt.
       
       Vor zwei Jahren hatte der Vorstand Insolvenz angemeldet. Dabei bewegten
       sich die Schulden laut Feser in überschaubarem Umfang. Ausschlaggebend für
       die Entscheidung war offenbar der Rückzug von Uta L., der Schlüsselfigur
       des Vereins.
       
       Bereits 2009 hatte die Staatsanwaltschaft die Geschäftsstelle in Frankfurt
       (Oder) durchsucht. Der Verdacht: Untreue. 15 Kisten Material wurden damals
       beschlagnahmt, über drei Jahre dauerten die Ermittlungen der
       Staatsanwaltschaft, bis es Ende Juni 2012 zum Prozess gegen Uta L. kam.
       
       Dieser endete schnell und mit einem „Quasigeständnis“ der Angeklagten, wie
       die Richterin es nannte. Vorgetragen wurde es unter Ausschluss der
       Öffentlichkeit. Uta L. wurde zu einer Geldstrafe von 3.750 Euro wegen
       Untreue in 52 Fällen verurteilt. Rund 225.000 Euro hatte der Verein
       jährlich vom Land Brandenburg für seine Arbeit erhalten.
       
       ## 
       
       Belladonna war eine Beratungsstelle für Frauen in Notsituationen, speziell
       für Sexarbeiterinnen in der deutsch-polnischen Grenzregion, egal, ob diese
       freiwillig oder unfreiwillig arbeiteten. Entstanden ist der Verein 1990 aus
       einer lokalen frauenbewegten Initiative in Frankfurt (Oder). Die
       Mitarbeiterinnen von Belladonna gingen zu den Frauen, die auf dem
       Straßenstrich und in den Nightclubs arbeiteten und wohnten, verteilten
       Kondome, boten kostenlose Aidstests an sowie medizinische oder psychische
       Betreuung.
       
       Gründerin war die Geschäftsführerin Uta L. Sie war es, die Projekte
       entwickelte – „nicht am Schreibtisch, sondern aus der Notwendigkeit
       heraus“, wie sie sagt. Sie trieb Fördergelder ein, bildete sich und ihre
       Mitstreiterinnen fort. Einige kamen aus früheren LPGs oder waren aus der
       ehemaligen Sowjetunion eingewandert.
       
       Uta L. gewann das Vertrauen von Ministerien, Bundeskriminalamt,
       Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft. Das von ihr entwickelte
       Kooperationsmodell gegen Menschenhandel wurde Vorbild für andere
       Bundesländer. Belladonna holte die Frauen aus dem Umfeld der Prostitution
       und betreute Dutzende Opferzeuginnen, die in Menschenhändlerprozessen
       aussagten. „Bei uns gab es keine festen Arbeitszeiten“, sagt Uta L. „Wir
       waren immer da für die Frauen. Belladonna war wie eine Familie.“
       
       ## 
       
       Bis mehrere Anzeigen eingingen, zum Teil aus dem Kreis früherer
       Mitarbeiterinnen. Bareinnahmen aus der vereinseigenen Cafeteria soll L. an
       der Buchführung vorbei in ein eigenes Portemonnaie gelenkt haben. Das
       behauptet eine frühere Köchin. Die Cafeteria hätte das ruiniert, es ging um
       16.000 Euro.
       
       Weitere 8.000 Euro soll L. für Vereinsfahrten zu Tierschutzorganisationen
       in der Ukraine zweckentfremdet haben. Uta L. bestreitet die Vorwürfe auch
       nach dem Urteil. Das Geständnis vor Gericht habe sie allein deswegen
       abgelegt, um kein langwieriges Verfahren in Kauf zu nehmen, sagt sie.
       
       Der Prozess selbst klärte die Bereicherungsvorwürfe nicht. Er offenbarte
       vielmehr die emotionalen Zerwürfnisse zwischen einer dominanten Chefin und
       ihren Mitarbeiterinnen. Von denen haben manche Jobs in anderen Branchen
       gefunden, andere sind arbeitslos.
       
       Uta L. ist inzwischen nach Westdeutschland gezogen. Sie hat einen
       Unterstützerverein für Straßenhunde in Polen und der Ukraine gegründet.
       
       9 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nancy Waldmann
       
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