# taz.de -- Verfassungsschutz: Privatisierungsbremse kommt
       
       > Ohne Volksentscheid darf der Bremer Senat künftig keine Unternehmen mehr
       > verkaufen.
       
 (IMG) Bild: Das Gebäude ist fertig, sein Inneres aber mehr denn je eine Baustelle: Bremer Landesbank
       
       BREMEN taz | Das sei „ein guter Tag für die Demokratie“, meinte der
       Grünen-Fraktionssprecher Matthias Güldner. Mit seiner rot-grünen
       Zweidrittelmehrheit – teils auch unter Zustimmung der CDU – hat der Bremer
       Landtag in erster Lesung ein Gesetz zur Senkung der Hürden für
       Bürgerbegehren und Volksentscheide verabschiedet. In dem Paket war auch ein
       Gesetz, nach dem die Privatisierung von Unternehmen, die „dem Gemeinwohl
       dienen“, nur nach einem „zustimmenden Volksentscheid“ möglich sein soll.
       Eine solche Privatisierungsbremse ist für deutsche Landesverfassungen neu.
       
       Die Bremer CDU lehnte dies ab – die Rechtsform von Unternehmen bedürfe
       nicht des Schutzes der Landesverfassung, meinte der
       CDU-Fraktionsvorsitzende Thomas Röwekamp, da gehe es um Fragen, die der
       Gesetzgeber mit politischer Mehrheit verantworten müsse.
       
       Der SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe berichtete dem CDU-Mann daraufhin, was
       alles in der Bremer Verfassung als staatliche Aufgabe formuliert ist, nicht
       nur der „Anspruch auf eine angemessene Wohnung“ (Artikel 14): Die geltende
       Bremer Verfassung regelt sogar, dass Unternehmen „in Gemeineigentum zu
       überführen“ sind, „deren Wirtschaftszweck besser in gemeinwirtschaftlicher
       Form erreicht werden kann“.
       
       Die Privatisierungsbremse soll sich auf Unternehmen der Energie-, Abfall-
       und Wasserversorgung beziehen, auf die Wohnungsversorgung und auf
       Unternehmen, die „wesentliche Beiträge zur wirtschaftlichen, verkehrlichen
       oder kulturellen Infrastruktur leisten“. Eine Privatisierung der kommunalen
       Wohnungsbaugesellschaft Gewoba dürfte danach praktisch ausgeschlossen sein
       – gegen 70.000 Mieter dürfte es keine Mehrheit geben.
       
       Der Abgeordnete der Linken, Klaus-Rainer Rupp, fragte nach, warum denn die
       kommunalen Kliniken in der Liste nicht erwähnt seien. „Das geht rechtlich
       nicht“, versichterte Tschöpe. Die rot-grüne Koalition lehne aber eine
       Privatisierung ab und verfolge das Ziel, unter Beweis zu stellen, „dass
       kommunale Kliniken konkurrenzfähig sind“.
       
       *******
       
       Kommentar: Was bringt die Privatisierungsbremse? 
       
       In den 1990ern hat Bremen mit den Stimmen der großen Koalition die
       Stadtwerke (Strom, Gas, Wasser) verkauft, die zwei
       Wohnungsbaugesellschaften, das stadteigene Datennetz. Nur eklatant
       unrentable Betriebe wie der kleine Stadtflughafen oder der öffentliche
       Nahverkehr blieben von der Privatisierungsdiskussion verschont.
       
       Die Privatisierungswelle sei ein Fehler gewesen, bekannte gestern der
       SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe. Nicht nur in Bremen wird heute über
       "Rekommunalisierung" geredet. Das Geld, solche Betriebe wieder
       zurückzukaufen, hat allerdings keine Kommune in Deutschland, auch Bremen
       nicht. Mit einer Privatisierungsbremse wäre der Ausverkauf der öffentlichen
       Daseinsvorsorge in den 1990er Jahren vermutlich nicht passiert - sie kommt
       insofern zu spät.
       
       Wirklich? Verfassungsänderungen wie die der "Privatisierungsbremse" lassen
       sich politisch mit Zweidrittelmehrheit nur durchsetzen, wenn sie scheinbar
       irrelevant sind. Rot-Grün könnte im Bremer Landesparlament auch ohne die
       Verfassungsänderung jede Privatisierung blockieren. Die Verankerung in der
       Verfassung ist ein "Vorratsbeschluss" für andere Mehrheiten. In
       neoliberalen Zeiten gerieten zwei kommunale Beteiligungen nichts ins
       Visier: die Wohnungsbaugesellschaft Gewoba (ehemals Neue Heimat), in der
       sich zigtausend Wähler vor den Miethaien sicher fühlen, und die Beteiligung
       an der Bremer Landesbank. Wenn eine spätere Landesregierung diese beiden
       Gesellschaften versilbern will, muss sie sich eine gute Begründung
       einfallen lassen.
       
       Und selbst wenn die kommunalen Kliniken nicht ausdrücklich in der
       Landesverfassung erwähnt sind - kein Senat könnte, solange die CDU nicht
       allein regiert, es sich erlauben, die Privatisierung der Kliniken ohne
       Volksentscheid zu betreiben.
       
       Der neue Passus in der Landesverfassung ist übrigens auch ein guter Schutz
       gegen Bundesverfassungsrichter, die im Falle des Berliner Verfahrens als
       Argument anführten, der Berliner Senat könne ja noch sein Wohnungseigentum
       verkaufen, um seine Kassenlage aufzubessern.
       
       12 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Wolschner
       
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