# taz.de -- Krieg im Ostkongo: Vogelscheuchen an die Front
       
       > Zehntausende Soldaten wollen Kongos Regierung und die UN-Mission in den
       > Ostkongo schicken. Sie sollen verhindern, dass die M23-Rebellen die Stadt
       > Goma einnehmen.
       
 (IMG) Bild: Kongolesische Soldaten auf dem Weg nach Goma.
       
       KIBUMBA/GOMA taz | Seine Uniform ist zerrissen, Rotz läuft ihm aus der
       Nase, graue Bartstoppeln bedecken das Kinn – der Soldat spiegelt den
       Zustand der kongolesischen Armee wieder. „Ich habe seit vier Tagen nichts
       gegessen, ich bin am Ende“, seufzt er und zeigt auf die Maniokfelder: „Wenn
       ich heute keine Rationen bekomme, muss ich die Ernte hier klauen.“
       
       Der Soldat, der seinen Namen nicht nennen will, sitzt am Fuße des
       gigantischen Nyiragongo-Vulkans, am Straßenrand nahe der Kleinstadt
       Kibumba, 28 Kilometer nördlich von Goma. Wie Vogelscheuchen stehen neben
       ihm Soldatenattrappen mit Helm und Uniform: zur Abschreckung. Goma,
       Hauptstadt der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu, soll nach dem Willen
       von Kongos Regierung und UNO unter keinen Umständen an die Rebellenarmee
       M23 fallen, die weiter nördlich in den Bergen sitzt, seit einer Woche
       mehrere Städte eingenommen hat und Goma bedrohlich nahe gerückt ist.
       
       Auch der hungrige Soldat soll seine Stellung hier einnehmen. Doch „kämpfen
       kann ich nicht mehr“, sagt er und schüttelt den Kopf. Plötzlich kommt ein
       Militärkonvoi angebraust und hält am Straßenrand.
       
       Schwer bewaffnete Spezialtruppen steigen aus. Sie salutieren vor dem
       frischernannten Armeechef für Nord-Kivu, General Luis Bahuma. Auch ein
       Konvoi von UN-Blauhelmsoldaten ist dabei. Der indische General Harinder
       Singh grüßt General Bahuma mit einem Handschlag. Gemeinsam stiefeln sie
       einen Hügel hinauf.
       
       Hoch oben auf dem Hügel hat man einen weiten Blick über die Landschaft:
       Rechts reihen sich die Berge Ruandas, links prangt der 4.700 Meter hohe
       aktive Vulkan Nyiragongo. Im Tal zieht sich die Straße aus Goma nach
       Norden, Richtung M23. Nicht weit entfernt liegt Nord-Kivus größte
       Militärbasis Rumangabo, die die Rebellen vergangenen Sonntag eingenommen
       haben. Ein UN-Helikopter kreist im Himmel. Die Generäle breiten eine Karte
       aus und besprechen die Verteidigungsstellungen.
       
       ## „Wir haben keine Wahl“
       
       Die Hügel um Kibumba sind entscheidend für die Sicherung Gomas. Hier sollen
       also schon am nächsten Tag drei kongolesische Armeeregimenter stationiert
       werden. Die UN-Blauhelmtruppe stellt näher an Goma eigene Panzer und
       Soldaten auf. „Ich werde an meine Einheiten appellieren und deren Moral
       aufbauen“, verspricht General Bahuma. „Wir haben keine Wahl. Wir müssen
       kämpfen.“
       
       In der Millionenstadt Goma landen täglich Flugzeuge voller Soldaten. Die
       UN-Mission im Kongo (Monusco) zieht aus allen Ecken des Landes Blauhelme
       zusammen, ebenso Kongos Armee. 28.000 Soldaten sollen nun die M23-Rebellen
       aufhalten, deren Stärke offiziell mit wenigen hundert angegeben wird. Um
       die Bevölkerung zu beruhigen, hält Monusco Paraden in Goma ab. Weiße
       UN-Panzer patrouillieren durch die staubigen Straßen.
       
       Am Montag war es in Goma zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen.
       Jugendliche und Motorradtaxifahrer hatten den Universitätscampus gestürmt
       und ruandische sowie kongolesische Tutsi-Studenten beschuldigt, mit der M23
       zu kollaborieren. „Sie kamen mit Benzinkanistern und wollten uns anzünden“,
       berichtet ein Ruander, der sich über die Grenze in sein Heimatland flüchten
       konnte.
       
       Viele Kongolesen werfen Ruanda vor, die M23 zu unterstützen. Die
       organisierte Zivilgesellschaft Gomas wollte diese Woche mehrfach
       Demonstrationen abhalten, doch die wurden verboten. Stattdessen wurde der
       Mittwoch zum Trauertag erklärt, Geschäfte waren geschlossen.
       
       ## „Die Moral ist gut“
       
       Im Monusco-Hauptquartier herrscht bis tief in den Abend Hochbetrieb. Kongos
       Armeestabschef, General Didier Etumba, brütet mit seinen UN-Kollegen über
       die Strategie gegen die Rebellen. „Die Moral meiner Soldaten ist gut, sie
       werden alles geben“, versichert er gegenüber der taz, als er aus der
       Einsatzbesprechung kommt.
       
       Auch Roger Meece, UN-Sonderbeauftragter für den Kongo, ist aus Kinshasa
       eingeflogen. Mit Bomben aus UN-Kampfhubschraubern sollen die
       M23-Stützpunkte zerstört werden, erklärt Meece. „Dies ist Teil der
       Strategie, die Bevölkerung zu beschützen, und es ist im Rahmen unseres
       Mandats“, sagt er zur taz.
       
       Doch bei der Bombardierung zweier Dörfer nahe Rutshuru durch die UN-Truppe
       wurden am Donnerstag nach unbestätigten lokalen Angaben Zivilisten
       getroffen: zwei Tote, vier Schwerverletzte. Man wird den Eindruck nicht
       los, dass niemand Verantwortung für den Schutz der kongolesischen
       Bevölkerung übernehmen möchte.
       
       Nachdem die M23 am Sonntag die Distrikthauptstadt Rutshuru, 70 Kilometer
       nördlich von Goma, und die Nachbarstadt Kiwandja eingenommen hatte, bot
       M23-Anführer Sultani Makenga an, die Städte wieder zu räumen und es der
       Monusco zu überlassen, die Einwohner zu schützen. Doch Monusco-Chef Meece
       akzeptiert das nicht: „Wir werden uns darauf nicht einlassen“, sagt er.
       
       Die M23 sei verantwortlich für alles, was dort geschehe. Allerdings sind
       die Rebellen inzwischen tatsächlich abgezogen; die Regierungsarmee ist
       zurück und beklaut die Bevölkerung, bestätigen Einwohner am Telefon.
       
       14 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schlindwein
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kongo
       
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