# taz.de -- Outsourcing: Weser-Kurier zerlegt sich selbst
       
       > Die Bremer Zeitung berichtet gern über arbeitsrechtliche Konflikte
       > anderer. Zu seinen eigenen schweigt sie, trotz diverser Prozesse gegen
       > sie.
       
 (IMG) Bild: Nicht mehr als ein Briefkasten weist auf die Anzeigen-Akquisefirma Stark des "Weser-Kuriers" hin.
       
       An einem der Briefkästen im großen „Weserhaus“-Bürogebäude Martinistr.
       62–66 hängt ein kleiner Zettel: „Stark Kundenservice Center Achim“ (SKC).
       Kein Firmenschild, kein Klingelschild – nichts außer dem Briefkasten-Zettel
       weist darauf hin, dass hier die Anzeigen-Abteilung des Weser-Kuriers ihre
       Büros hat. Eine eigenständige GmbH sei das, der Anfang dieses Jahres das
       für den Weser-Kurier-Verlag äußerst sensible Anzeigengeschäft übertragen
       wurde, sagen die Anwälte des Weser-Kuriers.
       
       Rund zwei Dutzend Prozesse führt der Bremer Arbeitsrechtler Jürgen Maly in
       diesem Zusammenhang. Er ist der Ansicht, dass der Gesellschafter SKC in
       Wahrheit als Strohmann des Weser-Kuriers handelt. Bisher hatte die
       Tochterfirma MVB den Auftrag der Anzeigen-Akquise mit Sitz im Pressehaus
       schräg gegenüber. Ziel der Neugründung, so Maly, sei es, die Betriebsräte
       auszubooten. Maly hat auch Strafanzeige erstattet wegen Behinderung der
       Betriebsratsarbeit. Diese angeblich eigenständige Firma SKC wird vor dem
       Bremer Arbeitsgericht vertreten durch den Berliner Presserechtler Prof Dr.
       Johannes Weberling – er ist Aufsichtsratsvorsitzender des
       Weser-Kurier-Verlages BTAG. Ein Schuft, wer Böses dabei denkt!
       
       Nicht nur im Bereich der Anzeigen-Akquise versucht die
       Weser-Kurier-Verlagsgruppe, die Unternehmensstrukturen zu zergliedern. Im
       Druckhaus sind nur noch rund die Hälfte der Arbeiter beim Weser-Kurier
       angestellt, die anderen kommen von Leihfirmen und über „Werkverträge“.
       Jüngst wurde die Anzeigendisposition einer Hamburger Firma Mangelsdorf
       übertragen. Weser-Kurier-Beschäftigte mussten dafür in eine Transfer-Firma
       wechseln, die letzten gehen am 31. Juli. Die Mangelsdorf-Mitarbeiter
       arbeiten übrigens nicht in Hamburg, sondern im Pressehaus in der
       Martinistraße.
       
       Leiharbeiter werden seit Jahren auch im journalistischen Bereich vor allem
       in den Außenredaktionen eingesetzt. Was ist das Ziel dieser Strategie? Für
       den Arbeitsrechtler Maly die Zerschlagung der früher einmal starken und
       selbstbewussten Interessenvertretung der Mitarbeiter. Im Falle des
       Übergangs der Anzeigen-Akquise von der MVB auf die SKC liegt das auf der
       Hand: Der Geschäftsführer der Weser-Kurier-Anzeigenfirma MVB wechselte im
       Januar mit Sekretärin zu der neu gegründeten SKC und suchte per Anzeige
       neue Mitarbeiter. Die SKC bekam ihren Auftrag vom Weser-Kurier aber erst
       Wochen später. Viele der alten MVB-Mitarbeiter bewarben sich und tun nun in
       der SKC praktisch dieselbe Arbeit unter demselben Chef. 28 Mitarbeiter
       blieben bei der MVB zurück, darunter die Mitglieder des nicht
       „kooperativen“ Betriebsrates. Die MVB bekam neue, undankbare
       Akquise-Aufgaben – und macht kaum Umsatz.
       
       Dass das für den Weser-Kurier teuer ist, nimmt der Verlag offenbar in Kauf.
       Ende des Jahres läuft die 5-Jahres-Frist aus, in der der Weser-Kurier für
       Sozialpläne der MVB aufkommen muss. „Ich könnte wetten, dass die MVB nach
       Ablauf dieser Frist aufgelöst wird“, sagt Maly. „Ziel ist, die MVB
       auszuhungern und in die Insolvenz zu treiben, um ältere und
       tarifvertraglich Beschäftigte sowie Betriebsräte möglichst billig
       loszuwerden“, formuliert das der Betriebsrat in einem Hilferuf.
       
       Das Engagement der Stark-Firma, so hatte der Aufsichtsratsvorsitzende
       Weberling schon 2009 angekündigt, sollte „interne Signalwirkung“ haben. Das
       Signal ist klar: Es geht ums Prinzip. Ohne Rücksicht auf Kosten schlägt der
       Weser-Kurier zu, wenn Interessenvertretungen nicht „kooperativ“ sind. Am
       28. August geht es vor dem Arbeitsgericht um die Frage, ob der Übergang von
       MVB zur SKC nicht in Wirklichkeit ein „Betriebsübergang“ ist und die
       Mitarbeiter ein Anrecht haben, in die neue Firma mit ihren alten Verträgen
       zu wechseln.
       
       Schon am 9. August geht es vor dem Landesarbeitsgericht um eine andere
       Frage: Die Betriebsräte sind der Ansicht, dass es sich trotz aller Aus- und
       Umgliederungen um einen „Konzern“ handelt und haben einen
       Konzernbetriebsrat gegründet. Weberling, in diesem Fall für den
       Weser-Kurier vor Gericht, will das bestreiten.
       
       20 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Wolschner
       
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