# taz.de -- Neue Influenzaviren entdeckt: Hafenrobbengrippe in Nordamerika
       
       > Über 150 mit einem bisher unbekannten Erreger infizierte Robben sind in
       > den USA gestorben. Der Virus könnte auch andere Säuger befallen.
       
 (IMG) Bild: Eine sicher nicht infizierte Kegelrobbe in Schleswig-Hostein.
       
       BERLIN taz | Ein neuer Stamm von Grippeviren ist bei Hafenrobben an der
       US-amerikanischen Ostküste entdeckt worden. Das H3N8-Influenzavirus wird
       als potentiell gefährlich eingestuft, weil es auch andere Säugetier oder
       Menschen befallen könnte.
       
       Bei der Autopsie fünf verendeter Robben, hat ein Virologen-Team der
       Columbia University das Virus gefunden. Die Tiere stammten aus einer Gruppe
       von 162 vorwiegend junger Robben, die zwischen September und Dezember 2011
       vor der Küste Neu Englands gestorben sind. Sie wiesen alle Syptome von
       Lungenentzündung auf. Die Wissenschaftler fanden allerdings auch
       bakterielle Koinfektionen, so dass die tatsächliche Todesursache nur schwer
       nachweisbar ist.
       
       Grippeviren bei Robben sind seit rund 30 Jahren bekannt, allerdings wurden
       bis jetzt ausschließlich originäre Vogelviren identifiziert. Die im Journal
       der [1][American Society for Microbiology] veröffentlichte Analyse zeigt,
       dass die Viren eng mit einem Stamm verwandt sind, der seit 2002 bei Vögeln
       in Nordamerika beobachtet wurde. Deshalb wird angenommen, dass der
       Infektionsüberträger Vogelkot ist, mit dem Hafenrobben häufig in Berührung
       kommen.
       
       Die wesentliche Erkenntnis der Virologen ist die Mutationen des
       Vogelgrippevirus, das eine Übertragbarkeit innerhalb von Säugetiere
       ermöglicht. Ian Lipkin, der auch an der Entdeckung des Sars-Virus beteiligt
       war, ist beunruhigt. „Das Virus zirkulierte für einige Jahre unter Vögeln,
       aber eine Verbindung mit einem Massensterben war bisher nicht zu
       beobachten.“
       
       ## Anpassung an den Wirt
       
       Das Hauptproblem sei, dass es die Mutationen dem Virus ermöglichen, sich je
       nach verfügbarem Wirt weiter anzupassen und Infektionen hervorzurufen – bei
       Vögeln und bei Säugetieren. Die Veränderungen im Genom machen das Auftreten
       schwerer Grippesymptome wahrscheinlicher. Ein weiterer Risikofaktor für den
       Menschen, ist die Fähigkeit von H3N8, an ein Protein anzudocken, das auch
       im menschlichen Atemsystem vorkommt, erläutert Lipkin.
       
       Auch die Herausgeberin des Artikels, Dr. Anne Moscona vom Cornell Medical
       College, macht sich Sorgen: „Wir haben ein neues unter Säugetieren
       übertragbares Virus, das bis jetzt nicht mit Menschen in Berührung gekommen
       ist.“ Ein Verständnis für Mutationen und Übertragungen zu entwickeln, sei
       notwendig, um potentielle Risiken künftiger Epidemien effektiver zu
       begegnen, denn: „Grippeviren können von überall her auftauchen“.
       
       Dr. Thorsten Wolff vom Robert Koch-Institut (RKI) hingegen beruhigt: „Es
       ist sehr unwahrscheinlich, dass sich das Virus ausbreitet und damit zu
       einer Gefahr für den Menschen werden kann.“ Robbenpopulationen würden als
       zu klein angesehen, um eine Zirkulation bzw. Ausbreitung des Virus zu
       ermöglichen.
       
       Die Infektionsketten des Virus sorgen dafür, das sich der Erreger nicht auf
       andere Populationen ausbreitet: Unter den Robben wird eine akute Infektion
       ausgelöst. Junge Tiere sterben entweder daran, oder sie sind nach der
       Erkrankung immun. In beiden Fällen werde das Virus nicht aus der Population
       heraus transportiert, erläutert der Leiter des Fachgebiets
       „Influenza/Respiratorische Viren“ des RKI. Auch er hält die Veränderung
       einiger Gensequenzen, also die „beginnende Anpassung an eine Vermehrung in
       Säugetieren“, für die wichtigste Erkenntnis der New Yorker Wissenschaftler.
       
       ## „Dramatische Gefährdung suggeriert“
       
       Es liegen derzeit keine experimentellen Daten vor, dass das neue H3N8-Virus
       andere Säugetiere außer Robben infizieren könnte. Auch wenn die genetischen
       Analysen einen Hinweis geben, würde ein „direkter Bezug zu den
       Vogelgrippeviren eine dramatische Gefährdung suggerieren“, die so nicht
       haltbar sei, warnt Wolff vor Panikmache.
       
       Derzeit werden Influenzaviren von Vögeln nur in Form des hochansteckenden
       Vogelgrippevirus H5N1 auf den Menschen übertragen. Das Virus hatte zwar
       Massentötungen von Gefügel zur Folge, die Statistik der
       Weltgesundheitsorganisation führt seit 2003 aber lediglich 607 Erkrankungen
       und 358 Todesfälle auf. Zum Vergleich: Allein in Deutschland sterben bis zu
       20.000 Menschen an den Folgen einer Grippeinfektion mit
       Humaninfluenza-Viren.
       
       1 Aug 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://mbio.asm.org/content/3/4/e00166-12
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patrick Loewenstein
       
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 (DIR) Vogelgrippe
 (DIR) Virus
       
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