# taz.de -- Kommentar Intellektuelle in der NS-Zeit: Was nie gesagt worden ist
       
       > Bücher zu schreiben ist ein unsicheres Geschäft. Kurz nach dem Krieg
       > schauten viele nicht so genau hin, wer ihr Honorar zahlte. Das sollten
       > sie aber, besser spät als nie.
       
       Bücher zu schreiben ist ein einsames, meist aufreibendes Geschäft. Und wer
       es wagt, ein belletristisches Werk zu verfassen, der muss sich häufig mit
       wirtschaftlicher Not, zumindest aber mit großer Unsicherheit anfreunden,
       solange er noch keinen guten Ruf hat. Deshalb klammert sich die schreibende
       Zunft gern an ihre Verlegerinnen und Verleger, die ihnen etwas Sicherheit
       und hoffentlich genug Geld geben.
       
       Das war immer so, auch in der Nachkriegszeit, in der viele Schreibende
       hierzulande lieber nicht so genau nachschauten, wer ihnen da ein Honorar
       und eine glänzende Zukunft versprach. Dabei war das Verlagswesen kaum
       weniger von Nazis infiziert als Wirtschaft, Wissenschaft oder Justiz
       Westdeutschlands.
       
       Die Nachkriegsjahre des damals so renommierten Luchterhand-Verlags und die
       braunen Flecken auf seinem scheinbar weißen Kittel sind insofern typisch
       für nicht wenige deutsche Verlage. Da musste nur jemand kommen wie der
       joviale, spendable und sich etwas links gebende Luchterhand-Verlags-Chef
       Eduard Reifferscheid (1899–1992) mit seinem enormen Gespür für junge
       Talente wie Günter Grass – und keiner fragte nach, ob er nicht vielleicht
       seine Vergangenheit in der Nazizeit geschönt haben könnte. Und worauf
       eigentlich die Blüte dieses Verlagshauses beruhen könnte.
       
       Es ist schon erstaunlich, wie schnell sich, etwa in der Gruppe 47, eine
       Elite der Autoren bildete, die ab 1945 öffentlich fast schon frech
       behauptete, mit diesen düsteren zwölf Jahren nichts zu tun gehabt zu haben.
       Dies ist auch ein Teil der Erklärung dafür, dass es manchen ihrer Verlage
       gelang, die eigene braune Ecke in der Geschichte ihres Hauses problemlos zu
       verstellen und dann zu vergessen.
       
       Erst in den letzten Jahren – siehe etwa Martin Walser in der Paulskirche
       oder Günter Grass mit seinem Waffen-SS-Geständnis und seinem Israel-Gedicht
       – fängt man an, zu ahnen, dass einige Nachkriegsstarautoren vielleicht
       immer noch etwas aufzuarbeiten haben. Für viele Verlage gilt dies
       ebenfalls. Wie überall in der Gesellschaft musste auch bei ihnen erst die
       Gründergeneration tot sein, ehe das genaue Hinschauen begann. Manche
       stellen sich dieser schmerzlichen Aufgabe, andere nicht.
       
       Eine vertuschte Vergangenheit aber, das ist auch im edlen Kulturleben zu
       lernen, bleibt nicht im gnädigen Vergessen oder schamhaften Verschweigen.
       Eines Tages dringt ihr fauliger Geruch an die Luft. Wer klug ist, wartet
       nicht darauf.
       
       11 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Philipp Gessler
       
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