# taz.de -- Krisenpolitik in Finnland: Ein Pfandmodell aus der Mottenkiste
       
       > Finnland hat mit Athen und Madrid spezielle „Sicherheiten“ für die
       > gegebenen Kredite ausgehandelt. Seit den 1990er Jahren kennen sich die
       > Skandinavier mit Krisen aus.
       
 (IMG) Bild: Empfiehlt ein System gesicherter Anleihen als Teil einer allgemeinen Lösung der Euro-Krise: Finnlands Ministerpräsident Jyrki Katainen.
       
       STOCKHOLM taz | „Vakuudelliset lainat“, gesicherte Kredite. Nur solche will
       Jutta Urpilainen geben, wenn es um Hilfspakete für Euro-Krisenländer geht.
       Das hat sich die Vorsitzende der finnischen Sozialdemokraten und
       Finanzministerin in der vom konservativen Regierungschef Jyrki Katainen
       geführten Koalition auch ausdrücklich im Regierungsprogramm verbriefen
       lassen.
       
       Und tatsächlich hat Helsinki im vergangenen Jahr mit Athen und vor einem
       Monat mit Madrid spezielle „Sicherheiten“ ausgehandelt, bevor finnische
       Euros dorthin fliessen durften. Es ist zwar unklar, was die im Zweifel wert
       sein werden, aber ein System gesicherter Anleihen empfiehlt die finnische
       Regierung nun zumindest als Teil einer allgemeinen Lösung der Euro-Krise.
       
       Dazu sollten Spanien und Italien beispielsweise Bonds ausgeben, die mit
       Staatseigentum besichert sind, schlug Urpilainen Ende Juni in ihrem Blog
       vor. Ministerpräsident Katainen griff diesen Vorschlag nun in einem
       Spiegel-Interview auf: Finnland hätte damit gute Erfahrungen gemacht.
       
       Die Erfahrungen, die das Land damit machte, waren allerdings recht
       begrenzter Natur. Finnland, laut der Ratingagentur Moodys mit einem
       stabilen Dreifach-A nun noch einziger Euro-Musterknabe, war in den 1990er
       Jahren eines der grossen europäischen Krisenländer gewesen.
       
       ## Ein Drittel des Staatsbudgets
       
       Eine Immobilienblase geplatzt, ein Bankensystem, das ohne Rücksicht auf
       Sicherheiten Kredite gewährt hatte, kollabiert und das zusammen mit einem
       Konjunktureinbruch und dem Ende der Sowjetunion – einem wichtigen
       finnischen Exportmarkt. Die Banken sollten gerettet werden, doch das
       kostete fast ein Drittel des Staatsbudgets.
       
       Die Staatsverschuldung stieg binnen vier Jahren von 10 auf über 60 Prozent
       des Bruttoinlandsprodukts an. Ein sowieso hohes Zinsniveau schoss noch
       weiter nach oben: Für dreijährige Staatsanleihen waren schon vor der Krise
       (1990) 9,4 Prozent Zinsen fällig, 1992 waren es 11,6 Prozent. Eine schwere
       Belastung für das Staatsbudget war der zur Förderung des Wohnungsbaus nach
       Ende des 2. Weltkriegs gegründete staatliche Wohnbaufonds ARAVA.
       
       Der finanzierte 1990 fast 50 Prozent des Wohnungsbaus in Finnland und
       geriet in Schieflage, weil immer mehr Häuslebauer und Wohnbaugesellschaften
       ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten. Weshalb man ihn als eigene
       juristische Person aus dem Staatshaushalt ausgliederte, damit er sich
       eigenständig Geld auf dem Kapitalmarkt beschaffen konnte.
       
       Ab 1995 geschah dies über eine in Irland registrierte Fondsgesellschaft in
       Form verbriefter Wertpapiere mit dem Pfand des Immobilieneigentums als
       Sicherheit. Auf ihn verweist Helsinki nun als mögliches Vorbild. Und
       tatsächlich lagen die Zinsen dieser Papiere einige Zehntel unter dem der
       normalen Staatsanleihen – die allerdings schon ein Jahr vorher mit 7,9
       Prozent wieder unter das Vorkrisenniveau gesunken waren.
       
       ## Abwertung der Finnmark
       
       Für die Überwindung der Krise spielte dieser Wohnbaufonds schon deshalb
       keine große Rolle, weil Finnland 1995 bereits wieder festen Boden unter den
       Füssen bekommen hatte. Die Rezepte dafür: Massive Budgetkürzungen mit einem
       radikalen Abbau des Sozialbudgets. Finnland wurde zum Land der Suppenküchen
       und zum Empfänger der EU-Lebensmittelhilfe.
       
       Vor allem aber stellte sich eine Abwertung der Finnmark von fast 30 Prozent
       gegenüber der D-Mark und 40 Prozent gegenüber dem US-Dollar ein. Davon
       profitierte die Exportindustrie, die ihre Produkte fast konkurrenzlos
       billig anbieten konnte, wozu auch eine 20-prozentige Arbeitslosenrate
       beitrug, die eine Senkung des Reallohnniveaus erlaubte.
       
       Dass Finnland in den Post-Rezessionsjahren mit Nokia auch noch der weltweit
       grösste Mobilfunkanbieter heranwuchs, spielte bei der wirtschaftlichen
       Erholung ebenfalls eine wichtige Rolle.
       
       Wenn nun Helsinki das für die damalige Krisenbewältigung allenfalls
       nebensächliche Modell des Wohnungsbaufonds als beispielhaft präsentiert,
       ist das vor dem Hintergrund der dortigen innenpolitischen Debatte zu sehen.
       Helsinki ist sowohl gegen einen Kauf von Staatsanleihen durch den
       Rettungsfonds wie gegen eine Banklizenz für den ESM.
       
       ## Blosse Symnolik
       
       Für weitere Hilfspakete, die zwei Drittel der Bevölkerung ablehnen, dürfte
       eine Mehrheit im Parlament immer schwieriger werden. Und die bislang von
       Finnland ausgehandelten Sicherheiten werden von vielen Experten als blosse
       Symbolik abgetan.
       
       Urpilainen muss ihre mittlerweile Euro-skeptische Partei bei der Stange
       halten und will nicht noch mehr WählerInnen an die rechtspopulistischen
       „Wahren Finnen“ verlieren. Man wolle eine „proaktive Lösungsalternative“
       präsentieren, begründet sie ihren Vorstoß. Die Frage, welche
       Staatsbeteiligungen Italien oder Spanien zur Absicherung ihrer Anleihen
       verpfänden sollten, konnte sie aber nicht beantworten.
       
       13 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Finnland
       
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