# taz.de -- Missbrauchs-Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit: Anklagebank statt Olympia
       
       > Ein Schwimmtrainer soll ein Mädchen aus Kiel jahrelang missbraucht haben.
       > Der Angeklagte spricht von einvernehmlichem Sex mit der zu Beginn
       > 16-Jährigen
       
 (IMG) Bild: Erheben Missbrauchsvorwürfe: Staatsanwältinnen im "Schwimmtrainer" -Verfahren
       
       KIEL taz | Noch vor wenigen Tagen stand er bei den Olympischen Spielen noch
       am Beckenrand, am Dienstag musste ein Schwimmtrainer sich vor dem Kieler
       Amtsgericht verantworten: Die Staatsanwaltschaft wirft dem heute
       40-Jährigen vor, eine von ihm trainierte Nachwuchs-Schwimmerin sexuell
       missbraucht zu haben. Zu Beginn der Taten, im August 2004, war die junge
       Frau 16 Jahre alt.
       
       Das Gericht befragte sie und weitere Zeuginnen hinter verschlossenen Türen.
       Ein Urteil fiel gestern nicht. Strittig ist die Frage, ob die junge Frau
       juristisch gesehen seine Schutzbefohlene war – dies bezweifelte Verteidiger
       Kai Dupré vor Prozessauftakt. Nach der Verhandlung sagte er, er habe die
       Vorwürfe zurückgewiesen. Der Angeklagte selbst äußerte sich öffentlich
       nicht. Sollte das Schöffengericht ihn für schuldig befinden, drohen ihm bis
       zu vier Jahre Haft.
       
       Der Trainer, der inzwischen in Nordrhein-Westfalen arbeitet und bei den
       Olympischen Spielen in London die Beckenschwimmer betreute, kümmerte sich
       seit 2000 um die Nachwuchsschwimmerin bei einem Kieler Verein. Ab 2004 fand
       das Training neunmal pro Woche statt. Der damals 32-Jährige bestimmte laut
       Staatsanwältin Veronika Stoltz-Uhlig das Leben des Mädchens auch außerhalb
       des Schwimmbeckens. Er „reglementierte ihr Verhalten“, beriet mit den
       Eltern über „psychische Befindlichkeiten“ und Essenspläne der Schwimmerin.
       
       Die Eltern gestatteten der Jugendlichen auch, gemeinsam mit ihrem Trainer
       und dessen damaliger Freundin Urlaub auf Kreta zu machen. Im Hotelzimmer
       und am Strand sollen erste sexuelle Übergriffe und erster
       Geschlechtsverkehr stattgefunden haben, die die noch unerfahrene Frau laut
       Anklage passiv ertrug. In den folgenden Monaten fanden weitere Fälle statt,
       insgesamt geht es um 18 Übergriffe.
       
       Im Vorfeld des Prozesses hatten sowohl Staatsanwaltschaft als auch
       Verteidigung von einvernehmlichen Handlungen gesprochen – die
       Anklageschrift zeichnete ein etwas anderes Bild. So soll die junge Frau in
       einigen Fällen widersprochen, geweint oder Schmerzen gehabt haben, was der
       Mann laut Anklage „registrierte“.
       
       Während die Staatsanwältin die Details der Beschuldigungen vortrug,
       schüttelte der inzwischen verheiratete Mann mehrfach den Kopf und legte die
       Hände vor das Gesicht. Das Blitzlichtgewitter zu Beginn der Verhandlung
       hatte er regungslos hingenommen. Das Medieninteresse war groß: Schon eine
       Stunde vor Verhandlungsbeginn drängten sich Fernsehteams und Fotografen im
       engen Saal des Amtsgerichts.
       
       Der Antrag des Verteidigers, die Öffentlichkeit bereits zur Verlesung der
       Anklageschrift auszuschließen, scheiterte. Bis in den Nachmittag sagte das
       mutmaßliche Opfer aus, sie trat auch als Nebenklägerin auf. Das Urteil soll
       vermutlich am Donnerstag verkündet werden.
       
       Der Fall war am Wochenende bekannt geworden und hatte den Deutschen
       Schwimm-Verband in Erklärungsnot gebracht, da offenbar die Verantwortlichen
       nichts von den Vorwürfen gewusst hatten. Seit 2009 ermittelt die
       Staatsanwaltschaft in Kiel gegen den Trainer. Dem Schwimmverband hatte er
       nichts von dem Verdacht gegen sich mitgeteilt.
       
       14 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geisslinger
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Missbrauch an Bonner Schule: „Pater Pädo“ als Seelsorger
       
       Ein Pater verabreicht in Bonn Poklapse und Zäpfchen an Schüler. Die
       Staatsanwaltschaft erkennt darin kein sexuelles Motiv, die Schule mogelt
       sich in die Normalität zurück.
       
 (DIR) Trainer unter Missbrauchsverdacht: Abstieg der Olympier
       
       Ein Schwimmtrainer unter Missbrauchsverdacht kratzt am Image des
       Olympischen Sportbundes. Man sah sich als Vorbild im Kampf gegen sexuelle
       Gewalt.
       
 (DIR) Missbrauchsaffäre beim Schwimm-Verband: Wieder nichts gewusst
       
       Ein Trainer des olympischen Schwimmteams steht kommenden Dienstag wegen
       Missbrauchs vor Gericht. Wie im Fall der Ruderin Drygalla will der DOSB
       davon nichts gewusst haben.